Zurück

 

 

Aktuelle Gesundheits-Nachrichten

Chemotherapieversagen bei Tumorresistenzen

Integrative Onkologie in der Schweiz

Interdisziplinäre Online-Tumorkonferenz, Gynäkologische Malignome

Hyperthermie in der Krebsmedizin

Krebs und Zucker

Patientenrechte und Erfahrungen

Aktuelles aus der Krebsforschung

 

Wenn Zahlen mahnen

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Welt-Krebsbericht 2014 vorgestellt. An diesem Report auf 600 Seiten haben mehr als 250 Autoren, Mitglieder der Internationalen Krebsforschungsagentur IARC, Experten der WHO aus mehr als 40 Nationen mitgewirkt.

Schätzungsweise werden jedes Jahr weltweit 14 Millionen Menschen neu an Krebs erkranken; die Tendenz ist steigend.

Allein in den nächsten zwei Jahren rechnet man mit einer Zahl der Neuerkrankungen von 22 Millionen jährlich. Die Zahl der Todesfälle steigt demzufolge ebenso an. Als weltweit häufigste Krebsarten gelten Lungenkrebs, Brustkrebs und Darmkrebs. Dabei führt Lungenkrebs die Liste der Sterblichkeit weltweit an.

Die Frage nach den Ursachen wird im Report nicht ausgespart. Die demografische Entwicklung ist eine der Ursachen. Die häufig ungesunde und schädliche Lebensweise ist die andere Seite der Medaille. Im Fokus stehen Übergewicht und Luftverschmutzung. Und dagegen kann und muss sowohl jeder von uns als auch die Politik aktiv sein. Jeder kann seinen Lebensstil unter die eigene Lupe nehmen. Gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, die Balance zwischen Aktivität und Entspannung – das sind die Themen, die Sie bewegen sollen. Unsere Hefte werden Sie auch weiterhin mit aktuellen Informationen anregen, auf Ihre Gesundheit zu achten. Auch im Krankheitsfall – bitte machen Sie sich Ihr Programm; Ihr Arzt und Therapeut wird Ihnen dabei helfen.

Bleiben und werden Sie aktiv!

Dagmar Moldenhauer, Redaktionsleiterin

 

Für Sie in dieser Ausgabe

■ IN EIGENER SACHE

Krebs: Prävention und Realität

■ THEMA HEUTE

Wenn Chemo nicht wirkt, Chemotherapieversagen bei Tumorresistenz

■ IM BLICKPUNKT

Integrative Onkologie in der Schweiz

Online-Tumorkonferenz Gynäkologische Malignome

■ WISSEN

Stellenwert der Hyperthermie in der modernen Medizin

Chronisch lymphatische Leukämie

Krebs und Depression – Diagnostik und Therapie

■ RAT & TAT

Krebs und Zucker

Kennen Sie Ihre Rechte als Patient?

■ ERFAHRUNGEN

Krankheitserfahrungen

Der besondere Ort – mit allen Sinnen leben. Barfußpark in der Lüneburger Heide

■ AKTUELLES AUS DER KREBSFORSCHUNG

 

Krebs: Prävention und Realität

Dr. med. Andreas-Hans Wasylewski

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Bekämpfung von Krebserkrankungen ist eines der wichtigen Gesundheitsziele unserer Gesellschaft. Eine der Grundvoraussetzungen ist eine Vernetzung zahlreicher verschiedener Maßnahmen zur Prävention bis hin zur Beratung und komplexen Betreuung der Menschen mit dieser Krankheit.

Längst ist erwiesen, dass die Hälfte aller Krebskrankheiten durch bestimmte Präventionsmaßnahmen vermieden werden kann. Leider zeigen die aktuellen Daten des Robert Koch Institutes, dass die Zahl der Krebsneuerkrankungen seit 1990 um fast 30% gestiegen ist. Im Zeitraum 2000 bis 2010 ist bei Männern diese Zahl um 21%, bei Frauen um 14% gestiegen.

Die Hauptgründe dieses Trends sind nicht allein die demografische Entwicklung. Entscheidend ist die gestiegene Zahl der Früherkennungen durch eine verbesserte Diagnostik, um die positive Seite des Handelns zu nennen. Weit problematischer in dieser Analyse ist der ungesunde und falsche Lebensstil, der heute bewiesenermaßen Einfluss auf die Krebsneuerkrankung hat.

Besonders Tabak und Alkohol erhöhen das Krebsrisiko deutlich. Nach Angaben der WHO ist Tabakrauch verantwortlich für einen von zehn Todesfällen unter Erwachsenen. Man schätzt, dass Tabakrauch bei Männern für 20-30% und bei Frauen für mindestens 10-15% aller Krebserkrankungen als Auslöser gilt. Das Risiko steigt mit der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten.

Die WHO-Daten zeigen weiterhin, dass Tabakrauch für weitaus mehr Krebserkrankungen verantwortlich ist als bisher angenommen wurde. Außer für Lungenkrebs wird der Zigarettenkonsum auch für Nieren- und Blasenkrebs, Leukämie, Speiseröhre-, Brust-, Bauchspeicheldrüse-, Gebärmutter-, Leber-, Magen-, Darm-, Hautkrebs sowie für fast alle Kopf-Hals-Tumoren, wie Krebs der Mundhöhle, des Mund- und Nasenrachenraumes, der Nasenhöhle und der Nasennebenhöhle sowie des Kehlkopfes, verantwortlich gemacht.

Und was besonders für unsere Zukunft wichtig ist: etwa 60% der Kinder in Deutschland wachsen in Haushalten mit mindestens einem Raucher auf. Raucher gefährden somit nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die ihrer engsten Angehörigen. Allein 165.000 Kinder sterben, weil sie dem Zigarettenrauch ihrer Eltern ausgesetzt sind. Weltweit sind 40% aller Kinder und ein Drittel aller Erwachsenen Passivraucher. Das durchschnittliche Einstiegsalter für das Rauchen liegt in Deutschland bei 13 Jahren; schon 2% der Zehnjährigen, 7% der Dreizehnjährigen und 27% der Sechzehnjährigen rauchen. Und jede Zigarette verkürzt das Leben um 8 Minuten.

Am Passivrauchen sterben in Deutschland jedes Jahr ca. 600.000 Menschen. Das entspricht 1% aller Todesfälle weltweit. Das Risiko eines Herzinfarktes erhöht sich durch Passivrauchen um 6o%; das Lungenkrebsrisiko ist um 30% höher.

Diese Daten sind allen gesellschaftlich und politisch Verantwortlichen bekannt. Noch ein paar Zahlen zum komplexen Verständnis meiner Gedanken: der Staat profitiert mit jährlich 20 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer – feste Einnahmen im Budget. Gleichzeitig entstehen als Kosten infolge des Tabakkonsums rund 80 Milliarden Euro jährlich. Allein die chronische Bronchitis, zu 90% dem Rauchen anzulasten, verursacht 25 Millionen Tage Arbeitsunfähigkeit und 2,7 Millionen Krankenhaustage im Jahr. Reha-Maßnahmen, Invalidität und vorzeitiger Tod kommen hinzu.

Stimmt hier die Ballance von Prävention und Realität in Deutschland? Bitte finden Sie die Antwort – vor allem auch in Ihrem eigenen Gesundheitsverhalten – selbst. Eigenverantwortung hilft zuerst Jedem und letztlich der Gesellschaft.

In der nächsten Ausgabe werde ich für Sie über das Thema Alkoholkonsum und falsche Ernährung schreiben.

Bis dahin, Ihr Dr. Wasylewski

 

„Um zur Quelle zu gelangen, muss man gegen den Strom schwimmen.“(Konfuzius)

 

Chemotherapieversagen durch Tumorresistenz

Prof. Dr. med. T. H. Lippert, Medizinische Fakultät der Universität Tübingen

Die Entwicklung zahlreicher neuer Antikrebsmedikamente, viele bereits auf dem Markt, viele demnächst zur Marktreife kommend, geben Anlass, deren Effektivität bei der Tumorbehandlung näher in Augenschein zu nehmen. Während die operative Entfernung eines Tumors in seinem Anfangsstadium zu einer Heilung führen kann, bleibt in fortgeschrittenen Stadien meist als einzige Option die medikamentöse Behandlung.

Leider ist zu konstatieren, dass die neuen Präparate, ebenso wie die klassischen Zytostatika, bei den meisten bösartigen soliden Tumoren bisher keine wesentlichen Verbesserungen gebracht haben. Es gibt immer noch viele Therapieversager.

Es erhebt sich daher die Frage, was die Gründe dafür sind, dass nur ein Teil der Patienten auf die Therapie anspricht, andere jedoch nicht und was dagegen getan werden kann.

Der Hauptgrund für die oft hohe Frequenz der Versager von Krebstherapien sind Tumorresistenzen gegen die Medikamente; Resistenzen sowohl gegen ältere Zytostatika als auch gegen neuere Präparate gleichermaßen.

Die Kenntnisse über die Pathophysiologie von Tumorresistenzen sind heute sehr umfangreich. Zu ihrem Verständnis ist allerdings die Kenntnis der Wirkmechanismen der Antikrebsmedikamente erforderlich. Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung der Charakteristika der zurzeit gebräuchlichen Antikrebspräparate.

Klassische Zytostatika

Zytostatika sind Zellgifte, die als Krebsmedikamente zum Einsatz kommen, weil sie Tumorzellen, besonders schnell wachsende, effektiver angreifen und zerstören können als normale Zellen. Da es sich um keine gezielte Tumortherapie handelt, können auch normale Zellen zu Schaden kommen. Das auch als Schrotschusstherapie bezeichnete Vorgehen ist somit mit vielen, teils ernsthaften Nebenwirkungen behaftet. Besonders gefürchtet ist die Zerstörung normaler Zellen des Gastrointestinaltraktes sowie Zellen des Immunsystems. Erwähnenswert sind auch die häufigen Schädigungen der Haarwurzelzellen, die den Haarausfall bewirken. All dies führt zu schweren Beeinträchtigungen des Allgemeinbefindens und vermindert ganz erheblich die Lebensqualität der Patienten; fatale Folgen lassen sich nicht ausschließen.

Die Resistenz gegen Zytostatika ist beträchtlichen individuellen Schwankungen unterworfen. Sie hängt von den komplexen Tumorstrukturen ab, die wiederum komplexe Mechanismen der Giftabwehr entwickeln können. Auch normale Zellen sind an der Zytostatikainaktivierung mitbeteiligt.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Entdeckung, dass bei Rauchern Resistenzen gegen toxische Stoffe des Rauchens sehr ausgeprägt sind und deshalb durch Kreuzreaktionen die Zytostatikabehandlungen von Lungentumoren wenig erfolgreich sind. Auch bei anderen Krebserkrankungen, bei denen Patienten im Vorfeld mit toxischen Stoffen in Kontakt gekommen sind, ist die Resistenzlage bei Zytostatikatherapien häufig erhöht.

Dies kann als Erklärung dafür gewertet werden, dass zwei Formen der Resistenz gegen Zytostatika existieren, nämlich eine bereits vor der Behandlung bestehende Resistenz (intrinsic resistance) und eine erst durch die Zytostatikabehandlung entstehende Resistenz (acquired resistance).

Gezielt wirkende Krebsmedikamente

Die neuen, den Markt bereits überflutenden Krebsmedikamente, besitzen im Gegensatz zu den klassischen Zytostatika einen gezielten Wirkmechanismus. Sie inaktivieren körpereigene Faktoren, die auf Tumore wachstumsstimulierend wirken. Obwohl diese Strategie einer gewissen Logik folgend erfolgversprechend erscheint, ist sie doch mit vielerlei Problemen behaftet. So kann die Anwendung der Präparate häufig nicht zielgerecht durchgeführt werden, da aufgrund der immensen Variabilität der Tumorwachstumsfaktoren oft nicht nachweisbar ist, ob der auszuschaltende Wachstumsfaktor auch maßgebend an der speziellen Tumorausbreitung beteiligt ist.

Ein individuelles Vorgehen ist hier gefordert, hinkt aber wegen Schwierigkeiten bei der Erstellung von diagnostischen Tests erheblich hinterher.

Nebenwirkungen sind bei den neuen Krebsmitteln ebenfalls vorhanden. Für einige gibt es bereits Erklärungsmöglichkeiten. So handelt es sich bei verschiedenen Wachstumsfaktoren, wie z.B. Vascular endothelial growth factor (VEGF), Epidermial growth factor (EGF) und verschiedenen Kinasen um Substanzen, die physiologischerweise auch von normalen Zellen produziert werden und physiologische Funktionen erfüllen. Da die Überproduktion durch die Tumore nicht selektiv zu stoppen ist, können bei zu radikaler Inaktivierung lebenswichtige Organe, wie z.B. das Herz, stark geschädigt werden. Wegen der im Individualfall variablen Zusammensetzungen der Wachstumsfaktoren ist es bisher noch nicht gelungen, eine größere Effektivität der Krebstherapien speziell bei soliden Tumoren zu erzielen.

Das Resistenzpotential der neuen Medikamente ist im Vergleich mit dem der klassischen Zytostatika ebenfalls ziemlich hoch. Durch die Komplexität der Wachstumsmechanismen von Tumoren bleibt das Ausschalten eines Wachstumsfaktors häufig durch kompensatorische Aktivierung von anderen Wachstumsfaktoren ohne einen therapeutischen Effekt. Nur in Kombination mit einer klassischen zytostatischen Chemotherapie finden die neuen zielgerichteten Krebsmedikamente häufiger Verwendung; die Überlebenszeit wird dadurch mitunter statistisch etwas verlängert, allerdings bei gleichzeitiger Erhöhung der Nebenwirkungen.

Diagnostik von Tumorresistenzen

Die Aufklärung der Mechanismen von Tumorresistenzen hat jedoch nicht viel zu deren klinischer Diagnostik beitragen können. Zu Beginn der chemotherapeutischen Tumorbehandlungen in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden noch intensive Anstrengungen unternommen, um die Resistenz vor Beginn der Behandlung individuell zu diagnostizieren. Das Interesse an der Resistenzdiagnostik nahm danach ab und nimmt heute nur noch einen Nischenplatz ein. In den unzähligen Chemotherapiestudien, die in den bisherigen Jahrzehnten durchgeführt wurden, wurden immer nur Kollektive blind behandelt, d.h. mit den Testpräparaten wurden, wie erst am Studienende festzustellen war, sowohl Patienten die darauf ansprachen (Responders) als auch solche, die nicht darauf ansprachen (Nonresponders), therapiert.

Die stark variablen Testergebnisse sind schließlich darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Nonresponders bei der Rekrutierung der Patienten zu Therapiebeginn immer unbekannt war. Die derzeitigen Richtlinien der Chemotherapieanwendungen basieren auf solchen Studienergebnissen; sie können folglich keine verlässlichen Therapievoraussagen liefern.

Eine Aufklärung der Patienten über die Möglichkeit, nutzlose Behandlungen vermeiden zu können, erfolgt im Allgemeinen nicht. Dabei hat die Resistenzdiagnostik in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Der Patient sollte nicht mehr eine Medikamentenzufuhr ertragen müssen, längere Zeit bevor er erfährt, dass die Therapie für ihn nur ein negatives Resultat bringt.

a) Diagnostik der vorbestehenden Resistenz

Die Methodik geht zurück auf Forschungsarbeiten während der frühen Chemotherapieanwendungen Mitte des letzten Jahrhunderts. Sie basiert auf der In-vitro-Reaktion frisch entnommener, noch alle Eigenschaften enthaltenden Tumorzellen auf Krebsmedikamente. Die Tests wurden laufend verbessert. Sie sind jetzt weitgehend standardisiert und bringen bei schonender Gewebeentnahme sowie geeigneten Transportmedien und effektiven Kurzzeitzellkulturen eine hohe Zuverlässigkeit der Resistenzdiagnostik. Es ist allerdings zu betonen, dass nur erfahrene spezialisierte Labors in der Lage sind, diese Zuverlässigkeit zu garantieren. Das schon früh in die Welt gesetzte Urteil, die In-vitro-Tests seien unzuverlässig, stützt sich auf die anfänglich sehr variablen unzulänglichen Testverfahren und ist leider heute immer noch unberechtigterweise weit verbreitet. Dabei wird meist übersehen, dass nur die Tumorresistenzen sicher erkannt werden können, während die Ansprechbarkeit auf Krebsmedikamente, die mit derselben Methode mitgetestet werden kann, dies nur in beschränktem Maße zulässt.

