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Heilsame Kommunikation mit dem Körper

Imaginative Körper-Psychotherapie (IKP) als komplementärer psychosozialer Therapieansatz in der Therapie schwer somatisch Erkrankter, auch an Karzinomen Erkrankter

Dr. med. Wolfgang Loesch, Potsdam

 

 

Coverfoto: Ein Makrophage nimmt eine Krebszelle in sich auf (Patient mit Malignem Lymphom)

 

Heilsame Kommunikation mit dem Körper

Imaginative Körper-Psychotherapie (IKP) als komplementärer psychosozialer Therapieansatz in der Therapie schwer somatisch Erkrankter, auch an Karzinomen Erkrankter

Dr. med. Wolfgang Loesch, Potsdam

Zusammenfassung

Es wird über Erfahrungen der Imaginativen Körper-Psychotherapie (IKP) in der komplementären Therapie Krebskranker berichtet. Das sehr komplexe methodenkombinierte Verfahren einer psychosomatisch geprägten Psychotherapie hat sich gemessen an Erfahrungsberichten von Patienten und Therapeuten als sehr wirksam erwiesen. Das Verfahren wird erläutert, Beispiele der Wirksamkeit werden aufgezeigt und Überlegungen zur Erklärung der Wirksamkeit angestellt.

Zur Illustration der wesentlichen Aspekte werden einige Patientenbilder einbezogen. Die hier vorzustellende komplementäre psychotherapeutische Therapiestrategie, die 1988 mit der Arbeit mit Patienten mit Autoimmunkrankheiten begonnen wurde und seit 1990 die Arbeit mit Karzinompatienten eingeschlossen hat, hat sich in Zusammenarbeit mit vielen Kolleginnen und Kollegen und vor allem mit betroffenen Patienten aus Patientenanforderungen heraus praxisbezogen entwickelt.

Träger dieser Entwicklung ist seit über einem Jahrzehnt das Institut für Psychosomatik und Psychotherapie Potsdam-Babelsberg e.V. (IPP).

Das Verfahren hat sich als psychosomatischer komplementärer und sehr komplexer Therapieansatz für körperlich Kranke, besonders auch für Krebskranke, als spezielle Möglichkeit angewandter katathym-imaginativer Psychotherapie sehr bewährt.

Schwere chronische und potentiell lebensverkürzende Erkrankungen belasten die Betroffenen und das nicht nur körperlich. Üblicherweise lösen sie auch schweren Disstress in psychischen und sozialen Ebenen aus, wie u.a. Ängste und Depression einerseits, Rollenkonflikte, erhöhter Unterstützungsbedarf andererseits. Dieses erschwert die Krankheitsbewältigung und somit die Selbstbestimmung und aktive Übernahme der Verantwortung für sich selbst.

Chronische Erkrankung und psychische Komorbidität münden meist, wenn vor allem die psychische Belastung nicht erkannt und behandelt wird, in einen Teufelskreis. In diesem Circulus vitiosus verstärken sich somatische und psychische Probleme gegenseitig und verstärken den Verlust von Autonomie und Kontrolle der Betroffenen. Das trifft in besonderem Maße für Krebserkrankungen zu.

Trotz einer schweren, oft auch chronischen Erkrankung, die tödlich enden kann, können die Betroffenen Kompetenzen für sich erhalten, wieder finden und neu erwerben.

Sie können den Leidensdruck verringern, Depression oder Ängsten entgegenwirken, die Selbstwirksamkeit stärken, die Lebensqualität verbessern und langfristig die persönliche Autonomie fördern. Das belegen unter anderem die Untersuchungen zu den Selbstmanagement-Programmen in den USA (Lorig et al 2001a, 2001b).

Die IKP ist ein auf der Basis praktischer Erfahrungen von Patienten und Therapeuten entwickeltes Behandlungsprogramm, das mittlerweile von mehr als 1000 Patienten genutzt wurde. Der methodenkombinierte sehr komplexe Therapieansatz und die Dauer der Therapie (mindestens 1 Jahr) können langfristig Autonomie und Verantwortungsübernahme fördern. So können die Krankheit und ihre Folgen aktiver bewältigt werden.

