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Aktuelle
Gesundheitsnachrichten

WICHTIGE INFORMATIONEN Corona und Krebs

KREBS & SPORT Risiken reduzieren, Wohlbefinden steigern

PASSIVRAUCHEN Gefährdet kleine Kinder besonders

ZÖLIAKIE Eine häufig unerkannte Krankheit

HYPNOSE Als Unterstützung in der Krebstherapie

Titelbild: paulaphoto - stock.adobe.com

 

INHALT

Passivrauchen gefährdet kleine Kinder besonders > Lesen

Wichtige Informationen zum Thema Corona und Krebs > Lesen

Körperliche Aktivität. Wichtiger Baustein der Krebstherapie & Vorsorge > Lesen

Welche Viren spielen bei welcher Krebserkrankung eine Rolle? > Lesen

Wenn aus persönlicher Betroffenheit eine aktive Selbsthilfegruppe wird > Lesen

Gesundheits-Apps > Lesen

EANU PINNWAND > Lesen

Künstliche Intelligenz: Bis zu 10% mehr Darmkrebs-Vorstufen entdeckt > Lesen

Hypnose zur Unterstützung in der Krebstherapie > Lesen

Krebs und Zahngesundheit: Was wird gezahlt? > Lesen

Heimkosten für Eltern: Neue Regelungen entlasten die Kinder > Lesen

Für den Notfall sollten Sie an Vollmachten denken! > Lesen

Zöliakie. Eine häufig unerkannte Krankheit. Und ein Leben ohne Gluten. > Lesen

Grippeschutzimpfung bei Krebs? > Lesen

Gut für die Gesundheit: Sauerkraut > Lesen

Therapieresistent durch veränderte Chromosomen > Lesen

Zubereitung eines natürlichen Hustensaft > Lesen

Selbsthilfe und Kommunikation am Beispiel einer Facebook-Gruppe > Lesen

 

 

EANU STANDPUNKT

Passivrauchen gefährdet kleine Kinder besonders

Foto: zabavna - stock.adobe.com

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Tabakrauch verantwortlich für einen von zehn Todesfällen unter Erwachsenen. 3.300 Menschen sterben in Deutschland jährlich durch Passivrauchen! Unser wissenschaftlicher Leiter Dr. med. Andreas Wasylewski beschäftigt sich in diesem neuen EANU Standpunkt mit den Folgen des Passivrauchens, gerade in Zusammenhang mit Kindern. Er fordert politische Entscheidungen für die Gesundheit von Kindern!

Zigarettenrauch ist eine chemische Mischung aus über 4.800 verschiedenen Stoffen, mindestens 250 davon sind giftig oder krebserregend. Er enthält unter anderem Teer, die Gifte Blausäure, Ammoniak und Kohlenmonoxid sowie krebserregende Substanzen wie Arsen, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, N-Nitrosamine und Formaldehyd.

Diese Stoffe werden nicht nur von dem Raucher aufgenommen! Auch Nichtraucher, die sich in der Umgebung von Rauchern befinden, rauchen mit. Passivraucher atmen sogar die 8 bis 20-fache Konzentration von krebserregenden Stoffen mehr ein. Deshalb sterben in Deutschland jährlich ca. 3.300 Nichtraucher durch Passivrauchen. Und was für unsere Zukunft sehr wichtig ist: mindestens sechs Millionen Kinder bis zum Alter von 13 Jahren wachsen in Haushalten auf, in denen geraucht wird. Am heftigsten trifft es Kleinkinder unter zwei Jahren.

Raucherhaushalt: Schadstoffe im Blut der Kinder nachweisbar!

Besonders kleine Kinder leiden am stärksten durch Passivrauchen. Atmen Kinder Rauch ein, schwächt dies ihr Immunsystem und Lungenentzündungen und andere Infektionen der Atemwege sind die Folge. Zudem wirken Giftstoffe toxisch auf die Lunge und andere Gewebe. Bei jedem Kind, das in einem Raucherhaushalt aufwächst, lassen sich die entsprechenden Schadstoffe im Blut nachweisen.

Passivrauch ist auch mitverantwortlich für die Entwicklung chronischer Krankheiten mit Todesfolge. Bei rauchenden Schwangeren sind die Nikotinkonzentrationen im Fruchtwasser, in der Plazenta und im Blut des Ungeborenen höher als im Körper der Mutter. Die Giftstoffe erreichen das Kind über die Lungen der Mutter in Sekunden und bleiben dort lange, weil Abbau und Ausscheidung aufgrund der Unreife der Leber und Nieren verzögert sind. Im Verlauf der Schwangerschaft sind die ungeborenen Kinder von Raucherinnen bei einem Konsum von 13 Zigaretten am Tag somit der Schadstoffbelastung von durchschnittlich rund 3.640 Zigaretten ausgesetzt.

Gesundheitliche Risiken schon in Schwangerschaft und nach Geburt

15 % aller Frühgeburten und 20-30 % aller Fälle von geringem Geburtsgewicht sind auf Passivrauch im Mutterleib zurückzuführen. Die nachgeburtliche Sterblichkeit ist bei passivrauchenden Neugeborenen zu 150 % erhöht. Passivrauchexponierte Neugeborene erleiden gehäuft Fehlbildungen. Das Risiko für die Ausbildung von Lippen-Gaumenspalten ist bereits bei einem mütterlichen Zigarettenkonsum von 1-10 Zigaretten pro Tag während der Schwangerschaft zu durchschnittlich 50 % erhöht.

Foto: Monkey Business - stock.adobe.com

Etwa 60 Säuglinge versterben jährlich durch Passivrauch im Haushalt sowie durch vorgeburtliche Schadstoffbelastungen, weil die Mutter während der Schwangerschaft rauchte. Und jede achte Frau raucht zu Beginn der Schwangerschaft und nur ein Viertel davon hört während der Schwangerschaft damit auf. Nach einer Entwöhnung fangen 70 Prozent der jungen Mütter binnen eines Jahres mit dem Rauchen wieder an.

Plötzlicher Säuglingstod: Hauptursache Rauchen!

Leider erreichen die Giftstoffe über die kindliche Blutversorgung das Ungeborene und können dort ihre schädliche Wirkung entfalten. Damit steigt das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen, Fehl- und Totgeburten sowie für Erkrankungen der Kinder. Weitere Gefahren drohen nach der Geburt. Fast jeder zweite der jährlich 500 bis 600 Todesfälle durch den Plötzlichen Säuglingstod SIDS in Deutschland wird dem Passivrauchen zugeschrieben.

Foto: vchalup - stock.adobe.com

Passivrauchen gefährdet kleine Kinder besonders. Ihre körperliche Entwicklung ist bei weitem noch nicht ausgereift, sodass ihr Körper anfälliger für die Giftstoffe des Zigarettenrauchs ist. Außerdem atmen Kleinkinder in Relation zu ihrem Körpergewicht mehr Luft und mehr Giftstoffe ein als Erwachsene, mit akuten Folgereaktionen wie Atembeschwerden, Asthmaanfälle, Mittelohrentzündung, Kopfschmerzen, Schwindel und Schlafstörungen. Werden im Haushalt mehr als 30 Zigaretten pro Tag geraucht, erhöht sich das Risiko, an Hirnhautentzündung zu erkranken, für Kinder bis zum Alter von 5 Jahren um das bis zu 7-fache.

Gefahren des Passivrauchens für Säuglinge, im Kleinkindalter und während der Kindheit

Haare
• Geruch

Ohren
• Mittelohrentzündungen

Wirkung auf das Gehirn/Kopfregion
• möglicherweise verantwortlich für Verhaltensstörungen und Gehirntumore
• Kopfschmerzen

Augen
• Reizung und Tränen

Herz-Kreislauf
• Sauerstoffmangel und Schädigung der Arterien
• verminderte körperliche Leistungsfähigkeit

Blut
• möglicher Zusammenhang mit Lymphomen

Atmung und Lungen
• Atemwegsinfektionen (Bronchitis und Lungenentzündung)
• Induktion und Verschlimmerung von Asthma
• chronische Atemwegssymptome
• Veringerung der Lungenfunktion
• Lungenstrukturveränderungen

Erhöhte Sterblichkeit im Säuglingsalter
• plötzlicher Säuglingstod

Schon eine minimale Rauchbelastung verminderte deutlich die Leistung und Konzentration bei Schulkindern

Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg haben über mehrere Generationen hinweg Krebserkrankungen innerhalb von Familien untersucht. Dabei zeigte sich, dass Kinder, deren Eltern rauchen, ein erhöhtes Risiko haben, an Krebs auch viel später zu erkranken. So erhöht Passivrauchen das Risiko für Lungenkrebs und sehr wahrscheinlich auch für Brustkrebs bei jungen Frauen sowie Krebs der Nasenhöhle und der Nasennebenhöhlen.

Bereits im Mutterleib und dann über die Muttermilch nehmen Kinder von Rauchern Abbauprodukte des Nikotins auf, die das Risiko für spätere Krebserkrankungen wie Nieren- und Blasenkrebs deutlich erhöhen.

EANU Tipps für Eltern

  • Machen Sie Ihre Wohnung zu einem rauchfreien Raum auch für Ihre Gäste.
  • Rauchen Sie auf keinen Fall im Auto, weil die Konzentration der Tabakgifte dort besonders hoch ist.
  • Bitten Sie Großeltern, Babysitter und andere Bezugspersonen Ihres Kindes, nicht in Anwesenheit des Kindes zu rauchen.
  • Die Gesundheit des eigenen Kindes ist ein guter Grund, mit dem Rauchen ganz aufzuhören.
  • Eltern sollten ihren Kindern einen tabakfreien Start ins Leben ermöglichen.

Rauchen: Zahlen, Daten, Fakten

Am Ende noch ein paar Zahlen, die allen gesellschaftlichen und politischen Organisationen bekannt sind.

Der deutsche Staat profitiert mit jährlich 20 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer – feste Einnahmen im Budget. Gleichzeitig entstehen als Kosten infolge des Tabakkonsums rund 80 Milliarden Euro jährlich. Allein die chronische Bronchitis, zu 90 % dem Rauchen anzulasten, verursacht 25 Millionen Tage Arbeitsunfähigkeit und 2,7 Millionen Krankenhaustage im Jahr. Reha-Maßnahmen, Invalidität und vorzeitiger Tod kommen hinzu.

Deshalb sind verantwortungsvolle politische Entscheidungen zum Schutz unserer Kinder dringend notwendig. Dies betrifft ein Rauchverbot in Autos sowie auf öffentlichen Plätzen, an denen sich Kinder aufhalten.

Dr. med. Andreas Wasylewski, Herausgeber der Aktuellen Gesundheitsnachrichten

Sie wollen mit dem Rauchen aufhören? Hier erhalten Sie Unterstützung.

  1. Info- und Beratungstelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
    Telefon: 01805 313131 (12 Cent pro Minute)
    Beratung: Mo–Fr 9–17 Uhr
  2. Rauchertelefon des Deutschen Krebsforschungszentrums
    Telefon: 06221 424200 (Normaltarif)
    Beratung: Mo–Fr 15–19 Uhr
  3. Info- und Beratungstelefon für die Prävention des Plötzlichen Säuglingstodes, für Schwangere und junge Eltern
    Telefon: 0180 5099555 (12 Cent pro Minute)
    Beratung: Di–Do 8–10 Uhr, Di 16-18 Uhr (Infotext und kostenloser Faxabruf rund um die Uhr)
  4. Rauchertelefon des Instituts für Raucherberatung und Tabakentwöhnung
    Telefon: 089 68999511 (Normaltarif)
    Beratung: Mo, Di, Do 9–13.30 Uhr, Mi 15.30-19.30 Uhr
  5. Beratungsmaterial der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
    rauchfrei - der Elternratgeber (I): Ich bekomme ein Baby
    rauchfrei - der Elternratgeber (II): Das Baby ist da
    Kostenlose Bezugsquelle: www.bzga.de

 

 

EANU AKTUELL

Wichtige Informationen zum Thema Corona und Krebs

Liebe Leserinnen und Leser, das Virus Corona verändert derzeit unser Leben. Wir erleben eine weltweite Pandemie: Schulen und Kindergärten sind geschlossen, Reisen in das benachbarte Ausland sind teilweise nicht mehr möglich, das kulturelle Leben liegt brach. Was bedeutet Corona für Krebspatienten und deren Angehörige? Weitere Updates lesen Sie aktuell auf unserer Homepage www.eanu.de

Foto: dottedyeti - stock.adobe.com

Virusexperten gehen davon aus, dass es noch viele Monate dauern kann, bis in der Bevölkerung eine ausreichende Immunität aufgebaut ist, die vor einer weiteren Verbreitung des neuen Corona-Virus schützt.