Tumormarker bzw. Biomarker, mit denen sich die Forschung derzeit intensiv befasst, sind für die Testung einer vorbestehenden Resistenz ungeeignet. Für die Überwachung der Therapiefortschritte geeignet, haben sie jedoch diesbezüglich noch zu wenig klinische Beachtung gefunden. Die zahlreichen vorliegenden Studien hätten gute Gelegenheiten geboten, mehr über die Verwendbarkeit von Biomarkern zur Kontrolle des Behandlungsverlaufs zu lernen – diese Chancen wurden leider nicht genutzt.

b) Diagnostik der erworbenen Resistenz

Für eine durch die Medikamente induzierte Tumorresistenz hat sich erst in den letzten Jahren eine verlässliche Testmöglichkeit eröffnet; es handelt sich dabei um die Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Schon längere Zeit von der Nuklearmedizin zur Diagnose von aktiven Tumoren in der Klinik angewandt, wird die PET jetzt auch für den Nachweis der Wirkung von Tumorbehandlungen eingesetzt. Die Effektivität sowie das Nichtansprechen kann in vivo bereits nach sehr kurzer Behandlungszeit diagnostiziert werden.

Das praktizierte Testverfahren beruht auf der intravenösen Verabreichung eines kurzstrahlenden radioaktiv markierten Zuckers, der von aktiven Tumoren gierig aufgenommen wird. Der Unterschied zwischen dem Messeffekt vor der Behandlung und dem kurz nach Behandlung zeigt die Wirkung an. Die Strahlenbelastung ist nicht sehr hoch, wird allerdings erheblich erhöht, wenn die PET mit einer sonst üblichen Computer-Tomographie (CT) kombiniert wird. Die kombinierte Testanordnung erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn daraus Konsequenzen bezüglich der Therapie gezogen werden. Die genaue Anzeige der Lokalisation des Tumors wird durch die hohe Strahlenbelastung des zusätzlichen CTs teuer erkauft, ist im allgemeinen schon durch die Erstaufnahme bekannt.

Personalisierte Krebstherapie

Im Zuge der derzeitigen Propagierung der personalisierten Krebstherapie hat die Tumorresistenzdiagnostik noch keine größere Beachtung gefunden. Alle Forschungsenergie wird in die Diagnostik der Ansprechbarkeit von Tumoren durch die vielen zur Verfügung stehenden Krebspräparate investiert. Es wird erwartet, dass Biomarker diese Probleme lösen können, indem sie anzeigen, welche Tumore bei welchen Patienten zur Therapie geeignet sind. Bisher ist dies allerdings nur in bescheidenem Maße gelungen. So wurden zu einigen Krebsmedikamenten zusätzliche Tests entwickelt, die die Ansprechbarkeit des Tumors individuell herausfinden sollen, so genannte Companion Diagnostics. Dieses Vorgehen blieb nicht unwidersprochen, da es die Anwendbarkeit der Krebsmittel stark einschränken würde. Ob sich die Companion Diagnostics in der Praxis bewähren, muss die Zukunft zeigen.

Die Pharmaindustrie, die profitorientiert handelt, ist natürlich primär daran interessiert, ihre Präparate, wenn sie die staatliche Zulassung erreicht haben, auch zu verkaufen und zwar ohne Restriktion durch Resistenztests. Dieser Strategie der möglichst breiten Verwendung steht unterstützend zur Seite die Psyche von Patienten, die gerade erfahren mussten, dass ein bösartiger Tumor sie befallen hat. In Panikstimmung wird dann meist eine schnelle Entscheidung getroffen und der angebotenen onkologischen Behandlung, wenn sie auch nur geringe Chancen einer erfolgreichen Therapie bietet, zugestimmt. Durch überstürztes Handeln werden andere Optionen übersehen. Den Circulus vitiosus zu durchbrechen, d.h. sich Zeit zu nehmen, um das optimale Vorgehen ausfindig zu machen, ist naturgemäß sehr schwer. Obwohl im Zeitalter des Internets die Orientierungsmöglichkeiten groß sind, bleibt es trotzdem oft schwer zu hinterfragen, ob die etablierten Verfahren bei der anstehenden Krebsbehandlung eine Garantie für das beste Resultat bieten, von welcher Seite auch diese Verfahren empfohlen werden.

Zeit für Entscheidungen, die sorgfältige Nachforschungen über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten erfordern, sollte allerdings immer nach einer Krebsdiagnose hinreichend vorhanden sein.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine nutzlose Behandlung den Patienten noch kränker machen wird und deren Vermeidung deshalb ein hoher Stellenwert zukommt. Da Resistenztests nicht routinemäßig zur Anwendung kommen, ist es nicht immer einfach ausfindig zu machen, wo man sie durchführen lassen kann. Hilfe von den Kliniken ist im allgemeinen nicht zu erwarten, da das zusätzliche Procedere die durch Richtlinien vereinfachte Therapie behindern würde.

Somit ist leider zu konstatieren, dass eine Verbesserung der Therapiechancen durch routinemäßig anwendbare Tumorresistenztestungen immer noch gering ist. Der Status quo kann sehr wahrscheinlich nur dann verändert werden, wenn staatliche Institutionen eingreifen und nötige finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.

Der Ruf nach personalisierter Krebstherapie ist bisher ohne wirksame Konsequenzen geblieben. Vereinzelte Bemühungen um Individualisierung der Medikamentenanwendung brachten keine Änderung der üblichen Behandlungspraxis (Moss RW, Customized Cancer Treatment, Equinox Press, Lemont PA, 2010).

Ohne Tumorresistenztestung ist eine personalisierte Krebstherapie nicht möglich. Um die Organisation der Testdurchführung muss sich der Patient oft noch selbst kümmern, was mitunter mit Schwierigkeiten verbunden ist. In jedem Falle sollte sich jedoch der Patient zuerst mit der Frage der Resistenztestung an den behandelnden Arzt wenden. Es ist zu hoffen, dass sich Ärzte in der Zukunft mit der Tumorresistenztestung näher befassen, um somit Patienten helfen zu können, unnötige, nur schädliche Krebsbehandlungen, zu vermeiden

Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. med. T. H. Lippert, Erlenweg 38, 72076 Tübingen
Tel. 07071 62199, Fax: 07071 62234
Email: Theodor-Lippert@web.de

 

Die Integrative Onkologie in der Schweiz

Dr. med. Boris Müller-Hübenthal Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, Naturheilverfahren und Palliativmedizin, Leitender Arzt im Zentrum für Integrative Onkologie Paracelsus Spital Richterswil AG und Vorsitzender des Vorstandes European Society for Integrative Oncology ESIO e.V.

Zwischen Tradition und Veränderungen

Die Komplementärmedizin hat in der Schweiz Tradition, wie in keinem anderen Land in Europa. Einer von fünf Schweizern hat im Lauf eines Jahres mindestens eine komplementärmedizinische Konsultation. In der Onkologie greifen 40–80% der Patienten auf komplementäre oder alternative Behandlungen zurück.

Spätestens seit der deutlichen Mehrheit bei der eidgenössischen Volksinitiative „Ja für Komplementärmedizin“ vom 19. Mai 2009 ist der Anspruch auf eine komplementärmedizinische Versorgung zu Lasten der Grundversicherung geregelt. Aber auch im Bewusstsein der Bevölkerung ist das Bedürfnis nach Inanspruchnahme komplementärer Therapieverfahren fest verankert. Im Ambulanten Bereich werden zu Lasten der obligatorischen Grundversicherung fünf Methoden der ärztlichen Komplementärmedizin vergütet: Phytotherapie, traditionelle chinesische Medizin (TCM), anthroposophische Medizin, klassische Homöopathie und Neuraltherapie.

Die Entscheidung über den weiteren Verbleib dieser fünf Verfahren in der Grundversicherung war an den wissenschaftlichen Nachweis ihrer Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) gebunden, die vom „Programm Evaluation Komplemen tärmedizin“ (PEK) geprüft werden sollten. Das PEK wurde 2006 abgeschlossen.

Sowohl der interne Schlussbericht als auch die teilweise veröffentlichten Forschungsberichte zeigten, dass die fünf Methoden die WZW Kriterien erfüllen. Seit der Abstimmung ist die Schweiz das erste und einzige Land, in dem die Komplementärmedizin in der Verfassung verankert ist.

Im Zuge der vom Schweizer Stimmvolk gewollten Förderung der Komplementärmedizin wurden zum Ausbau von Forschung und Lehre Lehrstühle an den Universitäten Zürich und Bern geschaffen. (Vermerk der Redaktion: Wir werden im Heft 15 von dort berichten.)

Was bedeutet integrative Onkologie?

Insbesondere in der Onkologie werden komplementärmedizinische Angebote von Patientinnen und Patienten stark nachgefragt. Entsprechend der großen Nachfrage wird eine Vielzahl von Behandlungsmethoden angeboten. Nicht bei allen Therapieformen sind positive Effekte wissenschaftlich nachgewiesen. Bei einigen fehlt dieser Nachweis, bei einigen besteht der Verdacht, dass ihr Einsatz sogar nachteilige Effekte für die Patienten haben könnte. Unter Federführung Schweizer Onkologen wurde aufgrund des hohen Bedarfs an Weiterbildung und Forschung im Jahr 2009 die European Society for Integrative Oncology ESIO e.V. mit Sitz in Freiburg i.Br. gegründet.

Vorstandsmitglieder der ESIO e.V. beim Workshop

Es ist ein gemeinnütziger Verein, der u.a. Projekte fördert, die dazu dienen, Therapieverfahren zu untersuchen, bei denen komplementäre Ansätze mit leitliniengerechten onkologischen Therapien gemeinsam eingesetzt werden. Ein wichtiges Ziel der noch jungen Gesellschaft war die Begriffsklärung, was sie unter Integrativer Onkologie versteht.

Obwohl der Begriff „Integrative Onkologie” sehr häufig verwendet wird, existiert bisher keine allgemeingültige Definition, was darunter verstanden wird. Im März 2012 fand ein Expertentreffen zum Thema „Was ist Integrative Onkologie?” statt.

Im Rahmen des Expertenaustausches bis zum Konsensus konnte somit die folgende praktikable Definition von Integrativer Onkologie erzielt werden:

Integrative Onkologie

  • Integrative Onkologie ist eine Medizin, die von einer achtsamen, respektvollen, die Autonomie und die Ressourcen des Patienten fördernde Haltung geprägt ist.
  • Sie verbindet sinnvoll die spezifische Krebstherapie mit supportiv und komplementärmedizinisch ausgerichteten Therapieverfahren.
  • Die Umsetzung der Integrativen Onkologie erfolgt wissenschaftlich fundiert, in transparenter Art und Weise und auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt.

Bedeutsam für die Qualität ist die Haltung des Therapeuten gegenüber dem Patienten, die Art und Weise der Umsetzung bzw. Handlung und die hierzu notwendigen medizinischen Methoden.

Aktuell bereitet die ESIO e.V. ein Internationales Symposium zu Möglichkeiten und Grenzen der Hyperthermie in der Onkologie vor.
Nähere Informationen: www.hyperthermie-update.ch

Das Zentrum für Integrative Onkologie im Paracelsus-Spital Richterswil

Das Paracelsus-Spital Richterswil (PSR), Zentrum für Integrative Medizin, liegt in landschaftlich herrlicher Lage am linken Zürichseeufer. Das Paracelsus-Spital ist ein regionales Spital mit privater Trägerschaft mit einem Leistungsauftrag des Kantons Zürich für Akut- und Komplementärmedizin. Das Spital ist ein Listenspital des Kantons Zürich und versorgt Patienten aus der ganzen Schweiz. Das Zentrum für Integrative Onkologie (ZIO) mit den leitenden Ärzten Dr. Michael Decker und Dr. Boris Müller-Hübenthal wurde 2011 gegründet und ist in den letzten zwei Jahren stark gewachsen.

Das integrative Behandlungskonzept ist neben der gezielten Tumortherapie auf die Förderung der Selbstheilungskräfte ausgerichtet. Im ZIO des PSR werden aus einer Hand onkologische Standardtherapien gemäß den Empfehlungen der Internationalen Richtlinien und auf der Basis der Anthroposophischen Medizin komplementäre Therapien durchgeführt. Nach entsprechender Diagnostik erfolgen, sofern erforderlich, die Durchführung von operativen Maßnahmen, von Chemo- und Strahlentherapien, von Hormon- und Antikörpertherapien in Kombination mit ausgewählten Verfahren der Komplementärmedizin.

In der medikamentösen Tumorbehandlung spielt besonders die fieber-induzierende Misteltherapie eine bedeutende Rolle. Fieber wird zudem auch durch die moderate Ganzkörper-Hyperthermie erzeugt. Für die Unterstützung von Seele und Geist erfolgen Gesprächs- und Biographiearbeit, ein breites Spektrum spezieller anthroposophischer künstlerischer Therapien (Maltherapie, Plastizieren, Heileurythmie, Musiktherapie), aber auch äußere Anwendungen wie Rhythmischer Massage nach Wegman-Hauschka oder Wickel, Überwärmungs- und Öldispersionsbäder.

Zur Verstärkung der Effekte von Chemo- oder Strahlentherapie wurde seit Beginn des Jahres 2014 mit der Lokoregionären Tiefenhyperthermie begonnen. Mit dieser Methode lassen sich über ein elektromagnetisches Feld Tumoren überhitzen und so gezielt behandeln.

Impressionen - Integrative Krebsbehandlungen

Im Juli 2014 wird sich das Team des ZIO weiter verstärken.

Die Aeskulap Klinik Brunnen hat im Rahmen ihrer strategischen Neuausrichtung zur künftigen „Seeklinik Brunnen“ die bisherige Abteilung Onkologie für die Behandlung von Krebserkrankungen per Ende Juli 2014 aufgehoben. Für die Patientinnen und Patienten der Onkologie in Brunnen konnte eine gute Lösung gefunden werden. Der Chefarzt Integrative Onkologie, Prof. Dr. med. Marcus Schuermann, und Dr. med. Helmut Knorr, Oberarzt Integrative Onkologie, wechseln im Sommer ins Paracelsus-Spital Richterswil und verstärken das bestehende Team.

Neben der Behandlung onkologischer Patienten betreibt das Paracelsus Spital auch eine Forschungsabteilung. Ein Schwerpunkt ist die Prüfung der Bedeutung anthroposophischer Therapien in der Onkologie. Ein weiteres Projekt ist die Dokumentation von außergewöhnlich guten Behandlungsverläufen in der Onkologie so genannten „bestcases“.
Nähere Informationen: www.bestcase-oncology.com

Fusion der Lukas Klinik und Ita Wegman Klinik zur Klinik Arlesheim AG. Gestärkt in eine gemeinsame Zukunft

Seit April 2014 haben sich die 92-jährige Ita Wegman Klinik und die 50-jährige Lukas Klinik zur KLINIK ARLESHEIM zusammengeschlossen. Die Kernkompetenzen der Klinik liegen in der Behandlung von Patientinnen und Patienten der Inneren Medizin, der Onkologie, der Psychiatrie und der Psychosomatik.

Haus Lukas der Kliniken Arlesheim

Haus Wegman der Klinik Arlesheim

Die kantonalen Leistungsaufträge beider Kliniken ergänzen sich optimal. Die Klinik Arlesheim vereint die bewährten Angebote und Konzepte der beiden Partner, sie bündelt die Kräfte und Kompetenzen. Dank dem integrierten Geschäftsfeld kann die Klinik Arlesheim AG ihre Stellung in der anthroposophischen Onkologie stärken.