Die Patienten lernen mit Hilfe der IKP selbstverantwortlich Kommunikation mit ihrer Erkrankung und deren Symptomen zu gewinnen und bessere Selbstregulation zu erreichen. Die imaginative Körperpsychotherapie soll der psychosomatisch modulierten Beschleunigung der Krankheitsprogression entgegenwirken. Sie ist ein ressourcenorientiertes Verfahren, das auf salutogenetischen Konzepten beruht. Als psychoedukative Intervention hat sie zum Ziel, die Selbstwirksamkeit und das Selbstmanagement chronisch Kranker zu verbessern. Diese können so vermehrte Kontrolle über die Erkrankung und ihre physischen und psychischen Folgen erlangen.

Der Chronifizierung von Ängsten, Depression und Schmerzen wird vorgebeugt. Die Therapietreue wird insgesamt verbessert und mögliche Nebenwirkungen medikamentöser Therapien können geringer ausfallen. Diese insgesamt positiven Erfahrungen dürften vor allem damit zusammenhängen, dass bei der IKP Patienten zur Eigenverantwortung angehalten werden, indem sie die gemeinsam entwickelten Übungen täglich für sich praktizieren.

Der Kern der IKP basiert auf Achtsamkeit, Selbstwahrnehmung und Selbstregulation in Tiefenentspannung. Sie orientiert auf die Entwicklung von individuellen imaginativen Bildern für Ressourcen und für die Krankheit sowie deren Veränderung.

Im Unterschied zu anderen, etablierten, Verfahren wird nicht auf standardisierte Motive zurückgegriffen, wie das beim Katathymen Bilderleben oder bei den üblichen therapeutischen Imaginationsprogrammen üblich ist. Vielmehr entwickeln die Patienten gemeinsam mit ihrer Therapeutin Bilder, sowohl für die Krankheit als auch für ihre Veränderung bzw. Verbesserung und für ihre inneren Ressourcen und Stärken.

Die Patienten erlernen außerdem soziale Unterstützung einzufordern, ihre Rolle im sozialen Raum der Erkrankung entsprechend zu verändern und auch selbst Verantwortung für andere (u. U. weniger erfahrene) Erkrankte zu übernehmen. Denen können sie im Rahmen der Gruppentherapien durch die bereits erworbenen Kompetenzen Mittel und Wege aufzeigen, selbst diese Fähigkeiten zu entwickeln.

Die bildnerische Umsetzung der Imaginationen unterstützt die Entwicklung von Sinn- und Bedeutungszusammenhängen und im Verlauf die biographische Integration von Erkrankung und Therapie. Sie kann den Betroffenen helfen, ihre Erkrankung und deren Folgen zu verstehen und zu kommunizieren.

Die Patienten sind aufgefordert, täglich selbständig zuhause zu üben. Die (imaginierten und später gezeichneten) Bilder werden zunächst mit einem Therapeuten, später auch im Rahmen der Gruppentherapie, besprochen, um u. U. bestimmte Inhalte zu verändern. Ziel ist die Entwicklung von individuell einleuchtender und persönlich instruktiver Symbolik, die einen konstruktiven, heilsamen Umgang mit sich und der Erkrankung bahnen.

Die Behandlungsmethode ist nachhaltig, weil sie auf eine dauerhafte Etablierung von Selbstfürsorge, Verantwortungsübernahme und Kompetenz ausgerichtet ist.

Es gibt bislang außer einer Interviewstudie (Erstling 2011) noch keine Auswertung systematisch erhobener Daten (aktueller Arbeitsschritt), aber sehr gute Erfahrungsberichte von Therapeuten und Patienten. Diese haben dazu geführt, dass sich das Verfahren im In- und Ausland (vor allem Russland, Ukraine, Kasachstan, Schweden) verbreitet.