Viele Krebspatienten leiden an einer Immunschwäche, bedingt durch die Erkrankung oder durch bestimmte therapeutische Maßnahmen: Es ist davon auszugehen, dass Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist, schneller und möglicherweise auch schwerer erkranken als Gesunde. Daher rät der Krebsinformationsdienst: „Krebspatienten, die eine immunsupprimierende Therapie erhalten oder aufgrund ihrer Krebserkrankung immunsupprimiert sind, sollten die empfohlenen Verhaltens- und Hygieneregeln besonders konsequent beachten. Dazu gehören unter anderem eine gute Händehygiene sowie der Abstand zu am Coronavirus Erkrankten.“ Experten empfehlen darüber hinaus, die Wohnung nur für die notwendigsten Erledigungen zu verlassen und auf jeden Fall Menschenansammlungen zu meiden. Die Patienten sollten Familie, Freunde oder Nachbarn um Unterstützung bitten, etwa wenn es um Einkäufe geht.

Krebstherapie verschieben?

Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) empfiehlt Patienten, eine geplante Krebstherapie nicht zu verschieben. Nur wer ein erhöhtes Infektionsrisiko hat, zum Beispiel nach Kontakt mit einem am Coronavirus Erkrankten, sollte den Nutzen und das Risiko der geplanten Therapie zusammen mit den behandelnden Ärzten abwägen. Individuell kann dann über die Verschiebung der Therapie entschieden werden, so die DGHO. „Pauschale Empfehlungen lassen sich nicht geben. Patientinnen und Patienten sollten diese Fragen möglichst rasch und individuell mit ihrem behandelnden Arzt klären“, so Weg-Remers. Es gibt bei Krebs manchmal auch Erkrankungssituationen, in denen kein schnelles Handeln erforderlich ist und man abwarten kann. In anderen Fällen ist eine zeitnahe Behandlung geboten, um beispielsweise Heilungschancen nicht zu gefährden. Wichtig zu wissen ist außerdem: Immer noch sind die meisten Atemwegsinfekte, mit denen Betroffene derzeit die Arztpraxen aufsuchen, auf die Grippe (Influenza) oder Erkältungskrankheiten zurückzuführen. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin hin. Ein begründeter Verdacht für eine Corona-Virus-Infektion besteht aktuell nur, wenn

  • Anzeichen einer akuten Atemwegsinfektion (beispielsweise Husten und Fieber) bestehen und
  • der oder die Betroffene sich in einem COVID-19-Risikogebiet (wie beispielsweise China oder Italien) aufgehalten hatte oder der oder die Betroffene Kontakt zu einer an dem Corona-Virus erkrankten Person hatte.

Wichtig auch: Angehörige sollten Patienten im Krankenhaus oder Pflegeheim gar nicht besuchen, sofern sie Schnupfen oder grippeähnliche Symptome haben. Aber auch sonst sollten Besuche nur sehr dosiert durchgeführt werden.

Durch die Schließungen von Schulen und Kindergärten besteht jetzt häufig ein Betreuungsdefizit für die Kinder. Krebspatienten sollten, auch wenn es schwerfällt, nicht in die Betreuung einspringen! Kinder können ohne Symptome infiziert sein, bedenken Sie bitte diese Gefahr!

Lassen Sie sich bei Einkäufen möglichst helfen! Krebspatienten sollten jedes Risiko meiden, auch den Aufenthalt bei größeren Menschenansammlungen. Bleiben Sie möglichst in Ihrer häuslichen Umgebung!

EANU-Tipps von Dr. André

  1. Zur Begrüßung keine Hand mehr geben.
  2. Berühren Sie Ihr Gesicht erst nach dem Händewaschen.
  3. Öffnen Sie die Tür mit Ihrem Ellbogen oder Ihrem Becken und berühren Sie diese nicht mit der Hand. Wenn Sie einen Schalter oder eine Türklingel drücken müssen, verwenden Sie ein Taschentuch oder einen Einweghandschuh.
  4. Verwenden Sie in Supermärkten Einweghandschuhe, die Sie nach dem Einkauf wegwerfen.
  5. Waschen Sie Ihre Hände jedes Mal, wenn Sie nach Hause zurückkehren, und verwenden Sie schließlich ein Desinfektionsmittel (auch Wodka 40 % ist ein Desinfektionsmittel).
  6. Sie sollten eine kleine Flasche Desinfektionsmittel außerhalb des Hauses immer mitnehmen und verwenden, wenn Sie Ihre Hände nicht waschen können.
  7. Vermeiden Sie alle menschlichen Versammlungen.
  8. Bei Kontakten mit anderen Personen 1,5 m Abstand halten.

 

EANU Linktipps:

Video zum Thema Brustkrebs und Corona
www.youtube.com/watch?v=lYCAHOHo7-4

Informationsseite des Krebsinformationsdienstes
www.krebsinformationsdienst.de/aktuelles/2020/news012-coronavirus-ansteckungsgefahr-bei-krebs.php

Aktuelle Risikobewertung des Robert Koch-Institut www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html

Hygienemaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit Frage-Antwort-Liste und Verhaltensmaßnahmen
www.bzga.de

Foto: H_Ko - stock.adobe.com

 

 

KREBS SPORT BEWEGUNG

Körperliche Aktivität ist ein wichtiger Baustein der Krebstherapie und der Vorsorge

Foto: Robert Kneschke - stock.adobe.com

Über Krebs, Sport und Bewegung gibt es inzwischen valide Erkenntnisse. In dieser Ausgabe unserer Aktuellen Gesundheitsnachrichten geben die Autoren PD Dr. Freerk T. Baumann, Leiter AG Onkologische Bewegungsmedizin an der Uniklinik Köln und seine Mitarbeiterin Elisa Zavatta einen großen Überblick, sowohl über die vorbeugende Wirkung als auch über den Einsatz von Sport und Bewegung bei einer Krebserkrankung.

Bei flüchtiger Beurteilung scheinen Sport und Bewegung bei Krebs sich ausschließende Gegensätze zu sein: Gemeinhin werden Sport und Bewegung mit Gesundheit, Vitalität, Aktivität, Leistungsfähigkeit und Freude assoziiert, während Krebs für eine schwerwiegende Erkrankung mit lebensbedrohlichem Charakter steht, die mit zahlreichen tumor- und/oder therapiebedingten Nebenwirkungen auf physischer, psychischer, psychosozialer und kognitiver Ebene verbunden sein kann. Einhergehend mit den krankheitsverbundenen Einschränkungen ist auch die Lebensqualität der Betroffenen mitunter stark beeinträchtigt. Bis in die 1990er Jahre herrschte dieser Antagonismus auch in der onkologischen Praxis vor, indem Patienten während der Erkrankung und Therapie körperliche Schonung und Ruhe angeraten wurde.

Seither vollzieht sich allerdings ein Paradigmenwechsel, der durch eine stetig wachsende Anzahl an (Interventions-) Studien befördert wurde, die immer mehr die vielfältigen und positiven Vorteile von körperlicher Aktivität nachweisen und sämtliche Bewegungsmaßnahmen von Alltagsaktivitäten, gezielten Trainingsprogrammen sowie physischen Entspannungsverfahren mit einschließen. Inzwischen gilt körperliche Aktivität als nicht-pharmakologische Präventions- und Interventionsmaßnahme als ein sicherer und empfehlenswerter Weg zur Bewältigung multifaktorieller Nebenwirkungen und Beeinträchtigungen.

Wirkungsspektrum der Bewegung

Sport und Bewegung als supportive Maßnahme medizinischer Therapie besitzt ein breites Spektrum an positiven Auswirkungen auf das physische, psychische und soziale Wohlbefinden und lässt sich entlang des gesamten Krankheitskontinuums - von der Prävention und Akutphase, über die Rehabilitation und Nachsorge bis hin zu Palliation und Überleben - einsetzen. Die Bandbreite krankheits- und therapieassoziierter Nebenwirkungen kann dabei nicht nur während der akuten Phase der medizinischen Therapie auftreten, sondern darüber hinaus längerfristig bestehen bleiben oder in Form von Spätfolgen auch erst lange nach Ende der Therapie auftreten. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass bewegungstherapeutische Maßnahmen als integrativer und kontinuierlicher Bestandteil in allen Abschnitten des Kontinuums befolgt und beibehalten werden [1].

Die Diagnosestellung bietet sich als geeigneter Zeitpunkt an, um Patienten langfristig an Bewegung zu binden, da die Diagnose einen sogenannten „lehrreichen Moment“ darstellt, der sie empfänglich für Empfehlungen seitens des Onkologen macht [2]. Ärzte/Onkologen haben einen bedeutenden Einfluss auf eine Erhöhung des Aktivitätsniveaus und spielen damit eine entscheidende Rolle in der Patientenmotivation zur Befolgung von Bewegungsinterventionen. Die frühzeitige Bindung an körperliche Aktivität verhilft dem Patienten nicht nur zu einer proaktiven Krankheitsbewältigung, sondern unterstützt von Beginn an bei der Hinführung zu einem aktiveren Lebensstil. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, da es dank verbesserter Therapien und des medizinischen Fortschritts immer mehr Krebsüberlebende („Cancer Survivors“) gibt, die aber von Spätfolgen und komorbiden Erkrankungen betroffen sein können und von den Auswirkungen regelmäßiger Bewegung stark profitieren können [3,4].

Als Präventionsmaßnahme kann ein erhöhtes Aktivitätsniveau das Risiko, an bestimmten Krebsformen zu erkranken, minimieren. Derartige kanzeroprotektive Effekte konnten jüngst für sieben verschiedene Krebsarten aufgezeigt werden, darunter Brust-, Darm-, Endometrium-, Nieren-, Blasen-, Speiseröhren- und Magenkrebs [5,6]. Zugleich könnte ein erhöhtes Bewegungslevel mit einer geringeren krebsspezifischen- als auch Gesamtmortalität in Verbindung gebracht werden. Dies gilt gleichermaßen für prädiagnostische als auch postdiagnostische Bewegungssteigerung, wobei Hinweise vorliegen, die der postdiagnostischen Steigerung einen stärkeren Effekt zuschreiben. Bislang liegen hierzu erste Daten für Brust-, Darm- und Prostatakrebs vor, die jedoch in erster Linie aus Kohortenstudien gewonnen wurden [5,7].

Foto: Jenny Sturm - stock.adobe.com

Mithilfe körperlicher Aktivität, insbesondere gezielter Bewegungsprogramme, lässt sich eine Vielzahl krebs- und therapiebedingter Nebenwirkungen wirksam verhindern bzw. abmildern und damit das allgemeine Wohlbefinden der Patienten steigern. Zudem verdichten sich die Hinweise, dass sich im Zuge dessen auch die Verträglichkeit der medizinischen Therapie erhöhen kann [8]. Zu den physischen Symptomen und Komorbiditäten, die günstig beeinflusst werden können, gehören die Verbesserung und der Erhalt von körperlicher Leistungsfähigkeit, Schmerzreduktion, Vermeidung von Gewichtszunahme und Muskelverlust, Verbesserung der Knochengesundheit, Kardiotoxizität und Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie (CIPN) sowie auch eine Gleichgewichtsverbesserung und, damit zusammenhängend, eine reduzierte Sturzgefahr.

Neben den körperlichen Symptomen werden auch psychische Belastungen durch Aktivität positiv beeinflusst, darunter abnehmende Angst- und Depressionszustände sowie eine verbesserte Körperwahrnehmung und Selbstwirksamkeit [8]. Zu der häufigsten und gravierendsten Einschränkung einer Krebserkrankung zählt die multidimensionale Fatigue-Symptomatik, deren Belastungsspektrum sich am wirksamsten durch Bewegung während und nach Ende der medizinischen Therapie bekämpfen lässt [9].

Im kürzlich veröffentlichten Statement des American College of Sports Medicine, eine der bedeutendsten sportmedizinischen Organisationen, nimmt das Expertengremium eine Einordnung für die mit der Erkrankung und Therapie im Zusammenhang stehenden Nebenwirkungen und Beeinträchtigungen nach Evidenzgraden und spezifischen Bewegungsempfehlungen vor. Körperliche Aktivität hat bei Angstzuständen, depressiven Symptomen, Fatigue, körperlicher Leistungsfähigkeit, Lymphödem und Lebensqualität mit hoher klinischer Relevanz, also mit einem starken Evidenzgrad, einen therapeutischen Nutzen für Krebsbetroffene.