Aus der Entwicklung der Anthroposophischen Medizin in über 90 Jahren Ita Wegman Klinik und 50 Jahren Lukas Klinik ergibt sich zusammen ein reicher Erfahrungsschatz, der nun in der Klinik Arlesheim allen Patientinnen und Patienten zugute kommt. Die Klinik Arlesheim ist die erste und größte komplementärmedizinische Klinik der Schweiz. Die Erweiterung der Schulmedizin durch unseren anthroposophischen Ansatz bietet mehr Optionen in Diagnostik und Therapie.

Die Klinik Arlesheim steht für ein optimales Grundversorgerangebot der regionalen Bevölkerung mit einem stationären Angebot an Innerer Medizin (Kardiologie, Pneumologie, Neurologie), Psychiatrie und Psychosomatik, einem internistischen 24-Stunden Notfall- und einer breit gefächerten ambulanten Versorgung. Das Zentrum für anthroposophische Onkologie und supportive Care, das auch international anerkannt ist, wird gestärkt durch den Aufbau der onkologischen Rehabilitation. Neben und in Ergänzung zu schulmedizinischen Angeboten, bieten wir Misteltherapie und Hyperthermie. Für die Diagnostik betreibt das Kantonsspital Baselland in der Klinik ein radiologisches Ambulatorium mit CT.
Nähere Informationen: www.klinik-arlesheim.ch

Zentrum für Integrative Medizin im Kantonsspital St. Gallen. Eine neue Institution mit Modell-Charakter

Unter Leitung des Onkologen Dr. Marc Schläppi verfügt das Kantonsspital St. Gallen seit 2012 über ein Zentrum für Integrative Medizin (ZIM).

Ziel ist die Entwicklung und Evaluation ausgewählter komplementärmedizinischer Methoden auf hohem Niveau, speziell bei Patienten mit chronischen Krankheiten besonders auch Krebserkrankungen.

Am ZIM können Patienten sich über Möglichkeiten und Risiken komplementärer und alternativer Heilmethoden beraten lassen. Am Zentrum werden chinesische und anthroposophische Medizin sowie Osteopathie angeboten. Für Fragen zu Sicherheit und Medikamenteninteraktionen besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Spitalapotheke.

Für die wissenschaftliche Evaluation können wir auf die Zusammenarbeit mit den Universitäten Bern und Witten-Herdecke (Deutschland) zählen.

Seit Oktober 2009 finden in St Gallen regelmäßig wissenschaftliche Symposien zur Integrativen Onkologie statt. Die Symposien stehen allen interessierten Fachleuten aus dem Gesundheitswesen offen. Dank dieser Spezialistentreffen sind auch bereits Forschungsgruppen entstanden und wissenschaftliche Projekte initiiert worden.
Nähere Informationen: www.integrativemedizin.kssg.ch und www.integrative-oncology.ch

Fazit

Die Integrative Onkologie in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und professionalisiert. Sie ist in der Versorgungslandschaft fest etabliert und hat mit ihren Institutionen, Forschungs- und Weiterbildungsprojekten eine starke Innovationskraft, die weit über die Landesgrenzen ausstrahlt.

Weitere Informationen:
Dr. med. Boris Müller-Hübenthal
www.paracelsus-spital.ch / www.ESIO.ch

 

„Um klar zu sehen, genügt ein Wechsel der Blickrichtung.“(Antoine de Saint-Exupéry)

 

Forschende Komplementärmedizin, Rückblick auf eine internationale Tagung

Vom 18.-21. Juni 2014 fand in Winterthur/CH die Internationale Tagung „Forschende Komplementärmedizin, Wissenschaft – Praxis – Perspektiven, Phytotherapie 2014, Klinik und Praxis“ statt.

Ziel und Anliegen der Tagung war es, die Phytotherapie und ihr Potenzial auch in der Onkologie bekannter zu machen. Die Phytotherapie versteht sich als Bestandteil einer zeitgemäßen Medizin, die in umfassenden und individuellen Therapiekonzepten ihren Platz hat. Dabei wurde auch über die Notwendigkeit des Zusammenführens von Leitlinien-Therapie und individuellen Entscheidungen in Prävention und Krebsbehandlung diskutiert.

Wir waren für Sie dabei. Im Heft 15 der Aktuellen Gesundheitsnachrichten werden Sie mehr darüber lesen.
(Redaktion)

 

Interdisziplinäre Online-Tumorkonferenz: Gynäkologische Malignome

Professor Dr. med. Jalid Sehouli, Direktor der Klinik Dr. med. Philipp Kosian, Europäisches Kompetenzzentrum für Eierstockkrebs (EKZE) Gynäkologisches Tumorzentrum, Klinik für Gynäkologie am Campus Virchow Klinikum und Campus Benjamin Franklin, Charité Berlin, Charité Comprehensive Cancer Center (CCCC)

Die Klinik für Gynäkologie der Charité am Campus Virchow Klinikum (http://frauenklinik-cvk.charite.de/) bietet seit 2004 als eine der führenden forschenden Einrichtungen in Deutschland niedergelassenen Frauenärzten und Onkologen, sowie Kollegen aus anderen Kliniken, die Möglichkeit, Patientinnen auf der online Plattform „Interdisziplinäre Tumorkonferenz Gynäkologische Malignome“ vorzustellen und leistet somit einen wesentlichen Beitrag zur integrierten Versorgung und Optimierung des Behandlungsmanagements.

Das Konzept wurde von Prof. Dr. Jalid Sehouli, Direktor der Klinik, entwickelt und auch international publiziert (Chekerov R, Mustea A, Denkert J, Lichtenegger W, Sehouli J. Online Tumor Conference in the clinical management of gynecological cancer: Experience from a pilot study in Germany Int J Gyn Can, 2007).

Unter www.online-tumorkonferenz.de können sich interessierte Ärztinnen und Ärzte nach einer formlosen Registrierung und Freischaltung auf der alle 2 Wochen stattfindenden interdisziplinären Tumorkonferenz sowohl online als auch telefonisch zuschalten, ihre anonymisierten Kasuistiken vorstellen und bei der Entscheidungsfindung mitdiskutieren. Die Zielgruppe der interdisziplinären Plattform sind komplexe gynäkologisch-onkologische Erkrankungskonstellationen, aber auch seltene Tumorerkrankungen des weiblichen Beckens, massiv vorbehandelte Patientinnen mit Ovarialkarzinomrezidiv, Keimzell- oder Keimstrang-Stroma-Tumoren der Eierstöcke, Sarkome, neuroendokrine Tumore und Krebserkrankungen in der Schwangerschaft.

An den Diskussionsrunden nehmen regelmäßig Fachexperten verschiedener Fachrichtungen teil. Im Anschluss erhalten alle Teilnehmer per Email oder auch per Post das Konferenzprotokoll. Zusätzlich an die Tumorkonferenz angegliedert ist eine online Literatur-, Leitlinien- und Studien-Datenbank, welche von den Tumorkonferenzmanagern aufwendig aufgebaut wurde und regelmäßig aktualisiert wird.

Hierbei werden folgende Fragen systematisch und detailliert aufgearbeitet:
• Was ist das medizinische Problem der Patientin?
• Gibt es Unklarheiten zur klinischen und pathologischen Diagnose?
• Was sagen die nationalen und internationalen Leitlinien?
• Welche wissenschaftlichen Publikationen zu diesen Fragestellungen sind bekannt (z.B. Medline Recherche)?
• Ist eine Teilnahme an einer Studie möglich?

Diese Fragen werden in Form einer Präsentation zusammengestellt und dienen als Grundlage der anschließenden interdisziplinären Diskussion mit der Formulierung einer Therapieempfehlung im Konsensusverfahren.

Im Rahmen der Qualitätssicherung werden die Ergebnisse und die Umsetzungsrate der Therapieempfehlungen systematisch überprüft.

Dieses Vorhaben der integrierten Versorgung verbindet etabliertes und hochaktuelles Wissen in der Durchführung von Tumorkonferenzen mit innovativen Informationsmethoden und Kommunikationstechnologien. Alle Tumorkonferenzen gehören zum Katalog der ärztlichen Fortbildung, so dass die Teilnahme an jeder Veranstaltung mit je 2 Fortbildungspunkten zertifiziert wurde.

Die technische Umsetzung wurde von der Firma Alcedis GmbH realisiert. Die Online-Tumorkonferenz wurde im Jahr 2008 um ein neues Modul im Sinne eines Fortbildungsforums erweitert, um hier auch den Anforderungen an eine systematische Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet der gynäkologischen Onkologie gerecht zu werden. Hierfür wurden regelmäßig praxisrelevante Themen aus dem klinischen Alltag bearbeitet. Diese werden in standardisierter Form mit Nutzung der Internet-Technik präsentiert. Ebenfalls werden die Präsentationen archiviert und sind für alle registrierten Teilnehmer und Nutzer zugänglich. Diese Veranstaltungen sind mit zusätzlichen Fortbildungspunkten bei der Berliner Ärztekammer zertifiziert.

Die Konferenz richtet sich vor allem an externe Krankenhäuser und niedergelassene Kollegen. In diesem in Deutschland bisher einmaligen Projekt werden jeweils 3 bis 4 Patientinnen pro Sitzung diskutiert. Dazu bereiten wir individuell Powerpoint-Präsentationen vor, die über das Internet von jedem konventionellen Rechner aus mit verfolgt werden können. Außerdem stehen den Teilnehmern die Folien zur eigenen Verwendung kostenlos zur Verfügung. Die Patientenkasuistiken und Therapieentscheidungen werden anonymisiert, detailliert dokumentiert und systematisch verwaltet sowie regelmäßig weiter publiziert. In diesem Zusammenhang soll auch auf die intensiven internationalen Aktivitäten der Klinik hingewiesen werden. So wurde u.a. eine der größten Eierstockkrebs Tumorbanken (Tumor bank Ovarian Cancer) etabliert, an der unterschiedliche Forschungsprojekte durchgeführt werden. Außerdem engagiert sich die Klinik auch sehr auf dem Gebiet der Fort- und Weiterbildung. Ein besonderes Highlight ist die 8. Internationale Charité-Mayo Conference vom 15-18. April 2015 in Berlin, die mit der renommierten Mayo-Clinic in Rochester/USA durchgeführt wird und u.a. komplexe Live-Operationen zeigt (http://www.charite-mayo.de/)

Fakten:
Registrierung zur Teilnahme: www.online-tumorkonferenz.de
Zeit: Jeden zweiten Dienstag um 13:30

Kontaktdaten:
Klinik für Gynäkologie, Direktor: Prof. Dr. J. Sehouli
Europäisches Kompetenzzentrum für Eierstockkrebs
Charité Comprehensive Cancer Center, Charité Campus Virchow Klinikum

Weitere Informationen:
Dr. med. R. Chekerov: radoslav.chekerov@charite.de
Dr. med. P. Kosian: philipp.kosian@charite.de

 

Aktuelles aus der Krebsforschung

Auslöser der Metastasierung gefunden?

Um Metastasen zu bilden, müssen Tumorzellen eine ganze Reihe von Hürden überwinden. Sie müssen sich vom Primärtumor lösen, die Wände von Blut- und Lymphgefäßen überwinden, das Immunsystem täuschen und sich dann schließlich an einer neuen Position festsetzen und teilen.

Wenn das geschehen ist, hat der betroffene Patient eine schlechte Prognose.

Eine britische Arbeitsgruppe hat jetzt herausgefunden, dass nicht zahlreiche kleine Mutationen diesem Schritt vorausgehen, sondern dass eine Makromutation die Tumorzellen zu gefährlichen Killern werden lässt. Bekannt war bisher, dass große Mutationen, hervorgerufen durch Zugewinn, Verlust oder Umordnung von Chromosomen, mit besonders aggressivem Verhalten von Tumorzellen assoziiert sind. Ob die Aggressivität Ursache oder Folge der Mutation ist, war bisher unklar.

Forscher haben aufgrund ihrer Untersuchungen an Kolonkarzinom-Zellkulturen jetzt die Vermutung, dass die Makromutationen tatsächlich die Ursache der Aggressivität sind. Wenn Zellen sich unvollständig teilen und dabei den Chromosomensatz verdoppeln, können sie große Mutationen besser verkraften ohne abzusterben – sie werden zu „Monstern“. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass eine Verdoppelung des Chromosomensatzes in Krebszellen mit einem fünffach höheren Rezidivrisiko innerhalb von zwei Jahren einhergeht. Die Genomverdoppelung kann somit möglicherweise die Voraussetzung für den Sprung in die Metastasierung sein.

Australische Forscher vermuten, dass ACC (Acetylsalicylsäure) diese Makromutationen reduzieren und damit Krebs vorbeugen kann.
(Quelle: New Scientist 2014; 221, No.2953)

ACC (Acetylsalicylsäure) hemmt Bildung von Metastasen

Schon seit einiger Zeit wird darüber diskutiert. Jetzt veröffentlichte Prof. Peter M. Rothweil und sein Team von der Universität Oxford in drei Publikationen in „Lancet“ und „Lancet Oncology“ seine Forschungsergebnisse. Offensichtlich reduziert niedrig dosiertes ACC nicht nur das Risiko an Krebs zu erkranken. ACC hemmt die Thrombozyten-Aggregation. Thrombozyten sind lt. Tierversuchen an der Bildung von Fernmetatstasen über den Blutstrom beteiligt. Fünf große Studien an mehr als 17.000 Patienten haben überzeugende Belege geliefert.
(Quelle: Nachrichten: Pharmazeutische Zeitung)

Tipp: Bitte keine Selbstversuche! Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.

 

Stellenwert der Hyperthermie in der modernen Medizin

Dr. med. Hüseyin Sahinbas, Leiter des Instituts für Hyperthermieforschung des Marienhospitals Herne, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum

In diesem Artikel besprechen wir die Hyperthermie (andere Bezeichnung: Thermotherapie), die wir seit vielen Jahren bei verschiedenen Krebserkrankungen anwenden. Bei der Hyperthermie wird krankes Körpergewebe erhöhten Temperaturen ausgesetzt.

Die Hyperthermie ist eine Form der multidisziplinären Krebsbehandlung und kann komplementär, also ergänzend zu anderen Krebstherapien eingesetzt werden.

Das Ziel der Hyperthermie ist dabei, Tumorgewebe zu zerstören und die Wirksamkeit anderer Krebsbehandlungen wie Chemo- und Strahlentherapie zu erhöhen. Hierdurch kann das Überleben oft deutlich verlängert werden. Je nach Lage, Größe und Art der Tumoren werden verschiedene technische Methoden der Hyperthermie angewendet.

Stellenwert der Hyperthermie bei Krebstherapien

In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Phase-Iund -II-Studien veröffentlicht, die einen Nutzen der Hyperthermie bei verschiedenen Krebserkrankungen zeigen. Hierzu gehören auch Lebermetastasen, die oft infolge anderer Krebserkrankungen entstehen. Hyperthermie hat viele komplexe Einflüsse auf Körperzellen und Gewebe. Dies hängt nicht nur von der jeweils verwendeten Hyperthermie-Technik ab, sondern auch von der Temperatur, der Anwendungsdauer, der Aufwärmungszeit, der Form, Art und Größe des Gewebes, der Durchblutung und davon, wie gleichmäßig sich die Temperatur verteilt. Krebszellen und Moleküle wie z.B. Eiweiße können hierdurch inaktiviert und mitunter der gesamte Tumor und seine Umgebung beeinflusst werden.

Im lebenden Organismus können speziell Tumorzellen bei Temperaturen zwischen 40° und 44°C zerstört werden. Bösartige Zellen und Gewebe sind anfälliger für Hitze als gesunde Zellen. So ist z.B. die Gefäßversorgung von Tumorgewebe chaotisch und fragil, was dazu führt, dass Bereiche mit Sauerstoffmangel und niedrigem pH-Wert entstehen.

Die Hitze kann zum direkten Absterben eines Teils der Tumorzellen führen (was noch keine Heilung bedeutet). Die Hyperthermie hat darüber hinaus noch weitere Funktionen, welche die Tumorzellen schwächen und angreifbarer für andere Therapien und Immunreaktionen machen.