Abbildung 1: Imagination zum Thema: „Meine Krankheit und ich“ einer Patientin mit Mamma-Ca

Tabelle 1 - Überblick über die wesentlichen Therapieschritte

IKP – Methodenkombinierte Therapie mit folgenden Therapieanteilen:

1. Körperbezogene auf Achtsamkeit und Selbstwahrnehmung orientierte und parallelisierend eingesetzte Relaxationsmethode (Konzentrative Entspannung/KoE nach Anita Wilda-Kiesel, auch Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation …)*
1a. Bei ungenügender Realisierung der erlernten Entspannung führen wir die Vertiefung der Entspannung mit dem Respiratorischen Feedback (H. Leuner), um eine Umschaltung in einen Tiefenentspannungszustand zu erreichen**

2. Genaues Einfühlen und Imaginieren des Ist-Zustandes in tiefer Entspannung in der Einzeltherapiesituation
2a. Wegen des mit massiv negativ belasteten Bildes der Diagnose Krebs*** wird vor dem Schritt 2 für Krebskranke ein supportives, aber sehr sinnvolles Element (Durchblutungsförderung der wesentlichen Immunorgane – so Knochenmark, Dünndarm, Milz, Thymus) vorgeschaltet. Natürlich wird das nur dort durchgeführt, wo keine Tumorbelastung zu erwarten ist. Dieser Zwischenschritt gibt den Patienten erste Erfahrungen der Selbstwirksamkeit. Danach ist Schritt 2 für den Patienten erträglicher, trotz der weiter bestehenden Angstbesetztheit.

3. In der Tiefenentspannung wird auf der Basis der Realsituation und der somatischen Gegebenheiten ein Weg der Besserung der körperlichen Situation mit eigener Symbolisierung durch den Patienten in therapeutischer Begleitung erarbeitet (Einzelpsychotherapie). Es bildet sich eine individuelle Symbolentwicklung heraus, die als innerer Ratgeber oder innerer Wegweiser, innerer Richtungsgeber, fungieren kann. Einführung eines imaginierten Ortes innerer Ruhe und Geborgenheit und der Funktion des inneren Ratgebers.

4. Körperwahrnehmung und Unbewusstes sind nicht trennbar, sie werden in gemeinsamen Symbolen dargestellt und weisen den Weg zu einem gesünderen Selbst.

5. Die Patienten malen die imaginierten Körperwahrnehmungen, die Orte innerer Ruhe und Geborgenheit und die inneren Ratgeber mit der nicht dominanten Hand; die Bilder werden mit der Methode der Interpretation von Spontanzeichnungen nach Gregg M. Furth bearbeitet.

6. Symbolisierungen mit Bezug auf Konflikte, Traumata etc., die über die reine Körperwahrnehmung und -stabilisierung hinausgehen, werden nach dem Erreichen körperlicher Stabilität (z. B. 2 Jahre ohne Krebsrezidiv) gefördert.

7. Die Patienten arbeiten mehrmals täglich selbst in jeweils recht langen (1/2 – 1 Stunde dauernden) eigenen Imaginationsübungen auf der Basis des in den Therapiestunden Erarbeiteten.

8. Gruppentherapeutische und familientherapeutische Elemente werden sinnvoll einbezogen.

* Vorteile der KoE für die Arbeit mit körperlich Kranken sind: Achtsamkeit, Körperwahrnehmung und Selbstregulation als Grundlage des Erlernens des Entspannungsverfahrens: Das Verfahren ist in sich parallelisierend und ermöglicht damit die Integration traumatherapeutischer Aspekt in die Arbeit.
**Es wird eine Entspannungstiefe angestrebt, die der Entspannungstiefe der Funktionellen Neutralität nach W. Luthe (1969) entspricht. Besonders am Anfang der Therapie wird darauf orientiert, dass die Patienten das Entspannungsverfahren so erlernen, dass eine tiefe Umschaltung („Heilschlaftiefe“) erreicht wird. W. Luthe (1969) fand die in Tabelle 2 aufgeführten Entspannungstiefen im Autogenen Zustand des Autogenen Trainings (AT).
***Solche negativen Glaubenssätze wie „Krebs ist ein Todesurteil“, Krebs bedeutet unheilbares Siechtum und Tod“, „Die Tage sind gezählt“... erschweren eine konstruktive Einstellung zur Auseinandersetzung mit der Krankheit.