Für weitere Nebenwirkungen, darunter Schlaf, Knochendichte, Übelkeit und Schmerzen, liegen bereits Hinweise für einen gesundheitlichen Vorteil der Bewegungstherapie vor, allerdings werden hierfür aufgrund der mittleren bis schwachen Evidenzgrade keine konkreten Übungsempfehlungen benannt [8]. Die positiven gesundheitlichen Veränderungen, die mithilfe von Bewegung und Training erreicht werden können, sind zudem mit dem wichtigen Gefühl verbunden, selbst einen Beitrag zur eigenen Genesung beitragen zu können und fördern eine aktivere Krankheitsbewältigung, bei der die individuellen Bewältigungsstrategien und -ressourcen besser abgerufen werden können. Dies kann sich in der Folge positiv auf die Lebensqualität auswirken und dazu beitragen, dass sich Patienten weniger aus ihrem sozialen Umfeld zurückziehen [10].

Bewegungsempfehlungen bei Krebs

Im Rahmen onkologischer Erkrankungen gilt es primär, regelmäßig körperlich aktiv zu sein, das Aktivitätsniveau während der medizinischen Therapie weitgehend aufrechtzuerhalten und nach abgeschlossener Behandlung möglichst zu steigern, um den möglichen Einbußen physischer, psychischer, psychosozialer und kognitiver Funktionsfähigkeiten effektiv entgegenzuwirken. Hierbei zählt jede Art von Bewegung, die sich von der Verrichtung von Berufs- und Alltagsaktivitäten über körperliche Entspannungsverfahren wie Yoga, Tai-Chi, Qi-Gong bis hin zu gezielten Trainingsprogrammen mit Kraft-/ Ausdaueraktivitäten erstrecken kann [4,5,8].

Bei Trainings- und Belastungsmodalitäten wird zumeist eine Kombination aus Ausdauer- und Kraftübungen befürwortet. Das aerobe Training sollte mit mittlerer Intensität mindestens dreimal pro Woche für mindestens 30 Minuten ausgeübt werden und sich über einen Mindestzeitraum von 8 bis 12 Wochen erstrecken. Das Ausdauertraining wird um Kraftübungen relevanter Muskelgruppen ergänzt in Kombination mit Dehn- und Flexibilitätsübungen. Der Trainingsumfang beläuft sich hierbei auf mindestens zwei Einheiten pro Woche und sollte mindestens zwei Sätze mit 8 bis 15 Wiederholungen umfassen [8]. Immer mehr Anklang finden neben den klassischen Modalitäten wie Ausdauer- und Krafttraining alternative Bewegungsinterventionen im onkologischen Setting, darunter vor allem Yoga. Der Fokus im Yoga liegt auf der Verbindung verschiedener Körperhaltungen, Atemtechniken und Meditation und stellt eine vergleichsweise sanfte Bewegungsform dar, die gleichermaßen positive gesundheitliche Auswirkungen haben kann. Insbesondere, wenn die körperliche Leistungsfähigkeit es zu manchen Zeitpunkten im Krankheits- und Therapieverlauf nicht zulässt oder die persönlichen Präferenzen körperlicher Aktivität nicht auf Ausdauer und Kraft ausgerichtet sind, stellen Yoga-Einheiten eine sichere Alternative dar. Um den Nutzen gesundheitsbezogener Effekte zu maximieren, scheint eine Trias aus aeroben Aktivitäten, Krafteinheiten und Yoga als empfehlenswert [8,11,12].

Vor Beginn einer Bewegungsintervention sollte stets eine Überprüfung der körperlichen Fitness unter Ausschluss möglicher Kontraindikationen (wie z.B. Fieber, Schmerzen, Schwindel und Übelkeit) und Berücksichtigung der Tumorart, Behandlungsphase und -art sowie potentiell auftretender Nebenwirkungen und Beeinträchtigungen erfolgen. Darüber hinaus können individuell ausgerichtete Trainingsprogramme, die sich sowohl an den Ressourcen, Voraussetzungen und Präferenzen der Patienten orientieren als auch unter professioneller Aufsicht angeleitet werden, die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie eingehalten werden. Im Vergleich zu unbeaufsichtigten und/ oder häuslichen Bewegungsprogrammen liegen Hinweise auf eine höhere Wirksamkeit und Einhaltung onkologischer Trainingsprogramme vor, die unter Anleitung und Überwachung von fachlich versierten Trainern durchgeführt werden [4,8,13].

Grundsätzlich können onkologische Patienten einen hohen Nutzen aus speziellen supportiven Bewegungsprogrammen ziehen. In der Praxis wird jedoch davon ausgegangen, dass nur mehr als die Hälfte der Krebspatienten im Verlauf ihrer Erkrankung körperlich aktiv sind. Vielmehr wird das Aktivitätsniveau bei einer onkologischen Erkrankung reduziert. Durch die ohnehin aus der Krankheit resultierende verminderte körperliche Leistungsfähigkeit in Kombination mit einer verhaltensbedingten Beschränkung der Aktivität können sich die Nebenwirkungen und Beeinträchtigungen sowohl auf somatischer als auch auf psychischer Ebene zusätzlich verstärken, sodass eine Art Teufelskreis der Inaktivität entstehen kann. Umso bedeutender sind eine aktive Aufklärung, Empfehlung und Verordnung vor allem für bedarfsangepasste bewegungstherapeutische Programme durch behandelnde Ärzte und Onkologen, die eine zentrale Rolle einnehmen, um potentielle persönliche Barrieren abzubauen und Patienten für mehr Bewegung und Sport zu motivieren [4].

Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie (OTT)

Um eine bestmögliche, individuelle, standardisierte und professionelle bewegungsorientierte Versorgung onkologischer Patienten begleitend zu allen Phasen der Erkrankung, aber auch im Sinne der Prävention und Nachsorge zu gewährleisten, sind spezielle Programme erforderlich, die bislang in Deutschland noch nicht flächendeckend vorhanden sind. Die Diskrepanz zwischen dieser Versorgungslücke auf der einen Seite und den wachsenden Erkenntnissen der positiven Effekte von Bewegung auf der anderen Seite appelliert an eine Reform der Versorgungsstrukturen, um Bewegungstherapie als festen Bestandteil der Versorgung zu etablieren und allen Krebspatienten ein individuelles und wohnortnahes Bewegungstraining zu ermöglichen. Ein Ansatz, der dieses Ziel verfolgt, ist das vom Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) initiierte Versorgungsmodell „Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie“ (OTT), das unter enger Zusammenarbeit von Sportwissenschaftlern und Medizinern seit 2012 entwickelt wird.

Foto: RioPatuca Images - stock.adobe.com

Dabei handelt es sich um ein unter professioneller Anleitung erfolgendes personalisiertes Bewegungstherapieprogramm, das individuell an den Ressourcen und Präferenzen onkologischer Patienten ausgerichtet ist und dabei die jeweilige Krebsform sowie auftretende Nebenwirkungen berücksichtigt. Vor Beginn einer Trainingsmaßnahme werden eventuelle Kontraindikationen und Komorbiditäten medizinisch abgeklärt, um gesundheitliche Beeinträchtigungen und Gefahren auszuschließen. Das Bewegungsprogramm wird nach der Krebsdiagnose zeitnah, begleitend zur medizinischen Therapie, aufgenommen und wird währenddessen stets auf die individuelle Situation abgestimmt. Um potentiellen Folgen der Therapie und Erkrankung präventiv entgegenzuwirken, wird das Programm zum Teil bereits vor Beginn der medizinischen Therapie begonnen, um Patienten bereits vorab physisch zu befähigen. Die Trainingsinhalte basieren auf einer Kraft-Ausdauer-Kombination, die je nach Nebenwirkungsprofil durch weitere Inhalte, darunter Vibrations- und Gleichgewichtstraining, ergänzt werden. Das Projekt dient der Versorgung onkologischer Patienten mit bewegungstherapeutischen Interventionen unter qualitativen Gesichtspunkten.

OTT-Fortbildungsakademie

Für einen flächendeckenden Ausbau der Versorgungsstrukturen und einem erweiterten Angebot in onkologischen Versorgungszentren werden hierfür zudem in der 2015 gegründeten OTT-Akademie Physio- und Sporttherapeuten speziell für die OTT fortgebildet [14,15]. Interessierte Physio- und Sporttherapeuten können sich auf der Website der Uniklinik Köln informieren:

https://cio.uk-koeln.de/leben-mit-krebs/bewegung/ott-fortbildung/

Foto: Racle Fotodesign - stock.adobe.com

Fazit

Sport und körperliche Aktivität, insbesondere gezielte Bewegungsprogramme, bieten als supportive und nicht-medikamentöse Intervention eine empfehlenswerte und sichere Maßnahme, die für onkologische Patienten zahlreiche gesundheitliche Vorteile bewirkt. Der Einfluss der Bewegung reicht von der Reduzierung von Risiken (Krebs-, Mortalitäts- und Rezidivrisiko) und potentieller therapie- und/oder krankheitsbedingter somatischer und psychischer Nebenwirkungen bis hin zu einer Steigerung des Wohlbefindens und der Lebensqualität. Durch die Teilnahme an Bewegungsprogrammen während und nach der Therapie können Betroffene proaktiv zum Krankheitsverlauf und zur Genesung beitragen.

Evidenzbasierte Versorgungskonzepte wie die OTT und MYAIRBAG sollten standardmäßig angeboten werden, um in (naher) Zukunft allen Krebspatienten einen flächendeckenden Zugang zu spezifischen Bewegungsinterventionen zu ermöglichen.

Autor: PD Dr. Freerk T. Baumann, Leiter AG Onkologische Bewegungsmedizin
E-Mail: freerk.baumann@uk-koeln.de

Autorin: Elisa Zavatta, M.A. Prävention, Sporttherapie und Gesundheitsmanagement
E-Mail: elisa.zavatta@yahoo.de

Centrum für Integrierte Onkologie Aachen Bonn Köln Düsseldorf
Uniklinik Köln Innere Medizin 1, Universität zu Köln
Kerpenerstraße 62, 50937 Köln

Literatur
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Demark-Wahnefried W, Aziz NM, Rowland JH, Pinto BM (2005). Riding the crest of the teachable moment: Promoting long- term health after the diagnosis of cancer. Journal of Clinical Oncology, 23 (24): 5814–5830.
Kimmel GT, Haas BK, Hermanns M (2014). The Role of Exercise in Cancer Treatment: Bridging the Gap. Curr Sports Med Rep, 13 (4): 246-52.
Schmitz KH, Campbell AM, Stuiver MM et al. (2019). Exercise Is Medicine in Oncology: Engaging Clinicians to Help Patients Move Through Cancer. CA-A Cancer Journal for Clinicians, 69 (6): 468-484.
Patel AV, Friedenreich CM, Moore SC et al. (2019). American College of Sports Medicine Roundtable Report on Physical Activity, Sedentary Behavior, and Cancer Prevention and Control. Med Sci Sports Exerc, 51 (11): 2391-2402.
Physical Activity Guidelines Advisory Committee. Physical Activity Guidelines Advisory Committee Scientific Report (2018), [online]. Verfügbar unter: https://health.gov/paguidelines/second-edition/report/pdf/PAG_Advisory_Committee_Report.pdf [Zugriff am: 31.01.2020].
Cormie P, Zopf EM, Zhang X et al. (2017). The Impact of Exercise on Cancer Mortality, Recurrence, and Treatment-Related Adverse Effects. Epidemiol Rev 2017; 39: 71 – 92.
Mustian KM, Alfano CM, Heckler C et al. (2017). Comparison of Pharmaceutical, Psychological, and Exercise Treatments for Cancer-Related Fatigue A Meta-analysis. JAMA Oncol, 3 (7): 961–968.
Reuss-Borst MA (2014). Sport bei Krebs: Rezidivprophylaxe durch körperliche Aktivität. GMS Onkol Rehabil Sozialmed, 3: Doc07.
Rock CL, Doyle C, Demark-Wahnefried W et al. (2012). Nutrition and Physical Activity Guidelines for Cancer Survivors. CA-A Cancer Journal for Clinicians, 62 (4): 243-274.
Buffart LM, van Uffelen JG, Riphagen II et al. (2012). Physical and psychosocial benefits of yoga in cancer patients and survivors, a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. BMC Cancer, 12 (1): 559.
Wong JN, McAuley E, Trinh L (2018). Physical activity programming and counseling preferences among cancer survivors: a systematic review. Int J Behav Nutr Phys Act. 15 (1): 48.
Baumann FT (2017). Neues aus der onkologischen Trainings- und Bewegungstherapie. Best Practice Onkologie, 12 (3/4): 158-163.
Wirtz P, Tomanek A, Baumann, FT (2019). Bedeutung von Sport und Bewegung für „cancer survivors“. Forum, 34 (1): 35-38.

 

 

KREBS AKTUELL

Welche Viren spielen bei welcher Krebserkrankung eine Rolle?

Foto: peterschreiber.media - stock.adobe.com

Über 15 Prozent aller Krebserkrankungen werden nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO direkt oder indirekt durch infektiöse Erreger verursacht. Elf verschiedene Krankheitserreger – Viren, Bakterien und Würmer – stuft die internationale Krebsforschungsagentur IARC in Lyon als krebserregend ein und schätzt, dass etwa eine von zehn Krebserkrankungen auf das Konto von Viren geht. 640.000 Krebsfälle jährlich werden weltweit allein durch humane Papillomviren (HPV) verursacht.