Tumore werden anders durchblutet als gesundes Gewebe. Zu Beginn der Hyperthermie wird das Tumorgewebe etwas stärker durchblutet als gesundes Gewebe. Chemotherapeutika werden daher ebenfalls zu Beginn der Hyperthermie einge setzt, weil sie hierdurch in höherer Dosis in die Tumorzellen gelangen.

Je stärker die Temperatur ansteigt, desto mehr wird der Blutfluss jedoch zugunsten des gesunden Gewebes umgeleitet.

Die Folge: Im Tumor staut sich die Hitze. Diesem werden Nährstoffe und Sauerstoff entzogen und die Umgebung im Tumor übersäuert, was das Absterben von Tumorzellen durch programmierten Zelltod (Apoptose) begünstigt.

Ebenso wie Chemo- und Strahlentherapie führt die Hyperthermie zur Freisetzung von Stresshormonen im Tumor. Hierdurch wird die Oberfläche des Tumors für das Immunsystem besser erkenn- und angreifbar. Hyperthermie verstärkt die zellzerstörende Wirkung der Bestrahlung, indem sie in das Reparatursystem der Zellen eingreift.

Ruhende Krebszellen (G0-Phase) können durch die Hyperthermie aktiviert werden und treten dann in die so genannte G1-Phase oder S-Phase ein. Dies ist bei einer gleichzeitigen Chemo- oder Strahlentherapie ein erwünschter Effekt. Ruhende Krebszellen können einer Tumortherapie eher entkommen und später zu Rückfällen führen. Aktive Krebszellen werden dagegen angreifbar für Chemo- oder Strahlentherapien. Bildhaft gesprochen: Die Hyperthermie treibt versteckte Krebszellen aus der Deckung, sodass diese ins Schussfeld der Chemo oder Bestrahlung geraten.

Die Hyperthermie kann die Wirksamkeit bestimmter Chemotherapeutika erhöhen und zum Teil sogar verfünffachen, ohne dass die Nebenwirkungen mit steigen. Dies geschieht insbesondere dadurch, dass sich die Arzneimittel innerhalb der Tumorzellen bei Überhitzung stärker anreichern und zudem schneller ver stoffwechselt werden.

Auch bei Patienten unter Strahlentherapie hat sich in Studien gezeigt, dass die Hyperthermie die Wirksamkeit um das 1,2- bis 5-fache verstärken kann. Eine Ursache dafür ist, dass die Hyperthermie in das Reparatursystem der Krebszellen eingreift, sodass diese leichter durch Bestrahlung zerstört werden können.

In Studien wurde gezeigt, dass die Hyperthermie Tumorschmerzen lindern und die Lebensqualität der Krebspatienten erhöhen kann; berechnet wurde dies mit dem so genannten Karnofsky-Index. Dieser Index schätzt bei Krebspatienten ein, wie stark diese durch ihre Erkrankung in ihrer Aktivität, Selbstversorgung und Selbstbestimmung beeinträchtigt sind.

Formen der Hyperthermie

Es gibt drei grundsätzlich verschiedene Anwendungsformen der Hyperthermie:

  • die aktive Hyperthermie (Fieber)
  • passive Ganzkörper-Hyperthermie
  • lokale Hyperthermien, die also nur bestimmte Körperstellen erhitzen

Nach der internationalen Konsensus-Konferenz von 2004 in Kodata/ Japan, wurden folgende Formen der klinischen Hyperthermie beschrieben:

Methods for clinical application of hyperthermia. Int J Hyperthermia. 2008 Mar;24(2):111-22. The Kadota Fund International Forum 2004--clinical group consensus. van der Zee J, Vujaskovic Z, Kondo M, Sugahara T.

Lokale Hyperthermie
Die lokale Hyperthermie (also örtliche Behandlung) – kann durch verschiedene Methoden erfolgen:
• äußerlich (extern)
• mit einer Sonde durch ein Hohlorgan wie z.B. die Speiseröhre (intraluminal)
• oder direkt ins Tumorgewebe (interstitiell).

Regionale Hyperthermie
Z.B. mit kapazitiv gekoppelten Elektroden oder radiativen Hochfrequenzmetho den können Teilkörper-Hyperthermien erzielt werden.

Ganzkörper-Hyperthermie
Bei der Ganzkörper-Hyperthermie wird der gesamte Körper erhitzt. Bei der moderaten Form sind dies Temperaturen von 39 bis 40°C. Bei der extremen Form erreichen diese Temperaturen 41,5°C bis 42,5°C. Die moderate Langzeit-Ganzkörper-Hyperthermie wirkt in Kombination mit Zytostatika und Zytokinen oft besser. Zudem ist sie weniger aufwändig und risiko ärmer als die extreme Form.

Diese Behandlungsform ist risikoarm und relativ gut verträglich. Denn es steht fest, dass durch die Hyperthermie die körpereigenen Immunreaktionen wieder aktiviert und dass die Tumorzellen gegenüber Strahlen und Zytostatika sensibilisiert werden. Dies kann die Wirksamkeit steigern und Nebenwirkungen vermindern.

Über all diese Erkenntnisse der verschiedenen Hyperthermieverfahren liegen inzwischen zahlreiche klinische Erfahrungen vor; die meisten allerdings nicht aus Deutschland.

Klinische Ergebnisse

Über die verschiedenen Methoden der Hyperthermie in Kombination mit Strahlenoder Chemotherapie gibt es inzwischen umfangreiche klinische Untersuchungen. Im Allgemeinen ermöglicht die Kombination eine klinisch signifikante Verbesse rung der therapeutischen Effizienz.

Ganzkörperhyperthermie
Über die Ganzkörperhyperthermie liegen bisher Phase-I- und Phase-II-Studien vor, die eine Durchführbarkeit der Methode belegen und ein besseres Ansprechen insbesondere bei therapierrefraktären und -resistenten Tumoren erwarten lassen (Pankreas-, Kolon-, und Ovarialkarzinome, Sarkome).

Lokale Hyperthermie
Untersuchungen zeigen übereinstimmend, dass die Kombination von Strahlentherapie mit Hyperthermie häufiger zu einem Rückgang des Tumors führt als die Strahlentherapie allein. In mehr als 28 randomisierten kontrollierten klinischen Studien wurde die Hinzunahme von Hyperthermie zur Radio- oder Chemotherapie untersucht. In 23 Studien wurden signifikant bessere Ergebnisse durch die Kombination mit Hyperthermie erzielt.

Die Behandlung von Krebserkrankungen ist komplex; dies gilt z.B. auch für Leberzellkrebs und Lebermetastasen. Verschiedene Therapieansätze für Lebertumoren stehen zur Verfügung und es muss bei jedem Patienten zunächst untersucht und entschieden werden, welche Therapie im Einzelfall am meisten Erfolg verspricht. Idealerweise werden Krebspatienten multidisziplinär betreut. Mitunter werden verschiedene Therapien miteinander kombiniert. Die Behandlung von Lebertumoren ist in der Regel nur erfolgversprechend, wenn man diese durch eine Operation entfernen kann. Palliative Behandlungen haben das Ziel, das Tumorwachstum zu hemmen und damit Lebenszeit zu gewinnen.

Insbesondere bei fortgeschrittenen, therapieresistenten Lebermetastasen oder Lebertumoren wurden höhere Erfolge erzielt, wenn man die jeweiligen Therapien mit der Hyperthermie kombinierte. Ein komplettes Tumoransprechen wurde häufiger beobachtet, auch ein lang anhaltendes Teil-Ansprechen wurde öfter erreicht.

Alternativen zur Behandlung lokaler, nicht operierbarer Lebermetastasen:

  • Regionale Chemotherapie der Leber
  • Intraarterielle Chemoembolisation der Leber
  • Implantation von Mikrosphären
  • Alkohol-, Chemotherapeutika oder Essiginjektionen
  • Thermoablation: LITT (die Laser-induzierte Thermotherapie) oder Radiofrequenzablationen
  • Kryotherapie
  • Thermotherapie mit magnetischen Flüssigkeiten (Magnetfeld-induzierte Thermotherapie mit magnetischer Flüssigkeit (MFH))
  • Thermolabile Liposomen
  • Perkutane Strahlentherapie
  • Chimäre Antikörper gekoppelt mit Radionukliden
  • Virotherapie

... in Kombination mit lokoregionaler Tiefenhyperthermie

Praktische Durchführung der lokoregionalen Tiefenhyperthermie in der laufenden Therapie:

In der Regel wird parallel mit der laufenden klassischen Therapie (Chemotherapie bei Metastasen bzw. Chemoembolisation bei primärem Leberzellkrebs; HCC) zwei- bis dreimal wöchentlich die lokoregionale Tiefenhyperthermie durchgeführt. Diese findet in der Leberregion statt, dauert über 60 Minuten und erhitzt das Tumorgebiet bis auf ca. 41°C. Da zytotoxische Effekte bereits bei 39,5°C beobachtet werden können, kann angenommen werden, dass im Falle der Leberbehandlungen unter Einwirkung der Hyperthermie in diesem Temperaturbereich sowohl zytotoxische Effekte am Tumor induziert werden, als auch eine Stimulierung des Immunsystems, die bereits bei niedrigeren Temperaturen zu erwarten ist, eintritt.

Die überwärmte Körperregion hängt entscheidend von der Positionierung des Applikators, eingetragene Energie (KJ) und von der Lagerung des Patienten ab. Bei einer Tiefenhyperthermie sollte exemplarisch versucht werden, eine intratherapeutische Temperaturmessung durchzuführen, die sich durch eine invasive Temperaturbestimmung nur realisieren lässt, aber für den Betroffenen nicht unerhebliche Risiken beinhaltet und in der Regel nicht zielführend ist. Aus diesem Grunde erwarten die wissenschaftlichen Gesellschaften eine fotographische Dokumentation der Lage des Behandelten sowie der Applikatorposition.

Geräte für die Hyperthermie

Celsius TCS der Fa. Celsius42+

EHY 2000 der Fa. Oncotherm

Studien und Ergebnisse mit lokoregionaler, nicht invasiver Radiofrequenz-Hyperthermie bei Lebermetastasen bzw. primärem Leberzellkrebs (hepatozelluläres Karzinom, HCC), als Literaturquellen angegeben. In diesen Studien wird die zusätzliche Hinzunahme der Hyperthermie als Therapieoption befürwortet, da sie in der Regel eine längere Tumorkontrolle, längere Überlebenszeiten und bessere Lebensqualitäten bescheinigen.

Therapieentscheidung und Erstattung der Kosten

Private Krankenkassen erstatten mitunter die Kosten der Hyperthermie, während die gesetzlichen Kassen dies in Deutschland derzeit nur selten tun – und dann nach Einzelvereinbarung zwischen Kasse, Arzt und Patient.

In Deutschland entscheidet der gemeinsame Bundesausschuss (gBA) darüber, ob Therapien und Untersuchungsmethoden durch die Krankenkassen erstattungsfähig sind. Im Jahr 2005 erkannte der gBA die Hyperthermie nicht an und begründete dies damit, dass noch kein medizinisch-wissenschaftlicher Konsens bestehe, wie die Therapieergebnisse zu bewerten seien und nach welchem Standard die Behandlung durchzuführen und zu protokollieren sei (z.B. Temperatur, Einwirkdauer, Thermometrie, begleitende Therapieprotokolle).

In anderen europäischen Ländern wie Italien, Polen, der Schweiz und Niederlanden wird dies anders gesehen und die Therapiekosten vom Staat bzw. von den Kassen übernommen.

In unserer Arbeit beobachten wir gute Erfolge der Hyperthermie bei Lebertumoren und Metastasen. Wichtig ist für Patienten zu wissen, dass die Hyperthermie andere Krebstherapien nicht ersetzt, sondern ergänzt. Ob eine Hyperthermie für einen Patienten in Frage kommt, sollte im Einzelfall vorab besprochen und geklärt werden. Auch die anderen behandelnden Krebsärzte wie z.B. Onkologen oder Radiologen werden in diese Entscheidung in das Gesamtkonzept eingebunden.

(Literaturquellen bei der Redaktion, Abbildungen vom Autor)

Weitere Informationen:
Dr. med. H. Sahinbas
hssahinbas@googlemail.de
www.hyperthermie-bochum.de

 

Aktuelles aus der Krebsforschung

Leukämie – Krebs des Blutes

Bei Leukämie gerät die Produktion von Blutzellen außer Kontrolle. Weltweit forschen Wissenschaftler nach neuen Diagnose- und Therapiekonzepten dieser komplexen Krebserkrankung. Der Ulmer Krebsforscher Dr. Daniel Mertens und seine Kollegen wollen für Leukämiepatienten eine neue Diagnosemethode entwickeln. Sie wollen bei der Chronischen Lymphatischen Leukämie (CLL) erreichen, ob vorauszusagen ist, ob eine Standardtherapie helfen wird oder eine alternative Therapie gewählt werden muss. Damit ließen sich Behandlungen ausschließen, die absehbar erfolglos wären.

Das Projekt wird von der José-Carreras-Stiftung e.V. gefördert, das in den nächsten drei Jahren umgesetzt wird. Um dieses Projekt zu unterstützen, haben viele Patienten einer streng anonymisierten Nutzung von Tumorgewebe zugestimmt. Die Forscher hoffen auf eine klinische Anwendung in wenigen Jahren.
(Quelle: Deutsche José-Carreras-Stiftung e.V)

Entstehung von Leukämie

Hämatologen und Onkologen beschäftigen sich mit der Erforschung molekularer Mechanismen, die zur Entstehung von Leukämien und anderer Krebserkrankungen führen. Ein Schwerpunkt ist dabei die Akute Myeloische Leukämie (AML). Sie ist eine bösartige Erkrankung des Knochenmarks. Es kommt dabei zu einer massiven Bildung unreifer Vorstufen von Blutbestandteilen, die die gesunde Blutbildung verdrängen.

Die AML tritt in jedem Lebensalter auf, verstärkt allerdings bei älteren Menschen. Seit kurzem ist bekannt, dass epigenetische Veränderungen für die Entstehung der AML eine große Rolle spielen. Die häufigste epigenetische Veränderung ist die DNA-Methylierung. Die fehlerhafte DNA-Methylierung kann zur Entstehung der AML beitragen.

In Deutschland erkranken etwa 3.500 Menschen jährlich neu an AML. Die gängigen Therapien sind gegenwärtig eine Chemotherapie und eine Stammzellentransplantation, mit denen die Erkrankung gehemmt werden kann. Forscher der Universitätsmedizin Halle um Prof. Müller-Tidow wollen herausfinden, wie man die DNA-Methylierung so beeinflussen kann, dass Leukämiezellen spezifisch gehemmt werden.

Das Ziel ihrer Arbeit ist die Entwicklung neuer Therapien, bei denen die epigenetische Therapie das Ansprechen auf eine Chemotherapie deutlich verbessert.
(Quelle: Universitätsklinikum Halle, Mai 2014)

 

Chronisch lymphatische Leukämie. Leben verlängern dank intelligenter Therapiekonzepte

PD Dr. Barbara Eichhorst, Oberärztin, Klinik I für Innere Medizin, Universität zu Köln

Die chronisch lymphatische Leukämie betrifft in erster Linie ältere Menschen.

Was hat sich in der Behandlung dieser Patienten in den letzten Jahren getan?

Frau Dr. Eichhorst: Die CLL ist die häufigste Leukämieform in Europa und Nordamerika, und in der Tat beträgt das Durchschnittsalter 72 Jahre. Doch auch für einen 75-Jährigen ist die Diagnose Leukämie einschneidend. Bisher war die Erkrankung nicht kurativ behandelbar, außer vielleicht durch eine Stammzelltransplantation. Dann zeigte sich, dass sich der Krankheitsverlauf durch den Einsatz moderner Chemotherapien und Chemoimmunotherapien sehr wohl beeinflussen lässt. Die Patienten mit einer fortgeschrittenen CLL leben heute mehr als doppelt so lang als noch vor zehn Jahren.