Tabelle 2 - Fünf Phasen des Autogenen Zustandes nach W. Luthe:

➜ Reflektorische Reaktivität (tritt z. B. beim AT bei der Übungshaltung auf)
➜ Passives Akzeptieren (z. B. bei Entladungsreaktionen)
➜ Passive Konzentration (typisch: Formelübungen des AT)
➜ Funktionelle Neutralität, heilsame Phase der Tiefenentspannung
➜ Anpassungsstadium (z. B. Teilentspannung oder Rücknahme)

Abbildung 2: Imagination einer gut durchbluteten und aktivierten Milz (Patient mit Hodkin-Lymphom). Die goldfarbenen Rundkörper stellen Makrophagen dar.

Die IKP kann grob in vier aufeinander aufbauende und sich im Verlauf gegenseitig ergänzende Phasen gegliedert werden:

1. ➜ Erlernen eines körperbezogenen Entspannungsverfahrens (KoE**** AT, PMR) zur Schulung von Körperwahrnehmung und Achtsamkeit

2. ➜ Gemeinsame Erarbeitung heilsamer Imaginationen – kombiniert mit gleichzeitigem Erspüren der körperlichen Reaktionen (mit Unterstützung eines Therapeuten) auf der Grundlage des tiefen Entspannungszustandes und darüber hinaus regelmäßige zeichnerische Umsetzung der Imaginationen

3. ➜ Teilnahme an einer Gruppentherapie (gemeinsame Entspannungsübungen, Vorstellung der Bilder, Reflektion des Erlebten und Erfahrungsaustausch)

4. ➜ Vertiefende psychotherapeutische Bearbeitung der verschiedenen Verknüpfungen des Krankseins mit Lebenslauf, Lebensereignissen, aktueller Lebenssituation, Lebensveränderungen durch die Krankheit, einzeltherapeutisch (z. B. mit Klassischer Katathym-Imaginativer Psychotherapie) oder gruppenpsychotherapeutisch – in der eignen Arbeit mit „Prismatisch-Imaginativer Gruppen-Psychotherapie“.

****Die Konzentrative Entspannung (KoE) nach Anita Wilda-Kiesel wird in der nachfolgenden Tabelle kurz im Überblick dargestellt.

Tabelle 3 - Konzentrative Entspannung (KoE) (Wilda-Kiesel)

Differenzierung von Körperempfindungen- und Wahrnehmungen mit der Absicht der Beeinflussung von Spannungs- und Lösungssituationen durch:

➜ stufenweises Training, basierend auf Achtsamkeit und Selbstwahrnehmung Beginn: Auflageflächen und Abstände zur Unterlage wahrnehmen
➜ Spannungen wahrnehmen und lösen schrittweise gesamten Körper wahrnehmen
➜ Wahrnehmen des Körpers im Raum

Das Ergebnis ist ein ausgezeichneter Zugang zu Selbstregulation. Die Methode ist darauf ausgerichtet, immer im Hier und Jetzt zu bleiben.

Abbildung 3: Imagination der aktivierten Thymusdrüse einer Patientin mit Lungenmetastasen eines Weichteilsarkoms

Für den Verlauf von Krebserkrankungen wurden in Studien positive psychische Faktoren gefunden, so Kampfgeist, „fighting spirit“, aber auch das Gegenstück wie Hingabe an die helfenden Ärzte wirkte sich bei einer großen Zahl von Patienten positiv aus. Weiter zeigte sich, dass sich die Faktoren aktives „Suchen und Orientieren“ und selbst aktiv werden, positiv auswirkten. Eine besondere Bedeutung spielte der Faktor „Hoffnung“. In der letzten Zeit ist besonders auch die Patientenkompetenz als prognostischer Faktor in den Fokus gekommen.

Alle diese Faktoren werden durch die Besonderheiten der IKP integriert.