Mit einer aktuellen Arbeit verschaffte sich nun ein internationales Team von Genomforschern unter der Federführung von Peter Lichter vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) einen genauen Überblick darüber, welche Viren bei welcher Krebsart eine Rolle spielen. Dabei wollten die Forscher auch nach Viren fahnden, die bislang noch nicht mit der Krebsentstehung in Verbindung gebracht wurden oder sogar noch völlig unbekannt waren.

„Die Frage, welche Viren mit Krebs in Verbindung stehen, ist für die Medizin hoch relevant“, erklärt Marc Zapatka vom DKFZ, Erstautor der aktuellen Arbeit. „Denn bei virusbedingten Krebsarten ist echte Prävention möglich: Ist ein krebserregendes Virus identifiziert, so besteht die Chance, mit einer Impfung der Infektion vorzubeugen und damit zu verhindern, dass Krebs entsteht“.

Die aktuelle Arbeit ist Teil des „Pan-Cancer Analysis of Whole Genomes“ (PCAWG). Die in diesem Konsortium zusammengeschlossenen über 1300 Forscher wollen gemeinsam klären, welche Genmutationen bzw. Muster an Erbgutveränderungen über mehrere Tumorarten hinweg eine Rolle spielen. Für diese Meta-Analyse unterzogen sie die Sequenzdaten von mehr als 2600 Tumorgenomen von 38 verschiedenen Krebsarten einer umfassenden bioinformatischen Untersuchung.

Insgesamt entdeckte das DFKZ-Team bei 356 Krebspatienten die Spuren von 23 verschiedenen Virusarten. Darunter waren erwartungsgemäß die bekannten viralen Treiber von Krebsentstehung und Krebswachstum am häufigsten vertreten: In 5,5 Prozent der untersuchten Krebsgenome fand sich das Erbgut von Epstein-Barr Viren (EBV), die als Verursacher zahlreicher Krebsarten, insbesondere Lymphomen sowie Krebserkrankungen des Magens und des Nasen-Rachenraums, bekannt sind. Hepatitis B Virus-DNA wurden bei 62 der insgesamt 330 Fälle von Leberkrebs gefunden.

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Humane Papillomviren mit HPV 16 als häufigstem Vertreter fanden die Forscher vor allem bei Gebärmutterhalskrebs (bei 19 von 20 untersuchten Krebsfällen) und Hals/Rachen-Tumoren (bei 18 von 57 Fällen).

Marc Zapatka, Ivan Borozan, Daniel S. Brewer, Murat Iskar, Adam Grundhoff, Malik Alawi, Nikita Desai, Holger Sültmann, Holger Moch, PCAWG-Pathogens, Colin S. Cooper, Roland Eils, Vincent Ferretti, Peter Lichter, PCAWG Consortium: The landscape of viral associations in human cancers. Nature Genetics 2020, DOI: 10.1038/s41588-019-0558-9

 

 

KREBS UND SELBSTHILFE

Wenn aus persönlicher Betroffenheit eine aktive Selbsthilfegruppe wird

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In vielen Städten und Regionen gibt es Selbsthilfegruppen für Krebspatienten und deren Angehörige. Auch unsere Medien werden von immer mehr Selbsthilfegruppen bestellt und abonniert. In dieser Ausgabe beschreibt Karl Dahm wie er aus persönlicher Betroffenheit eine Prostata-Selbsthilfegruppe gründet, die nicht nur Hilfe und Unterstützung gibt, sondern echte Aufklärungsarbeit leistet.

Seit dem Jahre 1987 habe ich eine jährliche Vorsorge-Untersuchung für Prostatakrebs genutzt. Bei einer Untersuchung 1999 gab es einen positiven Tastbefund an der Prostata.

Das Tastergebnis fiel sehr gering aus, so dass wir beschlossen, drei Monate lang zu warten. Eine Biopsie nach drei Monaten ergab einen klaren Befund, eine radikale Entfernung der Prostata im Februar 2000 war die Folge.

In der anschließenden Reha in Bad Nauheim stellte ich fest, dass es mir sehr half, mit anderen über die Erkrankung zu reden. Ich bekam meine Psyche besser in den Griff. Wieder zu Hause suchte ich eine Selbsthilfegruppe in Gelsenkirchen. Aber es gab keine. Nach längerer Recherche und Gesprächen mit Urologen gründete ich am 29. April 2003 die Prostata SHG Gelsenkirchen & Buer e.V.

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Männer im Tal der Ahnungslosen

Ich fand schnell heraus, dass wir für die Prostatakrebs-Erkrankten einiges machen und auch effektiv helfen können. Aber die meisten Männer waren „im Tal der Ahnungslosen“, sie brauchten Hilfe und Infos. Im Chefarzt der urologischen Klinik Bergmannsheil Buer, PD Dr. med. Stephan Miller, habe ich einen gleichgesinnten Partner gefunden, mit dem ich in Gelsenkirchen und Umgebung Vorträge unter dem Titel „Für Früherkennung – gegen Prostatakrebs“ hielt. Ich habe dann die “Initiative Früherkennung Prostatakrebs“ ins Leben gerufen.

Es folgten Vorträge in allen möglichen Vereinen wie Männerchören und Sportvereinen (darunter auch dem Golfclub von Schalke 04), in Ortsgruppen der Gewerkschaft, im Polizeipräsidium Gelsenkirchen, in der VHS Gelsenkirchen und für alle Mitarbeiter der Stadt Gelsenkirchen. Es folgten Schrebergärtner, kirchliche Einrichtungen und noch vieles mehr. Von 2005 bis heute haben wir 83 Vorträge zum Thema „Für Früherkennung – gegen Prostatakrebs“ abgeliefert. Weitere Termine für das Jahr 2020 stehen schon fest.

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Unser Vortrag besteht aus Teil 1: Der Umgang mit Eigenverantwortung, Vorsorge und Früherkennung aus der Sicht eines Betroffenen und Teil 2: Prostatakrebs und seine möglichen Behandlungsarten.

Das Wissen um PSA steht im Mittelpunkt der Aufklärungsarbeit

Im Vordergrund steht vor allem das prostata-spezifische Antigen (PSA). Viele Männer werden durch Presseberichte stark verunsichert. Das führt sogar bis zu einer totalen Ablehnung der wichtigen Vorsorgeuntersuchung. Wir gehen näher auf den PSA-Wert ein, in dem wir erklären was das ist: PSA als Organ und Tumormarker, PSA Serumspiegel, Gesamt-PSA (t-PSA), PSA Dichte, PSA-Anstiegsgeschwindikeit und alle weiteren Notwendigkeiten. Wir meinen: PSA ist nicht nur ein beliebiger Blutwert. PSA ist schon deshalb ein Thema, weil ich viele Männer mit PSA Werten kennengelernt habe, die für mich unglaublich klangen, 800-2000-5000 ng/ml, von Metastasen gar nicht zu reden. Diese Männer weilen leider nicht mehr unter uns. Über unsere Homepage, www.prostata-gelsenkirchen de. bieten wir solide und seriöse Aufklärung an, bei wöchentlicher Aktualisierung.

Vorträge führen zu mehr Wissen und zu mehr Vorsorge

Die Zahl der Sterbefälle pro Jahr von ca. 13.000 Männern schockt mich nach wie vor, weil viele dieser Männer einfach zu spät einen Urologen aufgesucht haben.

Fakt ist: Ein frühzeitig erkannter und behandelteter Prostatakrebs ist heilbar.

Am Ende unserer Vorträge sind die Zuhörer leicht irritiert und erstaunt: „Ihre Aussage … - so haben wir das noch nie erklärt bekommen. Ich mache umgehend einen Termin beim Urologen.“ Sollte diese Äußerung in die Tat umgesetzt werden, haben wir unser Ziel erreicht.

Seit zwei Jahren werden wir durch Fußball-Weltmeister Olaf Thon bei unseren Aktivitäten unterstützt. Olaf Thon ist nicht betroffen, findet aber unsere Aufklärungsarbeit und seine Notwendigkeit großartig! Durch unsere Vorträge gibt es immer wieder neue Mitglieder für unseren Verein!

Mein persönliches Motto lautet: Nicht Labern, machen!

Autor: Karl Dahm, Vorsitzender der Prostata Selbsthilfegruppe Gelsenkirchen & Buer e.V.
Die Gruppe ist im Internet hier erreichbar: www.prostata-gelsenkirchen.de

 

 

EANU GESUNDHEITSTIPP

Gesundheits-Apps

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Es gibt immer mehr Gesundheits-Apps für die Smartphones – und immer mehr Menschen setzen diese auch ein. Inzwischen sollen es zwei von drei Smartphone-Besitzer sein, die derartige Apps einsetzen. Doch was ist sinnvoll, was weniger und was ist kompletter Unfug? Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) hat eine Checkliste vorgestellt, die auch vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) empfohlen wird. Mit dem Gesetz zur “Digitalen Versorgung“, das Ende 2019 in Kraft getreten ist, regelt der Gesetzgeber die ärztliche Verordnung von medizinischen Apps. Infrage kommen nur Apps, die als Medizinprodukt zugelassen sind!

Die Checkliste können Sie hier einsehen:
https://www.aps-ev.de/app-checkliste

Bitte achten Sie beim Einsatz von Apps auf bestimmte Kriterien und hinterfragen Sie kritisch. Die Checkliste gibt Ihnen sehr gute Anhaltspunkte und ist ein wertvoller Leitfaden!

 

 

EANU PINNWAND

Unsere EANU-Pinnwände hängen inzwischen in Büros, an Kühlschränken, Küchentüren oder sind in Ordnern abgelegt. Unsere kleinen Tipps kommen gut an, was auch die Zugriffszahlen auf unserer Homepage zeigen.

In dieser Ausgabe geben wir Ihnen Tipps für Ihr Immunsystem. Es ist Frühling – und da gibt es für Ihre Gesundheit jede Menge zu tun. Was Sie tun können, ist natürlich abhängig von Ihrem Gesundheitszustand. Und manchmal ist auch ein „bisschen“ schon viel für unsere Gesundheit. Vor allem wünschen wir Ihnen Licht, Bewegung und Entspannung. Diese wichtigen Säulen kennen Sie aber schon aus unserem Magazin und vielleicht auch aus unserem digitalen Newsletter.

Wichtig für Sie: Auf unserer Homepage stellen wir mehrmals in der Woche aktuelle News ein. Sie finden diese auch bei Facebook und Twitter. Unser digitaler Newsletter erscheint einmal im Monat. Auch diesen können Sie kostenlos abonnieren. Gehen Sie dazu einfach auf unsere Homepage.

EANU-Linktipp:
Mehr Informationen zum Thema Krebs, Krebsvorsorge und Ernährung finden Sie auf unserer Homepage www.eanu.de

Tschüß Winter! Freuen wir uns auf Licht, Bewegung und frische Luft

  1. Bringen Sie Frisches auf den Teller!
    Dies gilt natürlich für das ganze Jahr, aber im Frühjahr machen frische Blattsalate, Spinat, Frühlingszwiebeln oder Lauch besonders viel Spaß. Wichtig für den Kampf gegen die Frühjahrsmüdigkeit: Bananen, Äpfel und Ananas enthalten Serotonin, das für gute Stimmung sorgen kann! Deutsche sind damit unterversorgt!
  2. Tanken Sie Sonne!
    Nach der langen Winterpause braucht unser Körper jetzt Vitamin D. Wir benötigen es für das Immunsystem und für die Knochen. Vitamin D produziert unser Körper selbst, nach dem Winter dürfte das Depot leer sein. Tanken Sie 15 Minuten Sonne täglich bei unbedeckter Haut. Und lassen Sie Ihren Vitamin D-Wert dennoch vom Hausarzt überprüfen, denn viele Deutsche sind damit unterversorgt!
  3. Lüften Sie gut durch!
    Auch in Ihrer Wohnung sollten Sie die frische Luft einatmen können. Drei bis vier Mal am Tag empfiehlt das Robert Koch-Institut mindestens 10 Minuten Frischluftzufuhr in Innenräumen! Die Feuchtigkeit tut übrigens auch Ihrer Nasenschleimhaut gut!
  4. Sport und Bewegung
    Regelmäßige Bewegung ist sowohl bei Krebs als auch zur Vorsorge wichtig. Machen Sie nicht zu viel und machen Sie sich vor allem keinen Stress. Die richtige Dosis stimmen Sie als Krebspatient bitte mit Ihrem Arzt ab. Mehrmals die Woche 30 Minuten Bewegung ist schon mal eine gute Formel!
  5. Checken Sie Ihren Blutdruck
    Im Wechseln vom Winter zum Frühling klagen vor allem Menschen mit einem niedrigen Blutdruck über Müdigkeit, aber auch wetterfühlige und ältere Menschen. Durch die höheren Temperaturen weiten sich die Gefäße und der Blutdruck fällt ab. Regelmäßig den Blutdruck checken lassen!
  6. Entspannen Sie sich!
    Ob Yoga, Malen, Musik machen, ein Buch lesen oder Achtsamkeitsübungen: Angst um Krebs, Therapien und Medikamente können das Immunsystem durch Stress schwächen. Sorgen Sie für einen guten Ausgleich, in dem Sie sich regelmäßig eine Auszeit nehmen und sich entspannen.