Das heißt, der derzeitige Standard ist eine Kombination aus Chemo- und Antikörpertherapie?

Frau Dr. Eichhorst: Im Gegensatz zu anderen Leukämien war diese Kombination bei körperlich fitten Patienten schon eine Zeitlang die Therapie der Wahl. Seit letztem Jahr ist sie nun auch der Standard bei weniger fitten Patienten; auch sie leben länger, wenn sie eine Kombination aus Antikörper und Chemotherapie bekommen.

Welche innovativen Therapien werden in Zukunft dazu kommen?

Frau Dr. Eichhorst: In der Entwicklung befinden sich sehr viele neue Medikamente, so dass wir in den nächsten Jahren eine erhebliche Anzahl von Neuzulassungen erwarten. Darunter befinden sich zum Beispiel ein neuer Antikörper und Kinasehemmer, ähnlich wie sie schon länger bei der chronischen myeloischen Leukämie eingesetzt werden.

Welche Vorteile versprechen Sie sich von diesen neuen Substanzen?

Frau Dr. Eichhorst: Die Erfahrungen, die wir mit den innovativen Medikamenten, zumindest in der Monotherapie, machen, weisen darauf hin, dass sie für die Patienten sehr gut verträglich sind und ausgezeichnet wirken. Wir haben also in Zukunft hoffentlich auch bei der CLL endlich eine zielgerichtete Therapie. Allerdings bedeutet dies für die Patienten dann auch möglicherweise eine Dauertherapie. Bei der chronischen myeloischen Leukämie gibt es Anhaltspunkte, dass man die Behandlung mit Kinasehemmern aussetzen kann, wenn die Erkrankung nicht mehr nachweisbar ist. Solch ein ähnliches Konzept wird man bei der CLL auch verfolgen. Für die Patienten wäre es sehr beruhigend zu wissen, dass man die Behandlung beenden kann, wenn keine Leukämie mehr messbar ist.

Wo liegen die Herausforderungen in diesem Bereich?

Frau Dr. Eichhorst: Manche der konventionellen Chemoimmuntherapien, die wir heute verabreichen, haben in einer Untergruppe von Patienten eventuell ein fast kuratives Potenzial, d.h. die Patienten brauchen danach nie wieder eine Behandlung. Demgegenüber steht die Aussicht auf eine Dauertherapie mit Medikamenten, die relativ teuer sind. Da stellen sich in Zukunft sicher auch ökonomische Fragen; außerdem birgt eine Dauertherapie immer auch ein Compliance-Problem, gerade, wenn es den Patienten gut geht. Es wird also darum gehen, herauszufinden, welche Therapie zu welchen Patienten passt.

Bei welchen CLL-Patienten besteht denn ein besonders großer Bedarf an neuen Behandlungsansätzen?

Frau Dr. Eichhorst: Patienten mit einer Deletion im TP53-Tumorsuppressor-Gen haben zum Beispiel eine sehr ungünstige Prognose. Deshalb raten wir ihnen bereits in der Erstlinienbehandlung zu einer allogenen Stammzelltherapie, also einem sehr eingreifenden Verfahren. Das heißt, bei dieser Hochrisikogruppe besteht ein sehr hoher Bedarf an innovativen Substanzen. Wir hoffen natürlich, dass wir ihre Erkrankung mit den innovativen Therapien vielleicht nicht für immer, aber zumindest für einige Jahre kontrollieren können. Darüber hinaus gibt es, unabhängig von den üblichen klinischen Parametern, wie der körperlichen Fitness und dem Stadium der Krebserkrankung, noch weitere genetische Marker, die uns bei der Therapieauswahl leiten können.

Woran forschen Sie derzeit, und was haben Sie auf dem DKK präsentiert?

Frau Dr. Eichhorst: Bei der CLL handelt es sich um eine unkontrollierte Vermehrung der Lymphzellen-Vorläufer. Anhand des Reifegrads dieser Vorläuferzellen bzw. bestimmten genetischen Veränderungen lässt sich die Erkrankung in zwei verschiedene Formen unterteilen. In unseren Untersuchungen sind wir unter anderem der Frage nachgegangen, welche dieser Erkrankungsformen sich mit welcher Therapie am besten behandeln lässt. Dazu haben wir neue Ergebnisse, die für die Patienten von großer Relevanz sind und die haben wir beim DKK vorgestellt.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

 

Krebs und Depression – Diagnostik und Therapie

Dr. Armin Quante, Oberarzt des Moduls Integrative Psychiatrie, Klinik und Hochschulambulanz für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité – Campus Benjamin Franklin, Berlin

Patienten mit Krebserkrankungen leiden häufig auch an Depressionen. In verschiedenen Studien konnte erhoben werden, dass zwischen 15 und 46 % aller Krebspatienten an einer behandlungsbedürftigen depressiven Störung leiden. Die Ursachen dafür können sehr vielfältig sein und schließen soziale und ökonomische Veränderungen mit ein. So kann die Diagnose „Krebs“ zu familiären Konflikten führen, aber auch zu Schuldenlasten durch plötzliche Arbeits- und Berufsunfähigkeit.

Des Weiteren können Krebserkrankungen zu hormonellen Veränderungen führen – auch Veränderungen des Stoffwechsels von Hirnbotenstoffen (Neurotransmittern) werden diskutiert. Hinzu kommen gegebenenfalls funktionelle Einschränkungen oder Schmerzen durch die Tumorerkrankung (Schäfer et al, 2007). Ist die Diagnose einer Depression gestellt, kann das Sterberisiko bei Tumorpatienten 3-fach erhöht sein, unter anderem auch durch einen mit der Depression einhergehenden negativen Lebensstil wie z.B. weniger Bewegung, schlechtere Ernährung, ggf. mehr Konsum von Nikotin und Alkohol.

In vielen Fällen wird eine Depression aber nicht richtig erkannt und dementsprechend auch nicht angemessen behandelt.

Die besondere Herausforderung ist es daher, eine „echte“ Depression von einer „normalen“ Reaktion mit ängstlich-depressiver Symptomatik nach Diagnosestellung einer Krebserkrankung sowie von einem Fatique-Syndrom zu unterscheiden.

Abbildung 1

Fatique-Syndrom bei Krebspatienten

Eine Depression sollte auch von dem bei Krebspatienten häufig auftretenden Fatique-Syndrom („Erschöpfungssyndrom“) unterschieden werden. Auslöser eines solchen mit ausgeprägter Müdigkeit einhergehenden Syndroms kann zum einen die Krebserkrankung selbst sein, zum anderen aber durch die Behandlung wie Chemotherapie und/oder Bestrahlung entstehen.

Es wird eine multifaktorielle Genese angenommen: zum einen spielen somatische Faktoren eine Rolle. Diese beinhalten beispielsweise Blutbildveränderungen und Veränderungen des hormonellen Stoffwechsels. Zum anderen können Chemotherapien auch Therapien durch Bestrahlung ein Fatique-Syndrom auslösen. Weiterhin spielen auch psychologische Faktoren eine Rolle, die anhand des Vulnerabilitäts-Stress-Modells gut erklärt werden können (siehe Abb. 2). In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass jedes Individuum eine anlagebedingte Vulnerabilität (Verletzlichkeit) besitzt – einige Menschen können gewisse stressassoziierte Belastungen besser kompensieren als andere.

Je stärker aber der Stress ansteigt, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwann zu einer Dekompensation kommt und damit zu ersten körperlichen Symptomen wie Erschöpfung, Müdigkeit, Traurigkeit. Bei fehlenden Ressourcen und ausbleibender sozialer Unterstützung kann sich im Verlauf auch eine Depression entwickeln.

Abbildung 2: Vulnerabilitäts-Stress-Modell (nach Zubing und Spring)
a) geringe anlagebedingte Verletzlichkeit (Vulnerabilität) führt erst bei hoher Stressintensität zu bestimmten Smyptomen
b) hohe Vulnerabilität führt schon bei geringer Stressintensität zu bestimmten Symptomen
c) Bei gleicher Vulnerabilität kann der Mensch bei höherem protektivem Niveau (Ressourcen, soziale Unterstützung) eine höhere Stressintensität verkraften, ohne zu erkranken

Die Dauer eines Fatique-Syndroms kann Wochen bis Monate anhalten und auch nach Abschluss der Therapie persistieren.

Häufige Merkmale eines chronischen Fatique-Syndroms
(nach Horneber et al, Dtsch Arztebl Int 2012; 109(9): 161-72;)

  • geringe Leistungsfähigkeit
  • Inaktivität
  • Vermeidung von Anstrengung
  • Hilflosigkeit
  • depressive Stimmung

Treten diese Merkmale während einer Tumortherapie in starker Ausprägung auf, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie auch nach der Behandlung weiter bestehen.

Folgende Symptome sind Risikofaktoren für ein chronisches Fatique-Syndrom:

  • Schmerz
  • Übelkeit
  • vorbestehende depressive Störungen
  • andere psychische Störungen

Bei der Behandlung eines Fatique-Syndroms sollte zunächst erstmal abgeklärt werden, ob eine bestimmte Ursache ausgemacht werden kann. Hormonstörungen, wie eine Schilddrüsenunterfunktion oder eine Blutarmut als Folge der Erkrankung oder Therapie, können durch Substitution (zum Beispiel des Schilddrüsenhormons oder durch eine Bluttransfusion) behandelt werden.

Auch kann gegebenenfalls die Umstellung einer Therapie eine Option sein. Weiterhin kann körperliche Aktivität/Sport die Leistungsfähigkeit wieder deutlich verbessern. Schließlich können psychotherapeutische Verfahren dazu beitragen, das seelische Befinden zu verbessern und sich somit auch positiv auf das Faqtique-Syndrom auswirken. Die Datenlage bezüglich der medikamentösen Behandlung des Fatique-Syndroms ist inkonsistent. So zeigten sich Antidepressiva oder Stimulanzien bei einigen Patienten als wirksam, bei anderen hingegen konnte keine Besserung hervorgerufen werden. In jedem Fall sollte ein Arzt konsultiert werden und offen über die Symptome gesprochen werden.

Abbildung 3: Einflussfaktoren des cvhronischen Fatique-Syndroms (aus: Mortimer JE, et al.: Studying cancer-related fatigue: Report of the NCCN Scientific Research Committee. J Natl Compr Canc Netw 2010; 8: 1331–9)

Anpassungsstörungen

Von einer Depression abzugrenzen ist auch eine Anpassungsstörung, die ebenfalls mit depressiver Symptomatik einhergehen kann, jedoch meist nicht in der deutlichen Ausprägung. Die Anpassungsstörung ist definiert als ein Zustand subjektiven Leidens und emotionaler Beeinträchtigung während eines Anpassungsprozesses nach entscheidender Lebensveränderung, nach belastenden Lebensereignissen oder nach schwerer körperlicher Krankheit.

Auch hier spielt wieder die individuelle Vulnerabilität und Disposition eine Rolle. Anpassungsstörungen sind bei Krebspatienten, die kürzlich mit der Diagnose konfrontiert wurden, keine Seltenheit. Eine psychoonkologische Beratung sollte bei Möglichkeit rasch initiiert werden, um den Patienten frühzeitig Unterstützungsmöglichkeiten wie Vermittlung an Selbsthilfegruppen und psychotherapeutische Interventionen aufzuzeigen.

Halten die Symptome jedoch über einen Zeitraum von über 2 Wochen an und zeigen sich zusätzlich zu einer niedergedrückten, ängstlichen Stimmung auch Störungen des Antriebs mit Lust- und Interessenlosigkeit und weiteren Symptomen (s.u.), ist eine Depression wahrscheinlich. Anhand eines sehr kurzen 2-Fragen-Tests kann überprüft werden, ob eine weitere Depressionsdiagnostik erfolgen sollte:

2-Fragen-Test zur Detektion einer möglichen Depression

  • Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt und hoffnungslos?
  • Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gern tun?

Depressive Episode
Nach Laux wird eine Depression folgendermaßen definiert (Aus: Möller, Laux, Kopfhammer, 2000):

„Hauptcharakteristikum einer depressiven Episode ist eine depressive Verstimmung einhergehend mit Verlust von Interesse und Freude. Veränderungen der Psychomotorik zeigen sich entweder in Form einer Antriebshemmung oder einer ängstlichen Agitiertheit (Unruhesymptomatik) sowie einem reduzierten Energieniveau. Neben verschiedenen körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen wie z.B. Schlafstörungen und Appetitlosigkeit prägen Gefühle von Wertlosigkeit oder Schuld, Konzentrationsstörungen sowie Suizidgedanken das klinische Bild.“

Eine depressive Episode wird nach dem Klassifikationssystem ICD-10 diagnostiziert, wenn mindestens 2 Haupt- und 2 Nebensymptome für einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen vorhanden sind:

Hauptsymptome: Gedrückte Stimmung, Freudlosigkeit, Interessenlosigkeit

Nebensymptome: Konzentrationsminderung, Minderung des Selbstwertgefühles, Reduktion der Alltagsaktivitäten, Schuldgefühle, Hemmung/Unruhe, Schlafstörungen, Appetitverlust, Gedanken an den Tod

Leider werden Depressionen häufig nicht als solche erkannt. Das liegt zum einen daran, dass viele Betroffene nicht offen über ihre Symptome sprechen wollen oder einige Symptome als „normal“ verkannt werden. Auch der Gang zu einem Facharzt für Psychiatrie fällt vielen Patienten schwer, da der Begriff „Psychiatrie“ auch heute noch mit vielen Stigmata behaftet ist.

Es ist davon auszugehen, dass ca. 50% aller mit Depression erkrankten Patienten nicht als depressiv erkannt werden. Dabei ist eine Depression keine seltene Erkrankung; ca. 20% der Bevölkerung erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Depression. Etwa 10% der Patienten mit Depression begehen einen Suizid.

Auch ist insgesamt die Sterblichkeitsrate bei Patienten mit Depressionen erhöht. Daher ist es besonders wichtig, eine Depression auch effektiv zu behandeln.

Sollte ein Hausarzt den Verdacht haben, dass eine Depression vorliegt, sollte zunächst eine Basisdiagnostik gemacht werden. Diese beinhaltet eine körperliche internistische und neurologische Untersuchung, eine Labordiagnostik und in einigen Fällen auch eine Bildgebung vom Kopf, um andere Ursachen wie zum Beispiel Stoffwechselerkrankungen oder andere Hirnerkrankungen auszuschließen. Ist dies erfolgt, sollte ein Patient über die Erkrankung aufgeklärt und mögliche Therapieoptionen mit ihm besprochen werden.

Therapieoptionen bei Depression

Bevor eine spezifische Therapie eingeleitet wird, sollte dem Patienten deutlich gemacht werden, dass eine Depression gut behandelbar ist. Je nach Ausprägung der Symptomatik kommen verschiedene Therapieoptionen in Frage, die jedoch auch kombiniert werden können. Bei leichter Ausprägung kann eine reine psychotherapeutische Behandlung ausreichen. Diese sollte durch niedergelassene klinische Psychologen oder psychotherapeutisch tätige Ärzte erfolgen. Im Fokus sollten hier die Krankheitsbewältigung, die Stärkung von Ressourcen, die Verstärkung positiver Gedanken und Korrektur dysfunktionaler Gedanken und Handlungen stehen.

Außerdem können Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation (PMR) oder autogenes Training hilfreich sein. Die Einbindung Angehöriger wäre ebenso wünschenswert, da diese häufig auch mit der Situation überfordert sein können und nicht wissen, wie sie dem Betroffenen hilfreich zur Seite stehen können. Beispielsweise sollte die richtige Balance zwischen „in Watte packen“ und Überforderung durch zu starke Aktivierung Bestandteil der psychoedukativen Gespräche mit dem Patienten und Angehörigen sein.

Bei schwererer Ausprägung der depressiven Symptomatik sollte auch eine medikamentöse Behandlung erwogen werden. Auch hier gilt, dass der Patient über Wirkweise, Dauer der Anwendung und Nebenwirkungen genau aufgeklärt werden muss. Viele Menschen begegnen Antidepressiva mit Vorurteilen. Es besteht bei einem Großteil der Bevölkerung noch immer der Glaube, dass Antidepressiva abhängig machen können und die Persönlichkeit verändern würden – dies ist jedoch ein Irrglaube.