Abbildung 4: von der Thymusdrüse ausgehende Abwehrenergie eines Prostata-Ca-Patienten

Die IKP kombiniert eine Reihe als wirkungsvoll erwiesener psychosozialer Behandlungsansätze. Das sind Achtsamkeitbasiertheit, Selbstwahrnehmung und Selbstmanagement (besonders die Konzentrative Entspannung nach Wilda-Kiesel als achtsamkeitsbasiertes Selbstregulationstraining); Einzel-Psychotherapie, Gruppen-Psychotherapie, die Vermittlung eines Entspannungsverfahrens einschließlich Erreichen einer tiefen Entspannungsumschaltung, die Arbeit mit Imaginationen, die Entwicklung von Ressourcen. Die zeichnerische Umsetzung der Imaginationen integriert auch kunsttherapeutische Interventionen in die Arbeit.

Allen integrierten psychosozialen Therapieansätzen gemein ist, dass sie grundsätzlich die aktive Partizipation und Verantwortungsübernahme der Übenden für sich selbst fördern und diese für die Arbeit benötigen.

Abbildung 5: Imagination der gut durchbluteten und aktivierten Immunorgane einer Patientin mit Ovarialkarzinom

Großer Wert wird darauf gelegt, dass die reale Situation des Immunsystems in die Arbeit realistisch einbezogen wird. Dabei spielt die autogene Steuerung der durchblutungsbedingten Aktivierung oder des Schutzes (bei Chemotherapie-Wirken) der Organe des Immunsystems eine große Rolle. Die zentrale Rolle des Thymus („Gehirn der Immunabwehr“) wird einbezogen. Nach wahrnehmend imaginativer Einstellung auf die Erfassung des Ist-Zustandes kann die Erarbeitung einer stabilen Situation der Immunorgane eine gute Stabilisierungshilfe für die Patienten sein. Nach der Aktivierung des Immunsystems erarbeitet die Patientin/der Patient den Einsatz der aktivierten Immunzellen zur Eliminierung der Krebszellen. Offensichtlich kann sich das System in der täglichen Arbeit der Patienten aktivieren und spezifizieren und dadurch immer wirksamer werden (Selbstorganisation).

Abbildung 6: Ein Makrophage nimmt eine Krebszelle in sich auf (Pat. mit Malignem Lymphom)

Darüber hinaus können die Patienten weitere organismische Reaktionen erzielen. So ist lokale Hyperthermie für einige Patienten ebenso erreichbar wie eine autogene Unterbindung der Gefäßversorgung der Tumoren, „Autogene Angiogenesehemmung“. Beides wurde in je einem Fall eindeutig nachgewiesen, ebenso wie in einem Fall nach dem Verschwinden einer Metastase im Unterhautgewebe nach Mamma-Ca der histologische Befund einer Autoimmunreaktion gefunden wurde.

Die zytostatische Chemotherapie wird sinnvoll einbezogen. In der Phase der direkten Medikamentenwirkung werden die Organe des Immunsystems durch autogen herbeigeführte Minimaldurchblutung und Schutzvorstellungen geschützt und die Tumorbereiche mit dem Wirkstoff maximal durchblutet. Nach Erreichen der Halbwertzeit der medikamentösen Wirkung wird diese Strategie verändert. Nach einer Latenzzeit, in der das weitere Absinken des Wirkstoffspiegels des Zytostatikums abgewartet wird, wird dann wieder die Grundstrategie durchgeführt, also Aktivierung der Durchblutung der Immunorgane, Abwehrarbeit und ggf. „autogene Angiogenesehemmung“.

Aus dem uns bisher vorliegenden Ergebnisüberblick kann davon ausgegangen werden, dass mit Einsatz der IKP überwiegend eine bedeutsame Entwicklung der Patienten in Richtung einer verbesserten Lebensqualität initiiert wird. Darüber hinaus scheint es für eine Reihe von Indikationen eine Verbesserung der medizinischen Verläufe zu geben, und das des Öfteren in beeindruckender Art und Weise. Genauere Ergebnisse sind indikationsbezogen schrittweise in den nächsten Monaten vorzulegen. Dazu ist auszuführen, dass alle Forschung über IKP bisher ohne Finanzierung neben der täglichen Arbeit der Beteiligten stattfindet und daher entsprechende lange Zeiträume entstehen.