 

 

ZITIAT

Manchmal sind deine Ziele in weite Ferne gerückt und man muss sich neu orientieren. Doch sie sind da!

 

 

AKTUELLES AUS MEDIZIN UND FORSCHUNG

Künstliche Intelligenz: Bis zu zehn Prozent mehr Darmkrebs-Vorstufen entdeckt

Foto: © Universitätsklinikum Freiburg

Um bei einer Darmspiegelung noch mehr und kleinere Krebsvorstufen sicher zu entdecken, setzen Endoskopie-Expert*innen des Universitätsklinikums Freiburg jetzt auf Künstliche Intelligenz (KI). Das System analysiert während der Darmspiegelung, auch Koloskopie genannt, die Live-Videobilder und markiert verdächtige Stellen auf dem Monitor mit einem grünen Rechteck. Studien zeigen, dass Ärzt*innen damit etwa zehn Prozent mehr Krebsvorstufen finden als ohne KI-Unterstützung. Seit Jahresbeginn werden am Universitätsklinikum Freiburg alle Vorsorgekoloskopien mit Hilfe des neuen Systems durchgeführt. Mehr als 50 Personen wurden so bereits erfolgreich untersucht. Damit ist Freiburg das erste Universitätsklinikum in Deutschland, das die neue Technik regulär einsetzt.

„Mit Unterstützung der Künstlichen Intelligenz können wir unseren Patient*innen noch größere Sicherheit bei der Darmkrebsvorsorge bieten“, sagt PD Dr. Arthur Schmidt, Leiter der Interdisziplinären Endoskopie an der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Freiburg. Das System kann auch sehr erfahrenen Mediziner*innen helfen, auffällige Gewebestrukturen sicherer zu erkennen. „Damit können wir insbesondere sehr kleine Vorstufen noch sicherer entdecken und entfernen“, so Schmidt.

Das System wurde anhand mehrerer tausend Aufnahmen verdächtiger Krebsvorstufen mit dem sogenannten Deep-Learning-Verfahren trainiert. Dabei entwickelte die Software eigene Suchmuster, mit denen die Erfolgsquote für das Erkennen dieser Gewebe besonders hoch war. Da die optischen Markierungen unmittelbar währen der Untersuchung in das Koloskopie-Bild eingeblendet werden, ist keine Einarbeitungszeit für die Ärzt*innen nötig.

 

 

KREBS UND HYPNOSE

Hypnose zur Unterstützung in der Krebstherapie

Eine Strahlentherapie ist zunächst mit Geräten und Technik verbunden. So sinnvoll die Maßnahme auch ist, so groß können dennoch die Ängste der Patienten sein. Unsere Autorin Anette Kirstein bietet an einem großen Klinikum die sogenannte SOL-Hypnose an. Für den Klinikalltag hat sie diese verfeinert und wurde dafür mit einem nationalen Preis ausgezeichnet.

Eigentlich sollte die Überschrift „Hypnose in der Strahlentherapie“ heißen, aber das trifft nicht den Kern der Sache, denn Hypnose ist nicht nur hier in der Strahlentherapie anwendbar. In meiner über 30-jährigen Tätigkeit mit Patienten, die an Krebs erkrankt sind, war ich immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich sich die Krankheitsverläufe gestalteten. Mein Gefühl sagte mir, dass nicht immer der technische Fortschritt bei Operationen und der Strahlentherapie oder die Art der Chemotherapie für den Gesundungsprozess entscheidend sind. Oft waren es Menschen mit einem unglaublich starken Lebenswillen, die mir zeigten, das Prognosen nicht immer zutreffen müssen.

Große Gemeinsamkeit der Krebs-Patienten: Das Leben wird auf den Kopf gestellt

Menschen in solchen Lebenssituationen haben eines gemeinsam: Sie werden meist überraschend mit einer Diagnose konfrontiert, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellt. Dabei spielen unterschiedliche Ängste eine Rolle, Angst vor dem Leben, Angst vor dem Tod, Angst um die Familie, den Job, den finanziellen Ruin, aber auch Angst vor der Behandlung oder den Nebenwirkungen.

Sorgen und Nöte der Betroffenen stehen nicht direkt mit der Erkrankung im Zusammenhang, können aber sehr belastend sein

Die Familien sollen geschützt werden oder finanzielle Sorgen, berufliche Perspektiven u.v.m. beschäftigen die Patienten. In dieser Situation sollen sie zusammen mit den Ärzt*innen Entscheidungen treffen, die ihr zukünftiges Leben stark beeinflussen. Emotional sind die Patienten oft gar nicht in der Lage. Da ist es einfach, sich dem Vorschlag der Ärzt*innen zu fügen und die Therapien irgendwie durchzustehen. Die Patienten delegieren die Eigenverantwortung an die Ärzt*innen. Das hat immense Auswirkungen auf den Verlauf der Erkrankungen.

Wenn ich selbst das Ruder des Lebens nicht in der Hand halte, treibt mein Boot ziellos dahin

Statt die Selbstheilungskräfte zu aktivieren, verfallen manche Patient*innen in eine Art Lethargie und erdulden alles. Wenn sie beispielsweise nach ihrer Lebenserwartung fragen und die Prognose des/der Mediziner*in erhalten, wird diese oftmals einfach angenommen – vor allem vom Unterbewusstsein. Das heißt, wenn unser Unterbewusstsein der Meinung ist, wir hätten noch eine bestimmte Lebenserwartung von Monaten oder Jahren, halten wir uns auch daran. Patienten, die sich in solchen Situationen befinden brauchen viel Zuspruch, menschliche Wärme und Verständnis. Dafür ist in unseren Krankenhäusern und spezialisierten Gesundheitseinrichtungen oftmals nicht ausreichend Zeit. Wir als Strahlentherapieabteilung legen sehr viel Wert auf einen Umgang mit den Patienten auf Augenhöhe und versuchen durch viel Reden und Zuhören, diese Menschen möglichst empathisch ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten.

Patienten haben Ängste vor der Bestrahlung

Bei der Behandlung können immer wieder Ängste auftauchen. Ob es die Angst vor der Maske ist, oder die Angst während der Bestrahlung Husten zu müssen, oder die Angst vor Schmerzen oder Luftnot. All diese Erlebnisse haben mich dazu veranlasst einen Weg zu suchen, noch mehr für meine Patienten tun zu können. Deshalb recherchierte ich im Internet und stieß auf die SOL-Hypnose. Meine damalige Intention war es, Patienten für den Zeitraum der Bestrahlung hypnotisieren zu können.

Letztendlich entwickelte ich zusammen mit den Begründern der SOL („Spirit of light“)-Hypnose Brigitte Papenfuß und Ralf Mooren die direktive SOL-Hypnose, die nur ein einziges Mal vor Beginn der Strahlentherapie gegeben wird und allumfassend wirkt. Das heißt, egal wie oft ein*e Patient*in bestrahlt wird, die Hypnose funktioniert bei jeder Bestrahlung. Und das ein Leben lang, egal in welcher Strahlentherapie die Behandlung stattfindet. Die Patienten sind während der Bestrahlung nicht in Trance, gelangen aber während der Bestrahlung an ihren energetischen Platz – das heißt an einen nicht realen Ort, an dem sie sich vollkommen geliebt und angenommen fühlen – und erfahren dort Heilung an Körper, Geist und Seele.

Ein ganzheitlicher Behandlungsansatz

Dieser ganzheitliche Behandlungsansatz, der auch Geist und Seele mit einschließt, hilft den Menschen, mehr in ihrer Mitte zu sein, Lebensfreude und Energie zu verspüren und wieder aktiv ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Wenn die Menschen spüren, dass sie selbst etwas bewirken können, und sie die Selbstheilungskräfte aktivieren können, dann sind solche Veränderungen möglich.

Um dem Klinikalltag gerecht zu werden, war es notwendig, eine Kurzform der Hypnose zu entwickelt, die trotz allem sehr effektiv ist, und die ich seit über zwei Jahren erfolgreich anwende. Mit dieser begleitenden Therapie konnten erstaunliche Veränderungen bei den Patienten erzielt werden. Das betrifft nicht nur die Strahlentherapie allein, sondern auch Schmerzen, Schlafstörungen, Verträglichkeit der Chemotherapie u.v.m. Eine solche Hypnosesitzung sollte vor Beginn der Strahlentherapie erfolgen. Das Vorgespräch findet stets in einer entspannten und stressfreien Atmosphäre statt. Es ist wichtig, dass sich der/die Patient*in angenommen fühlt und von sich aus erzählen darf.

Ohne Vertrauen gelangt niemand in Trance

Ich versuche in diesem ein bis zwei stündigen Gespräch, den Ablauf der Hypnosesitzung zu erklären und alle Fragen zu beantworten. Im Wesentlichen bin ich aber Zuhörerin, egal über was wir reden. Ohne Vertrauen wird niemand in die Trance gelangen. Für diese Art der Hypnose ist eine leichte Trance jedoch schon ausreichend. Die eigentliche Hypnose dauert dann nur 20 Minuten.

Mein Wunsch ist es, jedem Menschen eine solche Behandlung zu ermöglichen und diese ganzheitliche Behandlung von Körper, Geist und Seele, nicht nur in der Strahlentherapie, sondern auch in anderen Bereichen der Medizin, etablieren zu können.

Autorin: Anette Kirstein, Leitende medizinisch-technische Radiologieassistentin am Medizinischen Versorgungszentrum Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin. Für den Einsatz der Hypnose wurde sie im vergangen Jahr mit dem MTRA-Innovationspreis der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie ausgezeichnet.

 

 

AKTUELLES AUS MEDIZIN UND FORSCHUNG

Krebs und Zahngesundheit

Was wird gezahlt?

Wenn die Strahlen- und Chemotherapie zu Karies, Zahnfleischerkrankungen und anderen Problemen führt, dann kann dies für Patienten zu finanziellen Problemen führen.

Krankenkassen übernehmen die Kosten auch dann nicht vollständig, wenn sie eine direkte Folge der Therapie sind. Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums erklärt, dass auch Krebspatienten einen Heil- und Kostenplan bei der Kasse einreichen müssen.

Ein 50-prozentiger Zuschuss ist die Regelversorgung. Ist das Bonusheft in den letzten fünf Jahren komplett ausgefüllt, kann es einen weiteren Zuschuss in Höhe von 20 Prozent geben, sind die letzten zehn Jahre dokumentiert, dann sogar 30 Prozent. Für den restlichen Eigenanteil können Menschen mit einem zu geringen Einkommen eine Härtefallregelung beantragen. Nur in diesem Falle können die Kosten komplett übernommen werden. Der Krebsinformationsdienst betont, dass es hierbei für Krebspatienten keine gesonderten Regelungen gibt.

EANU Tipp: Die unabhängige Patientenberatung www.patientenberatung.de prüft Heil- und Kostenpläne und berät zur Möglichkeit von Krankenkassenzuschüssen.

 

 

AKTUELLES - EANU TIPPS FÜR ANGEHÖRIGE

Heimkosten für Eltern: Neue Regelungen entlasten die Kinder

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Mit dem sogenannten „Angehörigen-Entlastungsgesetz“ gilt für Kinder pflegebedürftiger Eltern ab diesem Jahr ein Freibeitrag von 100.000 Euro beim Jahresbruttogehalt. Damit werden viele Angehörige von den Zuschüssen für das Heim entlastet.

Durchschnittlich etwa 1.900 Euro müssen Pflegebedürftige für einen Heimplatz aus eigener Tasche zuzahlen. Auch die Kosten für die Pflege zu Hause liegen nicht selten über den Summen, die von der Pflegeversicherung erstatttet werden. Summen, die Pflegebedürftige häufig nicht durch Rente oder Vermögen finanzieren konnten. Die Sozialämter sind eingesprungen und versuchten, sich Zuschüsse von den Kindern zu holen.

Ab diesem Jahr ist dies nur noch bei Kindern, die ja häufig schon selbst im mittleren Alter sind, möglich, die ein Jahresbruttoeinkommen von über 100.000 Euro aufweisen. Diese Summe galt bisher schon bei der Alterssozialhilfe, also der Grundsicherung im Alter. Senioren können die Grundsicherung beantragen, ohne Angst zu haben, dass die Kinder mit aufkommen müssen.