Die modernen Antidepressiva wie Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) sind in der Regel nebenwirkungsarm und gut verträglich, die Wirksamkeit entfaltet sich jedoch erst nach ca. 2 Wochen. In den ersten Tagen der Einnahme sind Nebenwirkungen wie Unruhe, Schlafstörungen, vermehrtes Schwitzen jedoch nicht selten, allerdings sind diese Nebenwirkungen meist nur vorübergehend und sollten nach einigen Tagen nicht mehr vorhanden sein.

Weiterhin ist bei der Verschreibung eines Antidepressivums zu beachten, ob es beispielsweise Interaktionen mit anderen Medikamenten oder der Chemotherapie gibt. Auch sollten andere Erkrankungen bei der Wahl des Antidepressivums berücksichtigt werden, da beispielsweise die Blutungsneigung bei Patienten, die regelmäßig einen Blutverdünner nehmen müssen, durch SSRI gesteigert sein kann. Daher empfiehlt es sich, einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder einen Nervenarzt zu konsultieren.

Bei sehr stark ausgeprägter Depression oder Therapieresistenz kann auch eine stationäre psychiatrische Behandlung notwendig werden. Neben psychotherapeutischen Interventionen in Einzel- und/oder Gruppengesprächen werden bei einigen Patienten auch kombinierte Pharmakotherapien nötig. Auch kotherapeutische Bereiche wie Ergotherapie, Gestaltungstherapie, Sporttherapie, Entspannungsverfahren und Genußtraining tragen zu einer rascheren Genesung bei.

(Literaturquellen beim Autor)

Weitere Informationen:
www.psychiatrie.charite.de

 

„Alle Stärke liegt innen, nicht aussen“(Jean Paul)

 

Aktuelles aus der Krebsforschung

Prostatakrebs

Das prostataspezifische Antigen (PSA) bleibt trotz kontroverser Diskussionen der wichtigste Marker für die Diagnose. Es gibt gegenwärtig keinen besseren Laborparameter. Die Empfehlung der Urologen deshalb: ab dem 40. Lebensjahr sollten Männer einmal PSA messen lassen und dann notwendige Konsequenzen mit ihrem Urologen beraten.

Bei dieser Früherkennungsmaßnahme gibt es allerdings eine Reihe von möglichen Einflussfaktoren zu kontrollieren. Das sind so einfache Einwirkungen wie beispielsweise Fahrradfahren, falsches Sitzen oder auch Sex vor der Messung. Wird ein hoher PSA gemessen, wird eine Biopsie durchgeführt. Diese kann dennoch unauffällig sein. Es bleibt ein schmaler Grad zwischen Überdiagnostik und nicht erkanntem Prostatakrebs. Bevor eine Biopsie gemacht wird, wird der Urologe diese Einflussfaktoren abklären. Indikationen für eine Biopsie sollten transparent zwischen Arzt und Patient besprochen und entschieden werden. Spezialverfahren wie bildgebende Untersuchungen können die Diagnostik unterstützen.
(Quelle: www.awmf.org/leitlinien/detail)

Prostatakrebs

Ein heikles Thema, darüber reden Männer weniger am Stammtisch – allerdings umso mehr mit anderen Betroffenen. Bedroht der Tumor die Männlichkeit? Gegenwärtig ist diese Krebsart sowohl in der Forschung als auch bei Betroffenen ein viel diskutiertes Thema. Betroffene Männer interessiert vor allem, was nach einer Therapie von ihrer Potenz bleibt.

Gegenwärtig rechnet das Robert Koch Institut mit einer jährlichen Neuerkrankungsrate von etwa 70.000 Männern. Die Betroffenen sind meist im fortgeschrittenen Lebensalter. Der Tumor wächst meist langsam. Bei beschwerdefreien Tumoren raten verantwortungsvolle Urologen oft zum Abwarten und regelmäßigen Kontrollen.

Stellt der Urologe allerdings eine Verhärtung an der Prostata fest, kommen hohe PSA-Werte hinzu und werden mit einer Biopsie tumorspezifische Gewebeveränderungen gefunden, muss eingeschritten werden. Die angemessene Wahl der Mittel wird gegenwärtig diskutiert. Eine Meinung wird favorisiert: Prostatakrebs ist kein Notfall, der sofortiges Handeln erfordert.
(Red.)

Tipp
Neuerkrankte Männer sollten den Kontakt zu Selbsthilfegruppen suchen. Das Gespräch und der Austausch findet dort eine vertrauensvolle Basis.

Brust- und Prostatakrebs

Curcumin kann Metastasierung hemmen. Curcumin ist ein Bestandteil der Curcumapflanze. Es soll den Cholesterinspiegel senken, antioxydativ und antiinflammatorisch wirken. Es wird bisher nach chirurgischen Eingriffen oder auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt.

Auch für viele Krebsarten wie Brustkrebs oder Prostatakarzinom zeigt die Literatur einen Nutzen. Klinische Studien an Menschen fehlen bisher.

Wissenschaftler der Universität München haben jetzt einen potentiellen Biomarker für den Naturstoff gefunden, der helfen kann, zu beurteilen, wie Curcumin in der Krebstherapie eingesetzt werden kann. Die Wissenschaftler um PD Dr. Beatrice Bachmeier gehen von dem Wissen aus, dass viele Krebsarten mit chronischen Entzündungen einhergehen, die das Tumorwachstum fördern. Bei mit Curcumin behandelten und unbehandelten Tumorzellen konnte gezeigt werden, dass Curcumin spezifisch eingreifen und die Entzündungsmoleküle beeinflussen kann. Bei vielen Krebsarten fördern Entzündungen das Tumorwachstum. In mehreren Versuchen konnte nun nachgewiesen werden, dass Curcumin die Bildung von Metastasen bei Brust- und Prostatakrebs bremsen kann.

Von klinischen Daten aus Studien werden neue Therapieoptionen für die Tumorprävention und Therapie erwartet.
(Quelle: Klinikum Uni München, 2014)

Hautkrebs

Bis zum 18. Lebensjahr erreicht ein Mensch bereits 50-80% der gesamten Lebensdosis an UVStrahlen. Die dadurch verursachten Hautschäden werden meist erst 20-30 Jahre später sichtbar. Das Sonnenlicht schickt UVB- und UVA-Strahlen bis auf die Erdoberfläche. Auf UVA-Strahlen reagiert die Haut (nach kurzer Eigenschutzzeit) mit Rötung und anschließender Bräune. Geschieht das hochdosiert, reagiert die Haut mit vorzeitiger Alterung, zunehmender Trockenheit, sie wird dünner und verliert an Elastizität. Falten und Pigmentflecken zeigen sich.

Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass die UVA-Strahlen den krebserregenden Effekt der UVB-Strahlen verstärken. UVB-Strahlen schädigen die Erbsubstanz (DNS) direkt und indirekt über die Entstehung freier Radikaler. Bereits eine Dosis von über 60% der Menge, die ohne Sonnenschutz einen Sonnenbrand verursacht, reicht aus, um die Haut chronisch zu schädigen.
(Quelle: Patienten Journal)

Tipp
Schützen Sie ganz besonders Kinder und Jugendliche vor Sonnenbränden. LFS 30 ist nicht zu dünn und gleichmäßig besonders auf Nase, Ohren, Lippen, Schultern und Fußrücken aufzutragen. Zwei Stunden nach dem Baden das Eincremen wiederholen! Beobachten Sie Ihre Muttermale: Menschen mit mehr als 20 Muttermalen sollten sich ein- bis zweimal jährlich bei einem Dermatologen vorstellen.

Hautkrebs

Zwischen 2005 und 2012 ist die Rate maligner Melanome in Deutschland um 60% angestiegen. Besonders häufig trat der helle Hautkrebs auf. Es wird damit gerechnet, dass die Zahl der Neuerkrankungen jährlich bei 200.000 liegt. Wo liegt die Ursache für diesen drastischen Anstieg? Sicher in einer deutlichen Unterschätzung des Risikos. Die Gefahr der UV-Strahlung scheint vielen Menschen nicht bewusst zu sein.

Ein Grund, der Information, der Prophylaxe und der Früherkennung mehr Beachtung zu schenken. Seit 2008 können gesetzlich Versicherte, die älter als 35 Jahre sind, die Früherkennungsuntersuchungen beim Hausarzt oder Dermatologen im Abstand von zwei Jahren nutzen. Diese Altersgrenze schließt jüngere Menschen aus. Untersuchungen zeigen jedoch, dass etwa 50.000 Menschen unter 35 Jahren an bösartigen Hautveränderungen erkranken.

Es gilt auch hier: je früher Hautkrebs erkannt wird, umso größer sind die Heilungschancen. Eine wichtige Rolle nehmen die Hausärzte ein. Sie erreichen mit ihrem Angebot des Früherkennungs-Screenings im Rahmen ihrer hausärztlichen Betreuung weit mehr Patienten als Dermatologen.
(Quelle: Pressekonferenz zum Barmer GEK Arztreport)

Tipp
Sprechen Sie Ihren Hausarzt auf das Hautkrebs-Screening an. Er wird handeln!

 

Krebs und Zucker

Prof. em. Dr. rer. nat. Claus Leitzmann, Institut für Ernährungswisssenschaft, Universität Gießen

Krebs ist eine schreckliche Krankheit sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Familien. Die Ursache nach möglichen auslösenden und fördernden Faktoren dieser Krankheit wird unter anderem bei bestimmten Lebensmitteln gesucht. Dabei ist der Zucker (alle Zuckerarten, besonders in isolierter Form) derzeit wieder einmal ins Visier der Forscher geraten. Die in letzter Zeit am häufigsten genannte Quelle für einen Zusammenhang von Krebs und Zucker sind Berichte einer Forschergruppe um Lewis Cantley von der Harvard Medical School in Boston (1, 3, 4, 8, 10).

Die Wissenschaftler haben festgestellt, dass Zucker sowohl das Wachstum von Krebszellen als auch das von Tumoren fördert. Nach der Aufnahme von Zucker steigen bekanntermaßen der Zucker- und der Insulinspiegel im Blut an. Neu entdeckt wurde nun, dass die erhöhten Konzentrationen von Zucker und Insulin zusammen die Entwicklung von Insulinrezeptoren der Krebszellen begünstigen, die zu einer höheren Aktivität und Aggressivität bei der Nutzung von Glucose führen. Außerdem kann das Immunsystem kanzerogene Zellen unter diesen Bedingungen nicht so leicht eliminieren.

Die Erklärung für diese Befunde geht unter anderem auf das Enzym Phosphoglycerat-Dehydrogenase (PHGDH) zurück, das offensichtlich den Tumorzellen erlaubt, die Positionen der Kohlenstoffatome in den Genen zu verändern. Auf diese Weise wachsen sie schneller und entziehen sich dem Immunsystem des Körpers. Eine erhöhte Enzymaktivität fand sich unter anderem in Brustkrebszellen und Melanomen (schwarzer Hautkrebs).

Krebszellen sind im Gegensatz zu gesunden Zellen, die auch aus Fett oder Proteinen Energie gewinnen können, fast ausschließlich auf Zucker als Energielieferant angewiesen.

Das erklärt, warum Diabetes-Patienten mit einem hohen Blutzuckerspiegel besonders häufig an Krebs erkranken. Cantley und seine Mitarbeiter fanden außerdem, dass Krebszellen imstande sind, die normale Energiegewinnung aus Glucose zu verändern. Dabei wird das Enzym Pyruvatkinase M2 blockiert. Die Blockade erfolgt durch reaktive Sauerstoffspezies (ROS für reactive oxygen species; früher als Sauerstoffradikale bezeichnet). Diese ROS entstehen beim Verzehr von ungesunder Kost oder durch die Aufnahme von Toxinen.

Cantley geht davon aus, dass die Kontrolle über die intrazellulären ROS entscheidend für das Überleben der Krebszelle ist. Die Kontrolle über den Krebs besteht aber in der Verminderung der ROS durch eine entsprechende Aufnahme von Antioxidantien sowie der Verminderung der Zufuhr von Toxinen. Natürliche Antioxidantien, die in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen, sind beispielsweise:

• Vitamin C – alle Früchte und viele Kräuter
• Vitamin E – fetthaltige Pflanzen und daraus kaltgepresste Öle
• eine Reihe von Polyphenolen wie Quercetin – in Zwiebeln, Äpfeln, Brokkoli
• Elagsäure – in Beeren, Walnüssen, Granatäpfeln
• Resveratrol – in roten Trauben, Erdnüssen, Pflaumen
• sowie Carotinoide, wie Betacarotin – in Karotten, Süßkartofflen, Kürbis
• Lutein – in Grünkohl und Spinat und
• Lycopin – in Tomaten, Hagebutten und Wassermelonen.

Da beispielsweise das LDL-Cholesterin schnell zu ROS oxidiert, nutzen Krebszellen dieses und andere ROS zusammen mit einem erhöhten Glucosespiegel, um sich zu Tumoren zu entwickeln. Cantley schließt aus seinen Forschungsergebnissen, dass die schnelle Zunahme von Krebs in Wohlstandsgesellschaften durch einen hohen Fettgehalt der Kost, stark verarbeitete Lebensmittel und übermäßigen Zuckerkonsum, wie sie in der westlichen Ernährungsweise typisch sind, erklärt werden kann.

Der Einfluss von Fructose in natürlicher Form in Lebensmitteln ist anders zu bewerten als der vom isolierten Produkt. Außerdem sind Ergebnisse mit Zellkulturen (auch aus Tierexperimenten) nicht einfach auf den Menschen zu übertragen. Die Datenlage zu Fructose ist gegenwärtig begrenzt; nach bisher vorliegender wissenschaftlicher Datenlage hat sie keinen Einfluss auf das Krebsgeschehen. Es gibt kontroverse Aussagen zu diesem Thema.

Dennoch sind Produkte mit hohen Fructoseanteilen, wie süße Getränke, Fertiggerichte, Sirup usw. problematisch, weil sie zum Übergewicht beitragen können und somit auch das Krebsrisiko erhöhen. Deshalb sollte der Konsum dieser Produkte stark eingeschränkt werden.

In Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen von Cantley sind ergänzende Berichte über die Prävention und Therapie von Krebs durch ketogene Diäten, die definitionsgemäß nur sehr wenig Zucker enthalten. Auch hier wird berichtet, dass der Konsum von Zucker die Entstehung von Krebs fördert bzw. dass eine zuckerarme Nahrung das Wachstum von Krebs behindert. Diese Ansicht vertritt auch eine Gruppe von Ärzten, die eine Krebsdiät empfehlen, die auf zuckerarmer, am besten zuckerfreier Ernährung basiert (2, 9, 11).

Aber auch Lebensmittel, die viele Kohlenhydrate enthalten, sind während einer ketogenen Diät nicht erlaubt, denn die Kohlenhydrate werden zu Zucker abgebaut. Das betrifft Kartoffeln, Nudeln und Brot gleichermaßen. Dafür sollen reichlich Fleisch, Fisch Eier und Milchprodukte sowie Gemüse verzehrt werden. Eine kalorienreiche Nahrung ist erforderlich, um den Energiebedarf des Patienten zu decken.

Inwieweit ketogene Diäten langfristig gesundheitsfördernd sind, ist durchaus umstritten, denn die hohe Zufuhr an Fett, rotem Fleisch und tierischen Protein wird bei langfristiger Zufuhr besonders bei körperlich inaktiven Menschen als problematisch angesehen (5-7). Es gibt aber auch gegenteilige Meinungen, die den Zucker im Verhältnis zu anderen Ernährungsfehlern (zu fett, zu salzig, zu kalorienreich, zu viel tierisches Protein), Übergewicht, Bewegungsmangel und Stress für mindestens so problematisch halten. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch kommerzielle Interessen einen gewissen Einfluss ausüben.