Nun hat die Bundesregierung diese Summe auch bei der „Hilfe zur Pflege“ gesetzlich verankert. Sie gilt übrigens auch, wenn ein Kind pflegebedürftig wird und bisher die Eltern mit aufkommen mussten.

Wichtig: Wird beim Sozialamt vor einem geplanten Einzug in ein Pflegeheim Hilfe zur Pflege beantragt, dann muss dieses prüfen, ob dies notwendig ist oder ob eine ambulante Pflege in den eigenen Räumen möglich ist. Die Prüfung der Heimnotwendigkeit durch die Sozialämter gewinnt künftig also an Bedeutung.

Foto: flashpics - stock.adobe.com

EANU Linktipps

Eine Broschüre für Angehörige zur Pflegesituation kann hier heruntergeladen oder bestellt werden: www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/
pflege/details.html?bmg%5Bpubid%5D=2656

Die Deutsche Krebshilfe unterhält einen Härtefonds für Menschen, die durch Krebs unverschuldet in Not geraten sind. Mehr Infos dazu gibt es hier:
www.krebshilfe.de/helfen/rat-hilfe/finanzielle-hilfe-unserhaertefonds

 

 

HILFE BEI KREBS

Für den Notfall sollten Sie an Vollmachten denken!

Zwei wichtige Dokumente sollten in keinem Haushalt fehlen, denn diese Dokumente sind wirklich wichtig: Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Dies betrifft nicht nur Menschen mit einer schweren Krankheit, sondern auch Jüngere sollten diese ausstellen. Schnell kann eine Situation eintreten, in der andere entscheiden müssen. Was bedeuten die Begriffe, was sollte beachtet werden?

Ein Krebspatient hat viel mit Ärzten und Kliniken zu tun. Was passiert, wenn Sie sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr selbst äußern und keine eigenen Entscheidungen mehr treffen können? Für diesen Fall sollten Sie mit der Patientenverfügung Vorsorge leisten. Mit dieser üben Sie Ihr Selbstbestimmungsrecht aus, auch wenn Sie dies zum Zeitpunkt nicht selbst artikulieren können.

Mit der Patientenverfügung ärztliche Maßnahmen regeln

Wichtig: Patientenverfügung bedeutet, sie bestimmen, welche ärztlichen Maßnahmen Sie wünschen oder ablehnen. Für Ärzte ist diese Verfügung bindend. Voraussetzung ist allerdings, sie liegt in der korrekten Form vor! Um sicher zu gehen, sollte man einen Vordruck verwenden, den es auch im Papierfachhandel gibt. Noch sicherer ist eine notarielle Beglaubigung, dazu kommen wir noch. Auch wichtig: Eine Patientenverfügung tritt in Kraft, wenn man selbst nicht mehr einwilligungsfähig ist, der Wille für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation beschrieben wurde und die geplante Maßnahme medizinisch notwendig ist. Noch ein Tipp: Beraten Sie sich beim Verfassen der Patientenverfügung mit Ihrem behandelnden Arzt. Er sollte wissen, für welche Situationen Sie gesundheitliche Maßnahmen regeln sollten.

Ohne Patientenverfügung kann es im Ernstfall schwierig werden!

Was ist eigentlich, wenn Sie keine Patientenverfügung haben? Dann müsste der Arzt mit Ihren Angehörigen sprechen und versuchen, eine Lösung zu finden. Achtung: Ehepartner und Kinder können nur entscheiden, wenn eine Vollmacht vorliegt! Es kann auch passieren, dass der Arzt ein Gericht bemüht, dann könnte ein externer Betreuer eingesetzt werden.

Mit der Vorsorgevollmacht regeln Sie Entscheidungskompetenzen

Gut ist es deshalb, wenn Sie eine Patientenverfügung mit einer sogenannten Vorsorgevollmacht kombinieren. Eine Person Ihres Vertrauens wird von Ihnen eingesetzt, die für den Notfall Vollmacht für Ihre Gesundheit hat. Er oder sie kann damit Entscheidungen treffen, deshalb ist es wichtig, dass Sie dieser Person sehr genau erklären, welche Regelungen Sie getroffen haben möchten. Die Bundesnotarkammer dazu: „Durch eine Vorsorgevollmacht können Sie im Ernstfall die Anordnung einer gesetzlichen Betreuung vermeiden. Denn ein vom Betreuungsgericht eingesetzter Betreuer ist nach dem Willen des Gesetzgebers dann nicht erforderlich, wenn und soweit ein Bevollmächtigter Ihre Angelegenheiten im Ernstfall ebenso gut wie ein Betreuer regeln kann. Damit wird Ihr Recht auf Selbstbestimmung gestärkt. Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie "in gesunden Tagen" die Vertrauensperson selbst auswählen, die bei später eintretender Geschäfts- und/oder Einwilligungsunfähigkeit für Sie entscheidet und handelt. Die Vorsorgevollmacht darf nicht mit einer Betreuungsverfügung oder Patientenverfügung verwechselt werden.“ Ihre Angehörigen sollten eine Kopie der Unterlagen haben, damit sie für den Notfall über einen Nachweis verfügen. Am Sichersten ist eine notarielle Beurkundung und ein Eintrag in das Vorsorgeregister.

Vorsorgevollmacht können Sie individuell regeln

Übrigens: Sie können die Vorsorgevollmacht auch weiter fassen. Zum Beispiel auf Verträge, finanzielle Angelegenheiten, Einzug in ein Heim. Wichtig ist es natürlich, dass die eingesetzte Person im Ernstfall auch erreichbar ist. Sie können aber auch weitere Stellvertreter einsetzen. Ratsam ist es, sich auch hier beraten zu lassen.

Was ist eigentlich eine Betreuungsverfügung?

Noch etwas unbekannt ist der dritte Begriff: die Betreuungsverfügung. Die Bundesnotarkammer schreibt dazu: “Die Betreuungsverfügung dient – anders als die Vorsorgevollmacht – nicht der Betreuungsvermeidung, sondern der näheren Gestaltung der vom Gericht angeordneten Betreuung. Die Betreuungsverfügung kann Wünsche zur Auswahl des Betreuers und zur Durchführung der Betreuung enthalten. Sie entfaltet grundsätzlich Bindungswirkung gegenüber dem Gericht beziehungsweise dem Betreuer, sofern die schriftlich niedergelegten Wünsche nicht dem Wohl der oder des Betreuten zuwiderlaufen.“ Ratsam ist es, wenn man die Vorsorgevollmacht und die Betreuungsverfügung gemeinsam erstellt, damit man auf der sicheren Seite ist. Wichtig ist es auf jeden Fall, rechtzeitig an mögliche Notfälle zu denken. Und nochmals unser Tipp: Dies gilt für Krebskranke, aber auch für deren Angehörige.

EANU Linktipps:

www.vorsorgeregister.de
www.bmjv.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Betreuungsrecht.html

 

 

ALLGEMEINE GESUNDHEIT

Zöliakie.
Eine häufig unerkannte Krankheit. Und ein Leben ohne Gluten.

Foto: ferkelraggae - stock.adobe.com

Vielleicht kennen Sie bereits Menschen, die sich glutenfrei, also ohne Weizen, Dinkel oder Roggen ernähren. Manche machen das ganz freiwillig, andere müssen sich strikt glutenfrei ernähren: Menschen mit Zöliakie. Problem: Es gibt eine hohe Dunkelziffer an nichtdiagnostizierten Fällen – und damit verbunden sind verschiedene gesundheitliche Risiken. Darunter Krebs.

„Gluten“ bedeutet übersetzt „Kleber“, „Kleister“ oder „Leim“. Das Wort kommt aus dem Lateinischen. Da es immer wieder falsch ausgesprochen wird (wie"Gluut'n"): richtig gesprochen wird es GLU-TEN, das E wird dabei lange gesprochen. Gluten ist also ein Klebereiweiß, die Unterfraktion lautet Gliadin. Gluten/Gliadin kommt in den Getreidearten Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste und Hafer vor, sowie in den alten Weizensorten Einkorn, Emmer und Kamut® (Khorasan-Weizen). Gluten entsteht, wenn das Getreide zur Produktion mit Wasser in Berührung kommt. Früher soll Weizenkleber sogar beim Häuserbau eingesetzt worden sein.

Die Natur bietet viele glutenfreie Produkte

Viele unserer Nahrungsmittel sind von Natur aus glutenfrei: Fisch und Fleisch, Milch, Gemüse, Obst, Eier. Beruhigend zu wissen. Erst wenn sie verarbeitet werden, können sie zu glutenhaltigen Produkten werden. Bei glutenhaltigen Lebensmitteln denken viele an Brot und Nudeln. Dies stimmt, aber Gluten kann überall sein: Im Soßenbinder, in Medikamenten, im Schokopudding und sogar in Kosmetika.

Bei gesunden Menschen wird die aufgenommene Nahrung im Dünndarm in ihre Bestandteile zerlegt und gelangt über die Schleimhaut in den Körper. Um eine möglichst große Oberfläche zur Nährstoffaufnahme zu erhalten, ist der Darm mit vielen Falten, den sogenannten Zotten, ausgekleidet. Bei Zöliakie-Betroffenen führt die Zufuhr von Gluten zu einer Entzündung in der Darmschleimhaut. Dies hat zur Folge, dass die Zotten sich zurückbilden. Da sich die Oberfläche des Dünndarms verringert, können nicht mehr genügend Nährstoffe aufgenommen werden.

Nährstoffdefizite führen zu gesundheitlichen Problemen

So entstehen im Laufe der Erkrankung Nährstoffdefizite, die eine Reihe der Beschwerden auslösen können. Manche der Krankheitszeichen entstehen aber vermutlich auch durch entzündliche Prozesse unabhängig von Nährstoffdefiziten. Da die Zöliakie sich nicht nur auf den Darm beschränkt, wird sie auch eher als Erkrankung des gesamten Körpers, also als eine Systemerkrankung angesehen. Sie wird aufgrund ihrer unterschiedlichen Beschwerden, die sie auslösen kann, auch als „Chamäleon der Krankheiten“ bezeichnet.

Zöliakie – eine hohe Dunkelziffer

Bis vor einigen Jahren ging man davon aus, dass im Durchschnitt etwa einer von 1.000 bis 2.000 Menschen in Deutschland von Zöliakie betroffen ist. Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass die Häufigkeit tatsächlich etwa bei 1:100 liegt. Nur bei 10 bis 20 % der Betroffenen liegt das Vollbild der Zöliakie vor. 80 bis 90 % haben untypische oder keine Symptome und wissen daher oft nichts von ihrer Erkrankung. Grundsätzlich ist ein Ausbruch der Erkrankung in jedem Lebensalter möglich. Man beobachtet allerdings zwei Häufigkeitsgipfel: Der erste liegt zwischen dem 1. und dem 8. Lebensjahr, der zweite zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr.

Quelle: Deutsche Zöliakie-Gesellschaft www.dzg-online.de

Anzeichen bei Babys und Kleinkindern

Wenige Wochen bis Monate nach dem ersten Glutenkontakt können die Symptome einer Zöliakie auftreten:

  • Blähungen und/oder Durchfälle
  • übelriechender und glänzender Stuhl
  • Appetitlosigkeit
  • Erbrechen
  • Gewichtsverlust
  • Gedeihstörungen (Körper, Haare, Zähne)
  • häufig geblähter Bauch
  • Schlechte Laune
  • Verhaltensveränderungen
  • weinerliche Stimmung

Anzeichen bei Erwachsenen

Bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen verläuft die Zöliakie häufig anders:

  • Wachstumsstörungen bei Jugendlichen
  • unregelmäßiger Stuhlgang
  • Bauchschmerzen

Aber auch daran denken bei:

  • Eisenmangel
  • Depressionen
  • Kalziummangel
  • Unfruchtbarkeit
  • häufige Fehlgeburten
  • Gliederschmerzen
  • Diagnose Reizdarm

Bei Verdacht auf Zöliakie sollen zunächst Blutuntersuchungen auf bestimmte Antikörper durchgeführt werden:

  • Antikörper gegen Gewebstrans- glutaminase (tTG-IgG und tTG-IgA)
  • Endomysium Antikörper (Em-IgG und Em-IgA)

Zugleich muss über die Bestimmung des Gesamt-IgA-Wertes ein IgA-Mangel ausgeschlossen werden.

Bei positivem Antikörpernachweis muss die Diagnose durch eine Biopsie gesichert werden. Dabei werden Gewebeproben aus dem Dünndarm entnommen und auf eventuelle Veränderungen der Dünndarmzotten untersucht. Unter bestimmten Voraussetzungen ist bei Kindern keine Biopsie mehr nötig. Weitere Infos dazu finden Sie in unserem Kasten. Wichtig: Sogenannte Selbst- und Stuhltests sind für die Zöliakie-Diagnose nicht geeignet!