Die dadurch entstehende Verwirrung und Unsicherheit bei diesem Thema kann durch die derzeit verlässlichste wissenschaftliche Quelle deutlich gesenkt werden. Der WCRF (12, 13) hat den Zusammenhang von Ernährung und Krebs anhand aller Veröffentlichungen zu diesem Thema in den letzten 50 Jahren ausgewertet. Danach sind die Ergebnisse von Untersuchungen über den Einfluss von Zucker oder Lebensmittel die Zucker enthalten als Ursache für eine Krebskrankheit schwer zu interpretieren. Wissenschaftlich belegt ist, dass es eine begrenzte Evidenz für den Zucker als Ursache von Dickdarmkrebs gibt.

Der Autor stimmt der Aussage des WCRF auch deshalb zu (5-7), weil er als Experte an der Ausarbeitung der Empfehlungen beteiligt war. Natürlich kann Zucker im Zusammenhang mit Krebs problematisch sein, besonders über die Verbindung mit Übergewicht und Diabetes. Es kommt jedoch auf die verzehrte Menge sowie auf die gesamte Ernährungs- und Lebensweise an, ob und wie sich ein einzelnes Lebensmittel wie Zucker auf Krankheiten wie Krebs auswirkt.

(Literaturquellen bei der Redaktion)

Weitere Informationen zum Thema:
Deutsche Krebshilfe e.V., Buschstr. 32, 53113 Bonn, Tel. 0228 – 72990-0, Email: beratungsdienst@krebshilfe.de
Deutsches Krebsforschungszentrum, Im Neuenheimer Feld 280, 69121 Heidelberg, Tel. 06221 – 422995, Email: webmaster@dkfz.de

 

Kennen Sie Ihre Rechte als Patient/Patientin?

Dagmar Moldenhauer

Ein wissender Patient/Patientin möchte aktiv sein, selbstbewusst Fragen stellen, Entscheidungen verstehen und so seine Verantwortung wahrnehmen. Oft scheitert das eigene Selbstbewusstsein an Unsicherheit und Selbstvertrauen. Meist unnötig, wenn man seine Rechte kennt. (im folgenden Text sind immer Patientinnen und Patienten gemeint. Red.)

Im Februar 2013 ist das Patientenrechtgesetz (PRG) in Kraft getreten, das insbesondere das BGB und das SGB V modifiziert. Die Position der Patienten gegenüber Leistungserbringern wie Ärzten, Krankenhäusern, Krankenkassen wird hier gestärkt. Natürlich waren Patienten bisher nicht rechtlos. Ihre Rechte waren in einer Vielzahl von Gesetzen verstreut und oft sehr unübersichtlich dargestellt. Gerichte haben sie interpretiert und konkretisiert. Spezielle Regeln der Arzthaftung wurden von Gerichten entwickelt. Es war schwierig, einen Überblick über die Ansprüche und Rechte der Patienten zu schaffen.

Die verstreuten Patientenrechte sind nun gebündelt und damit die Position des Patienten gestärkt worden. An der Entwicklung des Patientenrechtgesetzes haben Ärztevertreter, Krankenkassen und auch Verbraucherschützer mitgewirkt.

Als Patientin oder Patient haben Sie Anspruch auf eine angemessene Aufklärung und Beratung sowie auf eine sorgfältige und qualifizierte Behandlung. Diagnostische und therapeutische Maßnahmen sind mit Ihnen abzustimmen. Bei Behandlung, Pflege, Rehabilitation und Prävention ist Ihre Würde und Integrität als Patientin oder Patient zu achten, Ihr Selbstbestimmungsrecht und Ihr Recht auf Privatsphäre zu respektieren.

Grundlage des Patientenrechtgesetzes ist der Behandlungsvertrag, der alle Rechte und Pflichten, das Arzt-Patienten-Verhältnis zusammenfasst und im BGB verankert ist. Hier die wichtigsten Positionen:

• Behandlungsfehler: Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser sind verpflichtet, Fehler, die bei der Behandlung unterlaufen oder beinahe unterlaufen sind, zu dokumentieren und auszuwerten. Auf diese Weise soll man Risiken erkennen und minimieren können. Das Verfahren bei Behandlungsfehlern ist zudem zugunsten der Patienten vereinfacht worden. Die Länder und die ärztliche Selbstverwaltung werden mit dem Patientenrechtegesetz aufgefordert, Schlichtungsverfahren zu vereinheitlichen. Es gibt Arzthaftungskammern an den Landgerichten, also Richter, die sich speziell mit Prozessen zum Arzthaftungsrecht befassen. Besteht der Verdacht auf einen Behandlungsfehler, so sind die Krankenkassen verpflichtet, ihre Versicherten zu unterstützen.

• Arzthaftung: Das Haftungssystem ist gesetzlich niedergelegt worden. Die von den Gerichten entwickelten Instrumente zur Beweislastverteilung sind in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden. In der Vergangenheit war insbesondere die Frage, ob ein festgestellter Fehler des Behandelnden ursächlich für den eingetretenen Schaden gewesen ist, mit erheblichen Beweisschwierigkeiten verbunden. Durch die Einfügung der gerichtlich entwickelten Beweislastregeln ins BGB wird mehr Rechtssicherheit erreicht.

• Aufklärung: Patienten müssen künftig verständlich und umfassend über Behandlungen und Diagnosen aufgeklärt werden. Es muss rechtzeitig vorher ein persönliches Gespräch geführt werden.

• Patientenakten: Jeder Patient hat ein Recht auf Einsicht in seine Patientenakte.

• Beweislastumkehr: Grundsätzlich muss der Patient beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dieser für den Gesundheitsschaden ursächlich ist. Bei groben Behandlungsfehlern hingegen muss der Arzt bzw. Behandelnde beweisen, dass der nachgewiesene Fehler nicht den Schaden verursacht hat.

• Mehr Rechte gegenüber den Krankenkassen: In Genehmigungsverfahren (z. B. für Rehabilitationsmaßnahmen) erhalten die Krankenkassen eine gesetzliche Frist. Wenn sie innerhalb dieser Frist nicht handeln, wird der Antrag als genehmigt gelten.

• Patientenbeteiligung: Die Patienten werden verstärkt an wichtigen Entscheidungen der Gesundheitsversorgung beteiligt.

• Patienteninformation: Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung hat genau spezifizierte Aufgaben. Es sorgt für mehr Informationsangebote und damit mehr Transparenz hinsichtlich der Rechte der Patienten.

Weitere Informationen:
www.patienten-rechte-gesetz.de, / www.bmg.bund.de

 

Krankheitserfahrungen - In der Realität angekommen, ein Interview

Dagmar Moldenhauer sprach mit Herrn Dr. Wolfgang Röhr

Dr. Röhr (Mitte) mit hoffnungsvollen Hospiz-Gästen, Herrn Ziehn jun. und sen.

Die Begegnung mit Herrn Dr. Wolfgang Röhr vom Bio-Hospiz Schloss Bernstorf hat uns bewegt und veranlasst, mit ihm für Sie ein Interview zu führen. Einblicke in sein persönliches Schicksal und sein kraftvolles Engagement haben wir für Sie notiert.

Lieber Herr Dr. Röhr, danke, dass Sie Zeit für uns haben. Bitte erzählen Sie uns Ihre Geschichte, die Sie motiviert hat, eine so großartige Idee in eine hilfreiche Wirklichkeit umzusetzen.

Dr. Röhr: Fast auf den Tag genau vor acht Jahren rief mich meine Frau an, ich möge ganz schnell kommen, der Arzt hätte eben gesagt, ihre Schmerzen, das wäre Magenkrebs, Siegelring Karzinom, und er würde jetzt gleich Mittagspause machen, ich solle doch auch unbedingt mal mit ihm sprechen, schnell in die Praxis kommen. Als ich ankam, stand meine Frau schon vor der Tür, völlig aufgelöst, der Arzt war schon gegangen, ich war zu spät, alles war zu spät.

Einige Wochen danach: Ulrike, meine Frau, gerade mal 48 Jahre alt, Mutter von unseren vier noch nicht erwachsenen Kindern, vorher noch mitten im Leben stehend, jetzt auf der Intensivstation, ein Häufchen Elend, gerade aus der Narkose erwacht. Ich höre heute noch die Worte des Chirurgen: „Frau Röhr, es tut mir sehr leid, aber wir konnten den Tumor leider nicht mehr entfernen,… ich kann Ihnen zwar noch eine Chemo und Bestrahlungen anbieten, aber offen gestanden, das alles kann und wird Ihnen nicht mehr wirklich helfen…“.

Auf das dann folgende Angebot einer REHA sagte sie nur, sie werde doch sterben, was solle sie denn dort zusammen mit denen, die noch weiterleben dürften. Auch ein Hospiz kam für sie nicht infrage, sie wolle nicht in ein „Sterbehaus“, sei noch zu jung dazu und auch noch nicht bereit. Sie wolle sich erst mal wieder erholen, zu sich kommen, an einen Ort gehen, wo sie mit mir noch gemeinsam leben könne, mit guter Pflege und medizinischer Versorgung, und auch noch probieren, was vielleicht noch helfen könne. Sie wollte auch nicht nach Hause, im Angesicht der vier Kinder elendig zugrunde gehen, auch keinen Kontakt zu den Nachbarn und den Freunden.

Wenige Monate später: Den von ihr so heiß ersehnten Ort hatte ich nicht gefunden, weil es ihn einfach noch nicht gab, und nach einer schrecklichen Leidenszeit zu Hause verließ sie uns. Die Kinder waren noch Jahre danach traumatisiert.

Ich hatte ihr noch versprochen, den von ihr so ersehnten Ort, ein Haus des Lebens, für alle, die ihrem Schicksal noch folgen würden, aufzubauen. Mit der Eröffnung unseres „Biohospiz“ Schloss Bernstorf habe ich dieses Versprechen nach acht Jahren nun endlich eingelöst.

Schloss Bernstorf, Foto: H. Wruck

Was für ein Weg! Welche Erfahrungen haben Sie seit der Eröffnung mit den Gästen und ihren Angehörigen gemacht?

Dr. Röhr: Vor dem ersten Tag unseres offiziellen Betriebsbeginns, den 2. Mai 2014, hatte ich große Angst. Würde es den Gästen bei uns gefallen? Vieles war und ist auch heute noch nicht perfekt: Wir sind mit den Bauarbeiten ja immer noch nicht ganz fertig, der Park ist noch nicht wirklich angelegt und auch das eine oder andere Kabel hängt immer noch aus der Wand.

Doch dann kamen die Gäste, und mit ihnen immer neue positive Überraschungen: Krankenwagenfahrer standen bei uns im Foyer und kommentierten, so etwas Schönes hätten sie ja noch nie gesehen und auch die Angehörigen und Gäste waren von unseren Räumlichkeiten trotz manch fehlender Lampe und Lichtschalter absolut begeistert, ebenso wie die Sozialdienste und Ärzte, die uns seitdem immer wieder besuchten.

So sind z.B. die Handwerker für unsere Gäste ein Teil des normalen Lebens, bringen Abwechslung mit ins Haus und sie lassen sich gern auch mal auf einen netten Klönschnack mit ihnen ein.

Ich habe in den letzten zwei Monaten sehr viel gelernt, bin nach jahrelanger Projektplanung in der Realität angekommen, erkenne jetzt, was für die Gäste wirklich wichtig ist:

Es ist das schöne Ambiente des Hauses, die Ruhe des Ortes, die ländliche Umgebung, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, das leckere Essen und die Freiheit, seinen Tag selbst zu bestimmen.

Gästezimmer im Schloss Bernstorf

Und es sind unsere liebevollen und aufmerksamen Schwestern und Pfleger, es ist das Lächeln, das nette Wort, die kleine Geste, die frischen Blumen, der selbstgebackene Kuchen, die gemeinsamen Kaffeestündchen mit anderen Gästen. Kurzum, es ist die lebensbejahende Atmosphäre, die unsere Gäste ihr Schicksal für den Moment vergessen lässt.

Auch die Angehörigen sind begeistert, weil sie sehen, dass es ihrer geliebten Mutter, dem Vater, dem Bruder oder der Schwester bei uns einfach nur gut geht, dass man es hätte einfach nicht besser treffen können.

Mein persönlicher Eindruck: Gerade diese positiven Gefühle, der völlig ungezwungene und natürliche Umgang mit dem unvermeidlichen Schicksal hilft sowohl den Gästen, als auch ihren Angehörigen viel besser als alles andere, mit der Situation fertig zu werden. Diesen Eindruck hat ein Arzt aus Hamburg, Herr Dr. Bliemeister, der uns kürzlich besuchte, in einer Mail an eine Kollegin, die er mir cc: hat zukommen lassen, nicht trefflicher hätte ausdrücken können:

„…du musst dir mal die Internetpräsenz von Schloss Bernstorf anschauen. Modernste Technik ist durch stilsichere Renovierung so perfekt mit der historischen Substanz verschmolzen, dass eine einzigartige zeitlos harmonische Atmosphäre die majestätischen Räume des würdigen, Jahrhunderte alten Schlosses durchwebt. Der ungehindert schweifende Blick aus zahlreichen Fenstern auf den prächtigen Bestand riesiger Bäume lässt die Seele sofort in Resonanz mit der ursprünglichen Harmonie der Natur schwingen, deren ungewöhnlich intensive energetische Präsenz erklären mag, dass bereits zwei Bewohner statt, wie erwartet zu exkarnieren, „gesund“ gegangen sind. Die Schwestern dort sind mitfühlende Menschen. Unbedingt zu empfehlen nicht nur für final Kranke sondern gerade auch für noch Gesunde, die in dem dortigen Refugium wieder zu frischen Kräften und sich selber finden können…“.

Tatsächlich passiert etwas, das mir die allergrößte Freude bereitet: Viele Gäste kommen ja in sehr schlechtem Gesundheitszustand zu uns, einige unter ihnen fangen nach kurzer Zeit an, sich bei uns zu erholen, fühlen sich besser, stehen wieder auf, wollen nach draußen und ihre Tage wirklich noch genießen. Unser Gast Herr Ihde z.B. hat nach wenigen Wochen bei uns wieder so viel Lebenskraft und -mut geschöpft, dass er sich mittlerweile einer OP unterzogen hat und nun in der REHA ist, anschließend wieder nach Hause geht. Unsere Frau Krükow hat sich soweit wieder erholt, das der Sohn sie letzte Woche abgeholt hat und wie ich hörte, will sie nun wieder nach Hause, nach Russland, fliegen. Unser Gast Herr Ziehn aus Grevesmühlen beschäftigt mittlerweile jeden Nachmittag seine ganze Familie bei uns im Park, lässt gerade einen Teich ausheben, als nächstes steht der Bau einer Terrasse auf dem Plan, ist das nicht alles wunderschön?

Herr Ihde auf Schloss Bernstorf

Sicher können Sie diese Beispiele noch fortsetzen. Aber warum heißt Ihr Haus Bio-Hospiz, was genau bedeutet das für das Hospiz?

Dr. Röhr: „Bio“ kommt ja aus dem Griechischen und bedeutet „leben“. Wir verbinden mit „bio“ heute eine ganze Menge, wie z.B. biologischen Anbau, biologische Therapien, biologisches Bauen, das biologische Ei, den biologischen Treibstoff – und jetzt auch noch das biologische Hospiz? Ich werde auch immer wieder gefragt, warum denn gerade dieser Begriff, oder anders ausgedrückt: Muss das denn unbedingt „Bio“ sein?

Für mich ist dieser Begriff aus einer ganz wichtigen Erfahrung heraus entstanden: Meine Frau hatte ja keinen funktionsfähigen Magen mehr, sondern lediglich ein Provisorium, ein direkt an die Speiseröhre angeheftetes Stück Darm, ein Stück Hoffnung und gleichsam Lebensqualität, die einzige Möglichkeit, noch Nahrung und Flüssigkeit den Körper passieren zu lassen. Ich habe zunächst versucht, meine Frau mit normaler Kost zu versorgen, ohne Erfolg, nichts konnte die Speiseröhre passieren. Bis ich auf die Idee kam, es mal mit einer selbst gekochten Suppe aus biologischen Möhren zu probieren. Und siehe da, meine Frau konnte plötzlich wieder essen und verdauen, ein wundervolles Gefühl für sie, bei dieser Art der Erkrankung ist das plötzlich der Himmel auf Erden. Fortan gab es bei uns natürlich nur noch rein biologische Zubereitungen und es funktionierte, solange es überhaupt nur gehen konnte. Auch viele so genannte biologische Anwendungen zur Entgiftung, zum Energieaufbau und Entspannung haben meiner Frau seinerzeit vor allem auch psychologisch sehr geholfen, obwohl sie natürlich das Blatt nicht mehr wenden konnten.