Wie unterscheiden sich die verschiedenen Formen?

Neben der Zöliakie gibt es auch noch die Weizenallergie und die Weizen-/Gluten-Sensitivität, die inzwischen auch Nicht-Zöliakie/Nicht-Weizenallergie/Weizensensitivität genannt wird. Hier die Unterschiede:

Zöliakie

Autoimmunerkrankung. Glutenfreie Ernährung muss auf Dauer erfolgen. Bis zum Auftreten von klaren Symptomen vergehen Wochen bis Jahre. Lebenslanger Verzicht (Stand heute) auf glutenhaltige Lebensmittel.

Weizenallergie

Häufig Sofortreaktion. Stunden bis zwei Tage. IgE-Bildung (typisch für Allergie). Ein zeitweiliger Verzicht auf weizenhaltige Nahrungsmittel kann reichen. Glutenhaltiges Getreide kann mit Ausnahme von Weizen gegessen werden.

Weizen-/Gluten-Sensitivität

Bislang unklare immunologische Reaktion. Zeitraum für das Auftreten der Symptome: Stunden bis Tage. Glutenfreie Ernährung kann zeitlich beschränkt werden. Zeitrahmen von ein bis zwei Jahren sollte nicht unterschritten werden. Zöliakie-Abklärung ist zur Diagnose notwendig.

Zöliakie bedeutet auch ein Leben, bei dem man an Kontaminationen denken muss, denn schon ein kleiner Krümel kann zu massiven Beschwerden führen. Dank der Lebensmittelkennzeichnungspflicht sind die Allergene heute auf der Packung beschrieben, dies macht das Einkaufen deutlich leichter. Aber ein Zöliakie-Betroffener muss auch beim Kochen auf 100prozentige Hygiene achten.

Foto: bg-pictures - stock.adobe.com

Risiken, wenn die Diät nicht eingehalten wird

Was passiert aber, wenn man sich an die glutenfreie Diät nicht hält oder nicht weiß, dass man Zöliakie hat? Experten nennen hier eine ganze Palette, die von Depressionen über Unfruchtbarkeit bis zu chronischen Krankheiten wie Diabetes reicht. Das Krebsrisiko ist für die Bereiche Dünndarm- und Lymphdrüsenkrebs erhöht!

EANU-Tipp: Zöliakie ist eine Krankheit, die häufig unerkannt bleibt. Nur eine ordentliche Diagnostik schafft Sicherheit. Von sich aus sollte man nicht einfach mal so auf Gluten verzichten!

EANU Linktipp:
Weitergehende Informationen gibt es bei der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft in Stuttgart. Dort gibt es auch eine kostenlose Beratung. Die DZG ist erreichbar unter www.dzg-online.de

 

 

AKTUELLES AUS MEDIZIN UND FORSCHUNG

Grippeschutzimpfung bei Krebs?

Foto: Monkey Business - stock.adobe.com

Die Grippeschutzimpfung bei Krebs wird von Ärzten unterschiedlich angesehen. Manche lehnen sie ab, andere raten dazu. Nun gibt es eine neue Studie, die wir gerne veröffentlichen. Allerdings mit dem Hinweis, im Einzelfall immer mit dem behandelnden Onkologen vorher alles abzustimmen!

Krebspatienten mit einem Organtumor können von der Grippeschutzimpfung profitieren. Darüber berichteten Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Der Onkologe auf Grundlage einer Studie in der Fachzeitschrift Journal of Clinical Oncology. Alljährlich am Ende des Winters erkrankt eine hohe Zahl von Menschen an Grippe (Influenza). Krebspatienten, bei denen die Immunabwehr geschwächt ist, haben ein erhöhtes Risiko für einen Infekt mit den Influenzaviren, im Falle einer Erkrankung auch ein erhöhtes Risiko für schwere Komplikationen, die tödlich enden können. In einer rückblickenden Studie aus Kanada wurden Daten von 26.463 Krebspatienten ab 18 Jahren (Durchschnittsalter 70 Jahre) ausgewertet, die während der Grippe-Saisons 2010-2011 und 2015-2016 untersucht worden waren.

Die Grippeschutzimpfung sei Krebspatienten, Familienangehörigen und engen Kontaktpersonen von Krebspatienten demnach zu empfehlen, so lautete das Fazit.

Quelle Blanchette PS et al. Influenza vaccine effectiveness among patients with cancer: a population-based study using health administrative and laboratory testing data from Ontario, Canada. Journal of Clinical Oncology 2019, 37(30):2795-804

 

 

EANU ERNÄHRUNGSTIPP

Gut für die Gesundheit: Sauerkraut

Foto: Daniel Vincek - stock.adobe.com

Regelmäßig sind Sie von uns Ernährungstipps gewohnt. Heute widmen wir uns einem Gemüse, das schon bei unseren Eltern und Großeltern oft auf dem Speiseplan stand: Sauerkraut!

Es enthält nicht nur Vitamin B12 (Nervensystem), sondern ist auch reich an Beta Carotin (Immunsystem, Augen, Knochen) und an Mineralstoffen wie Natrium, Kalium, Magnesium und Calcium.

Sauerkraut hat aber einen noch wichtigeren Effekt: Es ist gut für den Darm! Schon Pfarrer Sebastian Kneipp wusste: „Sauerkraut ist ein richtiger Besen für Magen und Darm.“ Im Sauerkraut ist Milchsäure, diese fermentiert und wirkt als positives Darmbakterium, es reinigt und entschlackt. Im Handel gibt es auch Sauerkrautsaft!

 

 

AKTUELLES AUS MEDIZIN UND FORSCHUNG

Brustkrebs

Therapieresistent durch veränderte Chromosomen

Foto: Axel Kock - stock.adobe.com

Wenn Chromosomen bei der Zellteilung ungleichmäßig verteilt oder anderweitig verändert werden, schadet dies normalerweise den Tochterzellen und beeinträchtigt ihre Lebensfähigkeit. Anders bei Tumorzellen. Hier kann Chromosomen-Instabilität unter Umständen sogar Wachstumsvorteile bringen. Mehr noch: Wie Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum jetzt bei Mäusen festgestellt haben, können Veränderungen in den Chromosomen damit einhergehen, dass Brustkrebszellen therapieresistent werden. Damit gewinnen die Forscher neue Einblicke in die Mechanismen, mit denen Tumorzellen der Wirkung von Therapien entgehen.

Bei einer Zellteilung werden die Chromosomen der Mutterzelle im Normalfall gleichmäßig auf die beiden Tochterzellen verteilt. Kommt es dabei zu Fehlern in Struktur oder Zahl der Chromosomen, sprechen Wissenschaftler von Chromosomen-Instabilität. Die Folgen für die betroffenen Zellen sind schwerwiegend: Proteine werden in falschen Mengen produziert, der Stoffwechsel gerät außer Kontrolle, und häufig sterben die Zellen schließlich durch den programmierten Zelltod, die Apoptose.

Anders dagegen bei Krebszellen. Hier scheint die Fehlverteilung einen Überlebensvorteil zu bringen. Chromosomen-Instabilität gilt als Indikator für einen ungünstigen Verlauf der Krebserkrankung und wird außerdem mit Therapieresistenz in Verbindung gebracht. Welche Mechanismen diesem Überlebensvorteil zugrunde liegen, war bislang jedoch unklar.

„Tatsächlich weisen 90 Prozent der soliden Tumoren und 75 Prozent der haematopoetischen Tumoren ungleichmäßig verteilte Chromosomen auf“, sagt Rocio Sotillo vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Dabei müssen nicht immer vollständige Chromosomen falsch verteilt sein. Auch Abschnitte von Chromosomen können verloren gehen oder vervielfältigt werden.

Sotillo und ihr Team haben nun nachgewiesen, dass die Chromosomen-Instabilität selbst zur Therapieresistenz beiträgt. Dazu haben die Wissenschaftler tief in die molekularbiologische Trickkiste gegriffen und Mäuse gezüchtet, bei denen sich das krebsfördernde Gen KRAS gezielt anschalten lässt - mit der Konsequenz, dass die Tiere Brustkrebs entwickeln. Bei einer zweiten Gruppe von Mäusen aktivierten die Forscher gleichzeitig mit KRAS noch ein weiteres Gen und riefen dadurch zusätzlich eine massive Chromosomen-Instabilität hervor.

Im nächsten Schritt schalteten die DKFZ-Forscher bei beiden Tiergruppen die angeknipsten Gene wieder aus, was im Prinzip die Wirkung einer zielgerichteten Therapie simuliert. In der Folge hätte nun theoretisch das Krebswachstum bei beiden Gruppen stoppen müssen. Allerdings wuchsen die Tumoren bei über 20 Prozent der chromosomal instabilen Tiere weiter - aber auch bei 6,6 Prozent der Mäuse, bei denen zuvor nur KRAS aktiviert und keine Chromosomen-Instabilität ausgelöst worden war.

Mehr noch: Als die Wissenschaftler das Wachstum der Tumoren weiter beobachteten, stellte sich heraus, dass nun auch die Tumoren, deren Chromosomen nicht durch den genetischen Trick instabilisiert worden waren, Anomalien aufwiesen. Die Fehlerrate bei der Zellteilung war sogar genauso hoch wie bei den Tieren, bei denen von Anfang an Chromosomen-Instabilität ausgelöst worden war.

Eine genauere genetische Analyse der resistenten Tumoren ergab, dass sich bei der Hälfte der betroffenen Mäuse bestimmte Chromosomen-Abschnitte vervielfältigt hatten. Dabei kam es auch zur Vervielfältigung eines Onkogens, das bekanntermaßen vielen Tumoren Therapieresistenz verleiht. Die Wissenschaftler behandelten die Tiere mit einem Wirkstoff, der gegen das Signalprotein gerichtet ist, für das dieses Onkogen codiert. Und tatsächlich: Alle Tumoren bildeten sich zurück.

„Durch den Trick mit den aktivierten und dann wieder abgeschalteten Genen haben wir eine zielgerichtete Krebstherapie simuliert. Dabei wirkt die chromosomale Instabilität als Treiber für die genetische Variabilität, die den Krebszellen unter dem therapiebedingten Selektionsdruck durch die Resistenzentwicklung einen Überlebensvorteil verschafft“, fasst Sotillo zusammen. „Wenige, ursprünglich chromosomal stabile Tumorzellen überstehen die Behandlung, indem sie gleichzeitig chromosomale Instabilität erwerben. Dies erhöht ihre Chancen, Therapieresistenzen auszubilden.“

Noch wissen die Forscher nicht, welche molekularbiologischen Mechanismen diesem Effekt zugrunde liegen - darum soll sich ihre zukünftige Forschung drehen. „Wir hoffen, so besser zu verstehen, auf welchen Wegen es während einer zielgerichteten Krebstherapie zu Chromosomen-Instabilität und damit zur Resistenz kommen kann - und wie wir dies möglicherweise verhindern können“, so Sotillo.

Quelle: Lorena Salgueiro, Christopher Buccitelli, Konstantina Rowald, Kalman Somogyi, Sridhar Kandala, Jan O. Korbel and Rocio Sotillo; Acquisition of chromosome instability is a mechanism to evade oncogene addiction. EMBO Mol. Med. 2020, DOI: 10.15252/emmm.201910941

 

 

EANU TIPPS VON DR. ANDRÉ

So einfach können Sie sich einen natürlichen Hustensaft selbst zubereiten

Das Frühjahr ist auch Erkältungszeit. Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Hustenreiz, trockener Hals – und häufig wird der Hustenreiz am Abend noch schlimmer. Vor allem Kinder sind davon nicht selten betroffen. Für einen selbst hergestellten natürlichen Hustensirup brauchen Sie gar nicht viele Zutaten.

Zwiebel | Thymian | Salbei | Ingwer | Zitrone | Honig

Im Thymian sind ätherische Öle enthalten, die den Schleim im Hals lösen und dafür sorgen, dass er abgetragen wird. Außerdem hat Thymian eine antibakterielle und entzündungshemmende Wirkung. Thymian soll auch bei einer akuten Bronchitis helfen.

Salbei kann mit seinen antibakteriellen und entzündungshemmenden Inhaltsstoffen viele Erkältungsbeschwerden wie Husten, Halsschmerzen, Fieber oder Heiserkeit lindern. Zusätzlich stärkt er das Immunsystem und beschleunigt das Abklingen der Symptome. Auch bei Entzündungen im Mundraum ist Salbeitee ein beliebtes Heilmittel. Er wirkt desinfizierend und entzündungshemmend und kann Mandel- oder Schleimhautentzündungen lindern.