Für uns in Bernstorf ist deshalb „Bio“ kein Modewort, sondern es bezeichnet das Ziel, ein Haus des Lebens zu sein, in dem die Betroffenen jeden ihrer Tage noch so bewusst und so schön wie irgend möglich leben und ihre Lebensqualität bestmöglich erhalten oder vielleicht sogar auch noch mal verbessern können. Wer möchte, kann sich bei uns deshalb auch alternativ biologisch, vegetarisch oder auch vegan ernähren oder auch über die so genannten biologischen Anwendungen, die er oder sie selbst oder sein Arzt für gut und sinnvoll hält, noch etwas wirklich Gutes tun.

So hoffnungsvolle Nachrichten! Aber jetzt zu einer Frage, die nicht unbeantwortet bleiben darf. Welche Möglichkeiten haben Gäste für die Kostenübernahme, welche Erfahrung haben Sie mit den Gesetzlichen Kassen gemacht?

Dr. Röhr: Gesetzlich versicherte Patienten, die an einer unheilbaren, weit fortgeschrittenen Erkrankung mit einer Lebenserwartung von nur noch wenigen Wochen bis Monaten leiden, und für die eine häusliche Betreuung nicht möglich oder zumutbar ist, haben gem. § 39a SGB V einen Anspruch auf einen Hospizplatz. Die Kasse übernimmt in diesem Fall alle Kosten für den Aufenhalt. Die Hospize sind allerdings verpflichtet, 10 % ihrer Kosten selber über Spenden zu finanzieren.

Die privaten Krankenversicherungen übernehmen die Kosten i.d.R. auf Kulanzbasis, da die meisten der älteren Verträge überhaupt keine Hospizleistungen einschließen. Wir kümmern uns natürlich um alle Formalitäten, die Atteste, Anträge und Bewilligungen und stehen den Betroffenen und Ihren Angehörigen selbstverständlich auch zur Seite, wenn es mit den Kostenträgern irgendwelche Probleme gibt. So hatten wir gerade vor kurzem die Situation, das eine kleinere BKK einfach auf Zeit spielen wollte. Wir haben aber mit unserer Kanzlei sehr rasch und massiv reagiert und innerhalb von 24 Stunden war die Kostenübernahme dann plötzlich doch da.

Mit der Zusammenarbeit mit den Kassen haben wir bisher allerdings insgesamt sehr gute Erfahrungen gesammelt. Die Zeiten, dass wie im Fall meiner Frau die Kostenzusage zur Finalpflege erst zwei Monate nach ihrem Tod kam, sind offenbar doch endlich vorbei – zum Glück!

Lieber Dr. Röhr, auf Ihrer Webseite habe ich einen kleinen Text gefunden. Ich wünsche Ihnen noch viele Gäste, die in Ihrem Hospiz sagen können: „…hier kann die Seele lächeln.“ Danke für das Gespräch.

 

Aktuelles aus der Krebsforschung

Darmkrebs

Längst besteht kein Zweifel mehr an der Notwendigkeit der Darmkrebsprävention. Seit im Oktober 2002 in Deutschland das landesweite Koloskopie-Screening für Personen ab 55 Jahren eingeführt wurde, haben allerdings nur 22,3% der berechtigten Frauen und nur 20,3% der berechtigten Männer dieses Angebot der Vorsorge wahrgenommen.

Mehr Aufklärung und mehr Information scheinen dringend notwendig zu sein. Inzwischen haben große internationale Studien mit langen Nachsorgeintervallen bis zu 30 Jahren die Wirksamkeit der Kolonkarzinomvorsorge in der Senkung der Sterberaten belegt. Die Statistik weist hier Zahlen bis zu 40% in der Mortalität aus.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung fordert jetzt, die Altersgrenze bei der Darmkrebsprävention bei Männern abzusenken. Die aktuelle Evaluation des Früherkennungsprogrammes habe ergeben, dass Männer ein erhöhtes Darmkrebsrisiko aufweisen und auch früher (5-10 Jahre) erkranken als Frauen.

Eine Neugestaltung der Darmkrebsfrüherkennung ist bis 2016 vorgesehen. Zukünftig soll es auch ein schriftliches Einladungsverfahren zum Screening geben.
(Quelle: Ärzteblatt 2014/Bruchert et al., Der Allgemeinarzt 7/2014, Pox et al.S3 Leitlinie kolorektales Karzinom 2013)

Die heterogene Natur bösartiger Tumore

Das ist inzwischen bekannt: ein Tumor ist keine Einheit. Er besteht aus unterschiedlichen Subtumoren mit ganz unterschiedlichen Mutationen. Primärtumor und Metastasen zeigen verschiedene Mutationen. Forscher experimentieren und konnten mit ihren Arbeiten belegen, dass die Umgebung einen entscheidenden Einfluss auf die im Tumor auftretenden Mutationen und auf die Weiterentwicklung des Tumors hat. Zum besseren Verständnis: in jeder Tumorzelle eines Patienten mit einem bestimmten Krebs befinden sich mehrere tausend Mutationen.

Eine wesentliche Rolle spielen die Treibermutationen, die die Krebsentstehung und -entwicklung vorantreiben. Ihre Zahl liegt je nach Krebsart zwischen einigen wenigen bis über 100 verschiedenen Treibern. Eine zielgerichtete Therapie kann nun sehr selektiv wirksam werden und eine Mutation bzw. die erzeugten Signale unterdrücken. Wissenschaftler um Prof. Greil, Salzburg, wollen herausfinden, mit welcher Schnelligkeit sich Resistenzen unter dem Selektionsdruck zielgerichteter Therapien entwickeln. Neue therapeutische Strategien sind angesichts der Heterogenität der Tumoren dringend erforderlich.
(Quelle: Der Hausarzt 05/2014)

 

Gesundheitserfahrungen. Der besondere Ort oder wie viele Sinne hat der Mensch?

Dagmar Moldenhauer

Möchten Sie selbst erleben, wie viele Sinne wir/ Sie, ihre Kinder oder Kindeskinder haben, wie sie funktionieren, dann hier ein Tipp – für einen besonderen Ort, der Sinnliches erleben und trübe Gedanken vergessen lässt:

Inmitten des Naturschutzgebietes der Lüneburger Heide liegt der Barfußpark Egestorf. Auf einem 14 ha großen Gelände werden in einer Vielzahl unterschiedlicher Stationen Erfahrungen zu den eigenen Sinnen und der Bezug zu Materialien der Natur gestärkt. Gleich am Eingang lässt man seine Schuhe stehen und begibt sich auf die Tour – es geht durch Wälder, Wiesen, Felder, Bäche – natürlich barfuß! Unterschiedliche Naturmaterialien werden passiert. Man läuft durch kaltes Wasser ganz nach Kneippschen Grundsätzen, über Steine verschiedenster Struktur, über Glas, durch Moor, Torf (kurz: durch Pampe in verschiedensten Mischungen) – und hat bei allem einen Riesenspaß und ein zunehmend angenehmes Kribbeln in den Füßen.

Weiter geht es durch einen Duft- und Kräutergarten, vorbei an Baumkronenspiegeln, über Balancierklötze, wieder durch nassen Lehm und Schlick. Tropfenklang, Baumtelefon, Magnetpendel, Impulskugeln in Licht und Schatten schärfen die Wahrnehmung aller Sinne.

Das Rauschen der Bäume, der Wind, die Stimmen der Vögel und auch Momente der Stille werden ganz tief empfunden. Stress wird hier zum Fremdwort. Am Ende des Weges empfindet man ein Glücksgefühl ganz besonderer Art. Erlebenswert!

Wollen Sie mehr über unsere Sinne wissen?
Neurowissenschaftler meinen, jeder Mensch habe sechs Sinne: Sehen, Hören, Gleichgewicht, Fühlen, Schmecken und Riechen. Wirklich eindeutig ist die Antwort auf die Frage nach der Anzahl unserer Sinne jedoch nicht. Auf die allgemeine Definition, was sind Sinne, heißt es: die Fähigkeit, Reize wahrzunehmen. Darauf können sich die meisten Wissenschaftler und Laien einigen. Doch damit endet auch schon die Übereinstimmung.

Wir wissen jedoch, wie wichtig für jeden Menschen eine achtsame intakte Wahrnehmung seiner Sinne ist, besonders auch während einer Krankheit.

   

Schon Aristoteles beschäftigte sich ausführlich mit der Sinnesphysiologie. Bei ihm findet sich auch die klassische Einteilung in fünf Sinnesmodalitäten: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen. Beim Fühlsinn erwog er zunächst, die Wahrnehmung von Druck, Schmerz, Wärme und Kälte als verschiedene Sinne zu interpretieren, verwirft diese Idee aber schließlich. Einen sechsten Sinn schloss er explizit aus – und irrte.

Die Gleichgewichtswahrnehmung entging aber nicht nur der Aufmerksamkeit des griechischen Philosophen. Das Phänomen des Schwindels war zwar schon länger bekannt, doch erst im 19. Jahrhundert entdeckten Wissenschaftler das dazugehörige Gleichgewichtsorgan im Innenohr. Es sorgt nicht nur für räumliche Orientierung und Körperbalance, sondern kontrolliert auch die Augen- und Kopfbewegung – anders wäre der Mensch kaum in der Lage, während einer Drehbewegung die Welt im Blick zu behalten.

Doch müssen wir die Sinneswahrnehmung keineswegs auf von außen kommende Reize beschränken. Signale aus dem Inneren des Körpers werden uns besonders im Krankheitsfall bewusst. Schließlich sollten wir auch die viszeralen Sinne nicht vergessen: Die Wahrnehmung der inneren Organe, die uns unter anderem die Schmerzen bescheren, aber auch vor dem Verhungern oder Verdursten warnen. Obwohl sie uns selten etwas bewusst mitzuteilen haben, lässt sich kaum sagen, wie viele Rezeptoren für chemische Substanzen, den pH-Wert oder andere Reize hier am Werk sind.

Damit hätten wir jetzt bereits mehr als sechs Sinne: Zu den klassischen Fünf und dem Gleichgewichtssinn kommt die Wahrnehmung der Temperatur und des Schmerzes sowie die Propriozeption und der viszerale Sinn. Die Aristotelischen Sinne drängen sich noch heute gern in den Vordergrund. Doch wäre es ungerecht, andere Sinnesphysiologen und Forscher der Sinne zu übersehen, denn wir verdanken ihnen allen viele, zum Teil lebensnotwendige Informationen über unsere Außen- und Innenwelt.

(Quelle: Spektrum der Wissenschaft, Dokumentation Barfußpark Egestorf, Bildquellen: Barfußpark Egestorf, Dagmar Moldenhauer)

 

Aktuelles aus der Krebsforschung

Ballaststoffe verlangsamen das Wachstum von Krebszellen

Ballaststoffe machen nicht nur satt und unterstützen die Verdauung. Die Faserstoffe sind auch eine wirksame Waffe bei der Behandlung bösartiger Hirntumoren. Das haben Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) herausgefunden. Ihre Forschungsergebnisse hat das Team um die Ärzte Dr. Ilker Eyüpoglu und Dr. Nicolai Savaskan von der Neurochirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen jetzt im Fachjournal „Cancer Medicine“ veröffentlicht.

Schon seit längerer Zeit werden Patienten mit Hirntumoren, aber auch anderen Krebsformen, häufig auf eine Diät gesetzt, in der Kohlenhydrate durch Ballaststoffe ersetzt werden. Denn man weiß: Die Tumoren brauchen den Zucker um zu wachsen. Jetzt konnten die Erlanger Forscher zeigen, dass die Faserstoffe in dieser Diät nicht bloße Ersatzstoffe für die Kohlenhydrate sind, die den Patienten ein Sättigungsgefühl geben sollen. Die Ballaststoffe haben auch therapeutisch nutzbare Wirkungen. „Durch die Ballaststoffe wachsen die Tumorzellen langsamer und sind weniger bösartig.“

Besonders effektiv auf bösartige Hirntumoren wirken, so haben die FAU-Forscher festgestellt, Biochanine, eine Untergruppe der Ballaststoffe, die in größeren Mengen vor allem in Kichererbsen, Sojabohnen und Rotklee vorkommen. Biochanine werden schon an anderer Stelle therapeutisch eingesetzt: Der Pflanzenstoff lindert Wechseljahresbeschwerden – und das ohne größere Nebenwirkungen bei den Patientinnen auszulösen. Dieser Vorteil mache Biochanine besonders attraktiv für die Krebstherapie, wo die Patienten ohnehin schon geschwächt sind, sagt der FAU-Forscher.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine ballaststoffreiche Diät in der Krebstherapie zu befürworten ist und diese viel häufiger eingesetzt werden sollte“, erläutert der Neuroonkologe Dr. Eyüpoglu. Dass Ballaststoffe vor Krebs schützen, diesen Umkehrschluss lassen die Ergebnisse der Erlanger Wissenschaftler allerdings nicht zu. „Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass Patienten, die die Regeln der gesunden Ernährung berücksichtigen – also unter anderem wenig Zucker und reichlich Ballaststoffe zu sich nehmen – in einem besseren Allgemeinzustand zu uns kommen und die Therapien tendenziell besser vertragen.“
(Literatur-Quelle: Tina Sehm, Zheng Fan, Ruth Weiss et al. The impact of dietary isoflavonoids on malignant brain tumors http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/cam4.265/abstract - Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)

 


Europäische Akademie für Naturheilverfahren und Umweltmedizin
Partner für einen Dialog zur Integrativen Krebstherapie

Das Periodikum „Aktuelle Gesundheitsnachrichten“ wird von der Stiftung Günter und Regine Kelm gefördert. Sie können es bestellen oder online unter www.eanu.de nachlesen. Sind Sie an unserem Newsletter interessiert?

Bitte richten Sie Ihre Wünsche an unsere Kontaktadresse:
Europäische Akademie für Naturheilkunde und Umweltmedizin
Grottkauer Straße 24, 12621 Berlin
Tel. +49(0)30 – 55 15 82 48, Fax: +49(0)30 – 55 15 82 49
E-Mail: info@eanu.de; www.eanu.de
www.facebook.com/EANU.Berlin

In eigener Sache: Wir danken den ehrenamtlichen Helfern, die uns in unserer Arbeit für diese Ausgabe unterstützt haben.

IMPRESSUM: Aktuelle Gesundheitsnachrichten, Heft 14/2014, ISSN (Print) 2199-9791, ISSN (Internet) 2199-9805

HERAUSGEBER: Europäische Akademie für Naturheilverfahren und Umweltmedizin (EANU)
Dr. Wasylewski GmbH, Grottkauer Straße 24, 12621 Berlin, Tel. +49(0)30-55158248

REDAKTIONSTEAM: Dagmar Moldenhauer, Dr. med. A .-H. Wasylewski, Jochen Friedrich, Regine Kelm
Bild: Fotolia.com: bit24, psdesign1 (Titel), dionisvera, Mstudio, Natalja Klenova; Barfusspark Egestorf, H. Wruck, Dagmar Moldenhauer, Zentrum für molekulare Onkologie Luckenwalde, Bio-Hospiz Schloss Bernstorf, Joachim Kirchmair. Porträtfotos der Autoren wurden von den Autoren zur Verfügung gestellt.

Redaktionelle Texte und Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Sie enthalten Erkenntnisse aus Medizin und Forschung, die einem steten Wandel unterliegen. Für die Aktualität und die Inhalte der Texte sind die Autoren verantwortlich.