Foto: PhotoSG - stock.adobe.com

Ingwer ist reich an ätherischen Ölen und Scharfstoffen, sogenannten Gingerolen und Shogaolen. Aufgrund seiner Inhaltsstoffe wird Ingwer häufig zur Vorbeugung und Behandlung von Erkältungskrankheiten sowie zur Stärkung des Immunsystems eingesetzt. Daneben soll der Körper bei einer Erkältung zudem von der antibakteriellen und entzündungshemmenden Wirkung des Ingwers profitieren.

In der Zwiebel enthaltene ätherische Öle und Sulfide wirken entzündungshemmend und erleichtern das Abhusten. Honig hat ebenfalls eine antibakterielle Wirkung und hilft bei Reizhusten und Erkältungen.

Zitrone hat viel Vitamin C und lindert so Halsschmerzen und hilft ebenfalls bei Erkältungen. Das Vitamin C ist vor allem gut für das Immunsystem und schützt somit auch präventiv vor der nächsten Erkältung. Zur Herstellung des Hustensafts, den auch schon Kinder einnehmen können, brauchen Sie folgende Zutaten und ein paar Minuten Zeit.

ZUTATEN

  • 25 g Thymian frisch oder trocken
  • 25 g Salbeiblätter frisch oder trocken
  • 25 g Ingwer klein geschnitten
  • 1 Bio Zitrone in Scheiben
  • 1 Zwiebel mittlere Größe, klein geschnitten
  • 100 ml Wasser
  • 400g Honig flüßig

Alle Zutaten in ein verschließbares Glas füllen, mehrmals schütteln und im warmen Raum über Nacht ziehen lassen. Bei Husten oder Halsschmerzen mehrmals täglich einen Teelöffel des fertigen Safts im Mund zergehen lassen. Der Hustensaft hält luftdicht verschlossen ca. 6 Wochen im Kühlschrank!

Hinweis: Das Rezept ist von Dr. André. Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.

 

 

KREBS UND SOZIALE MEDIEN

Selbsthilfe und Kommunikation am Beispiel einer Facebook-Gruppe

Foto: SFIO CRACHO - stock.adobe.com

Immer mehr Krebspatienten und deren Angehörige suchen Hilfe und Unterstützung in den Sozialen Medien. In diesem Beitrag beschreibt Jürgen Busch die Entwicklung einer Facebook-Gruppe, die sich mit Krebs und Methadon beschäftigt. 6000 Menschen sind mittlerweile in dieser Gruppe. Vielleicht ist der Beitrag für den ein oder anderen eine Anregung, eine eigene Facebook-Gruppe zu gründen. Auch hierfür gibt Jürgen Busch viele Tipps!

Unser Sohn erkrankte im September 2014 an neuroendokrinem Bauchspeicheldrüsenkrebs, bei der Erstdiagnose hatte er Metastasen in der Leber, im Bauchraum, den Lymphknoten und den Knochen. Seine Prognose zur restlichen Lebenserwartung war nur sehr kurz. Als der zweite Chemoblock begann, ging es ihm immer schlechter, seine Schmerzen waren auch mit Opiaten nicht mehr in den Griff zu bekommen.

Da hörte er zufällig von den Forschungsergebnissen, die Frau Dr. Claudia Friesen an der Universität Ulm mit D,L-Methadon erzielt hatte. Sie hatte herausgefunden, dass Methadon die Wirkung einer Chemotherapie/Bestrahlung verstärken kann. Er ließ sich das D,L-Methadon verschreiben und nahm es zusätzlich zu seiner Chemotherapie.

Zwei Tage später war er beschwerdefrei und seine Lebensqualität wurde so gut, dass er mitten in einem Chemoblock in den Wintersport fahren konnte. Mein Sohn ist Arzt, ebenso wie seine Frau, und beide waren von der positiven Wirkung des D,L-Methadons überrascht. Ich befasse mich seit dieser Zeit auch intensiv mit dem Thema D,L-Methadon als Wirkverstärker in der Krebstherapie.

Selbsthilfegruppen in Facebook

Wenn man in Facebook nach Gruppen sucht, die sich mit dem Thema „Krebs“, befassen, findet man sehr viele verschiedene: allgemeine Krebsgruppen sowie Gruppen, die sich auf eine bestimmte Krebserkrankung oder eine bestimmte Therapie spezialisiert haben. Auch zu dem Thema Methadon gibt es verschiedene Gruppen.

Die Selbsthilfe-Gruppe „Methadon das Ende von Krebs?“ wurde am 28.06.2017 von Arzu Yildiz und ihrer Schwester Inci Nayino gegründet. Der Anlass waren die beiden Sendungen bei STERN-TV zum Thema Methadon als „Wirkverstärker in der Krebstherapie“ am 27.06.17 und 28.06.17.

Da Medikamentennamen vielfach in FB bei Suchen blockiert werden, findet man die Gruppe entweder über den Link oder über die Suche nach „das Ende von Krebs?“, also ohne das Wort „Methadon“ Die Gruppe erhielt rasch großen Zulauf. Sie entwickelte sich schnell zu einer Selbsthilfegruppe für Betroffene und deren Angehörige. Mittlerweile ist sie auch international bekannt und hat bereits Mitglieder aus über 50 Nationen. Aktuell steigt die Mitgliederzahl diese Gruppe monatlich um 2 Prozent.

Entwicklung der Mitgliederzahlen

Welche Anforderungen stellen sich an die Administration solcher Gruppen?

Die Anforderungen an die Gruppenleitung kann man in vier Themenbereiche aufteilen:

1. Die technische Seite
2. Die informatorische Seite
3. Die fachliche Seite
4. Die emotionale Seite
5. Die soziale Seite

Die technische Seite

Facebook (im folgenden FB abgekürzt) ermöglicht es, sogenannte „private geschlossene Gruppen“ zu organisieren. Bei dieser Gruppenart kann von außen weder gesehen werden, wer Mitglied dieser Gruppe ist noch was in den Gruppe geschrieben wird. Man kann aber die Gruppenbeschreibung lesen und sehen, wer Administrator bzw. Moderator der Gruppe ist. Für Krebs-Selbsthilfegruppen empfiehlt sich diese Form der privaten geschlossenen Gruppe, da nicht jedes Mitglied möchte, dass die gesamte FB-Welt zuschaut, was in der Gruppe geschrieben wird. In diese Selbsthilfegruppe werden ausschließlich Betroffene bzw. deren Angehörige/enge Freunde sowie Ärzte, die sich in das Thema D,L-Methadon als Wirkverstärker eingearbeitet haben, aufgenommen.

Die informatorische Seite

Informationen erhalten die Mitglieder zum einen aus den unter „Dateien“ hinterlegten Fach-Dokumenten und zum anderen aus den Postings der Mitglieder, die ihre Erfahrungen schildern. Mit einer einfachen Suchfunktion kann man den gesamten Gruppenverlauf nach Stichwörtern durchsuchen und so schnell Hinweise zu den vielen Fragen finden. Die dritte Möglichkeit ist es, direkt in der Gruppe Fragen zu stellen.

Der Aktivitätsgrad dieser Gruppe ist extrem hoch, etwa 3/4 der Mitglieder beteiligen sich aktiv am gegenseitigen Austausch, etwa 1/4 liest als stilles Mitglied mit. Monatlich werden ca. 25.000 Beiträge, Kommentare und Reaktionen in der Gruppe gepostet.

Die Administratoren und Moderatoren versuchen, permanent einen Überblick über das Gruppengeschehen zu behalten. Es wird ein besonderer Wert auf eine respektvolle und achtsame Art des Umgangs miteinander gelegt. Damit wird deutlich, dass die Leitung einer solch aktiven Gruppe nicht einfach nebenbei erfolgen kann und einen sehr hohen zeitlichen Aufwand, oft bis tief in die Nacht, darstellt.

Foto: M.Rode-Foto - stock.adobe.com

Die fachliche Seite

Neben der Beherrschung der Technik zur Steuerung einer solchen großen Gruppe ist es wichtig, dass sich Administratoren und Moderatoren tief in das recht komplexe Fachthema „Methadon in der Krebstherapie“ eingearbeitet haben. Die Informationen in dieser Selbsthilfegruppe ersetzen aber auf gar keinen Fall die professionelle, medizinische Beratung, Diagnose und Behandlung.

Das Schmerzmittel Methadon kann von jedem Arzt auf einem Betäubungsmittelrezept als Schmerzmittel verschrieben werden, es ist ein Opioid und kein frei erhältliches Medikament. Damit unterscheidet sich diese Selbsthilfegruppe auch von rein alternativen Krebsgruppen, die z. B. ausschließlich auf Naturheilung setzen.

Die emotionale Seite

Gerade der Umgang mit verzweifelten, an Krebs erkrankten Menschen und deren ebenso verzweifelten Angehörigen erfordert ein sehr hohes Maß an Empathie und Sensibilität, das von der Gruppenleitung vorgelebt und so von den Mitgliedern weitergetragen wird.

Es bleibt in einer Krebsgruppe leider auch nicht aus, dass Mitglieder oder Angehörige von Betroffenen sterben. Wenn man eine solche Gruppe eine längere Zeit betreut, entsteht auch emotionale Nähe zu denjenigen Mitgliedern, die sich aktiv in die Gruppe mit einbringen. Es ist alles andere als einfach, mit Todesmeldungen von Menschen, mit denen man lange Zeit zusammen gearbeitet hat und die man ggf. auch persönlich kennt, umzugehen.

Auch das Schwerpunktthema der Gruppe, das D,L-Methadon, macht die Gruppen-Mitglieder nicht unsterblich, aber es kann zu wertvoller und lebenswerter zusätzlicher Lebenszeit verhelfen. Und wenn jemand entgegen aller Prognosen einige Jahre lebenswerter Zeit hinzugewonnen hat und ohne Schmerzen den letzten Weg antreten kann, hat das auch etwas sehr tröstliches.

Die soziale Seite

Die Gemeinsamkeit einer Gruppe kann auch zu einer hohen Verbundenheit führen. Sich nicht nur gegenseitig über Erfolge zu freuen, sondern sich auch in schwierigen Zeiten gegenseitig beizustehen mit wertvollen Hinweisen, Ratschlägen oder auch mit tröstenden, einfühlsamen Worten, stellt einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Wert einer Selbsthilfegruppe dar.

Es ist nicht übertrieben wenn ich sagen kann, dass unsere Gruppe so etwas wie eine Familie der Gleichgesinnten und Vertrauten geworden ist, wo jedes Mitglied weiß, dass keine Frage unbeantwortet bleibt und gegenseitige Hilfe und Unterstützung den Kern der Gemeinschaft bilden. Dies ist neben den fachlichen Informationen das „Geheimnis“ von permanent wachsenden Gruppen.

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Aktivitäten, die über die Gruppe hinaus gehen

Einige Aktivitäten dieser Gruppe gehen weit über den Gruppen-Rahmen hinaus. Viele Aktivitäten entspringen aus Anregungen der Mitglieder und werden dann von den Gruppenleitern in Projektgruppen umgesetzt. So gab ein Mitglied den Anstoß, dass die Methadon-Bewegung ein Logo verdient hätte. Es wurde eine kleine Projektgruppe gegründet, die das mittlerweile weltweit bekannte Logo zu Methadon in der Krebsbehandlung entwickelte.

Weiterhin haben Mitglieder mit Unterstützung der Gruppe bereits viermal eine stets ausgebuchte Informationsveranstaltung mit Frau Dr. Friesen organisiert. Diese und einige andere Aufgaben werden zukünftig von dem von Ärzten am 19.10.2019 gegründeten Verein „Methadon in der Krebsbehandlung“ federführend übernommen. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben vielen Ärzten, einschließlich Frau Dr. Friesen, auch Vertreter von zwei Selbsthilfegruppen.

Es war ebenfalls ein Gruppen-Mitglied, das die Petition zur Finanzierung von klinischen Studien zu Methadon in der Krebsbehandlung bei dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages einreichte. Diese Petition wurde fraktionsübergreifend von allen Ausschuss-Mitgliedern befürwortet.

Es ist erstaunlich, was Arzu Yildiz und ihre Schwester Inci Nayino mit der Gründung dieser Selbsthilfegruppe 2017 initiiert und auf den Weg gebracht haben. Aktuell wird diese Gruppe von Clarissa Kühnel als Moderatorin und Jürgen Busch als Administrator geleitet.

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ZITAT

Wenn es ein Gänseblümchen
durch den Asphalt schafft,
dann hast auch Du die Kraft,
immer einen Weg zu finden.

 

 

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ZITAT

Ich kann den Wind nicht ändern,
aber ich kann die Segel richtig setzen

Dieses Zitat wurde uns von J. W. gemailt. Er hat es sich nach seiner Krebserkrankung zum Lebensmotto gemacht.

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Layout: Danilo Geritz