Was wirkt, kann Nebenwirkungen haben, so auch IKP. Neben der für Krebstherapien üblichen Gefahr für Nierensteine (Uratkonkremente), sind die folgenden überschießenden Reaktionen bisher aufgetreten, konnten aber in allen Fällen, außer dem tragischen auf die stark aktivierte Immunabwehr zurückzuführenden Abort, durch Strategieänderung der IKP wider neutralisiert werden.

Tabelle 4 - Bisher aufgetretene überschießende Reaktionen bei Krebsabwehr

1. ➜ Rheumaschübe
2. ➜ Verstärkung der bekannten Autoimmunthyreoiditis (M. Hashimoto + M. Basedow)
3. ➜ Wieder Auftreten ruhender Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte)
4. ➜ Autoimmunhepatitis (Autoimmunentzündung der Leber)
5. ➜ Alopecia areata (Kreisrunder Haarausfall)
6. ➜ Sarkoidose (Autoimmunerkrankung des Lymphsystems)
7. ➜ Autoimmungastritis (Magenschleimhautentzündung auf Autoimmunbasis)
8. ➜ neuer Schub eines M. Crohn (schwere Darmentzündung)
9. ➜ Abort (Fehlgeburt)

Der übliche Therapieansatz und die Stärke des Verfahrens liegen im zur Schulmedizin betont komplementären Therapieansatz, der bewusst schulmedizinische Verfahren und komplementär dazu Psychotherapie mit IKP integriert.

Trotzdem gibt es inzwischen eine größere Zahl von Patienten, die ohne schulmedizinische Interventionen von ihrer Krebserkrankung offensichtlich geheilt sind, was bei den ersten Patienten für den Autor sehr überraschend war. Inzwischen beziehe ich diese Möglichkeit des Verlaufs mit ein, ohne solch einen Verlauf mit dem Patienten anzustreben.

Ursache dessen, weshalb im Gesundungsprozess schulmedizinische Interventionen nicht stattfanden, waren im wesentlichen folgende Faktoren:

1. ➜ „austherapierte“ Patienten, für die es keine schulmedizinische Option mehr gab (n=2),
2. ➜ Patienten in der Situation „wait and see“, also abwartend, wann die Intervention erfolgen sollte (n=11),
3. ➜ Patienten, die eine schulmedizinische Behandlung abgelehnt hatten (n=3),
4. ➜ Patienten, die die Zeit zwischen Diagnose und geplanter medizinischer Maßnahme nutzen konnten, um die Krebserkrankung kurzfristig so zu beeinflussen, dass sie nicht mehr nachweisbar war (n=4).

Die Verläufe der nachfolgend aufgeführten Patienten sollen nicht implizieren, dass die Einstellung des Autors dahin gerichtet ist. Sie geben aber einen Hinweis darauf, dass zumindest in einer Reihe von Fällen von einer körperbezogenen Wirksamkeit der Methode auszugehen ist.

Kappauf (2011) fand heraus, dass die von ihm untersuchten von ihrer Krebserkrankung spontan geheilten Patienten viele sehr unterschiedliche Dinge taten, Änderungen in ihrem Leben durchführten, in deren Verlauf die Spontanheilungen eintraten. Mit IKP scheint das häufiger vorzukommen. Die aktuell erreichbaren selbstgeheilten von unseren Patienten sollen umgehend in einer gesonderten Studie zu den konkreten Abläufen und individuellen Bedingungen ihrer Selbstheilung untersucht werden.

Tabelle 5 - „Selbstgeheilte“ Patienten

Nr.
01.
02.
03.
04.
05.
06.
07.
08.
09.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.

Patient
Herr G.
Herr W.
Frau K.
Frau H.
Frau K.
Frau M.
Frau W.
Herr L.
Frau K.
Herr G.
Frau K.
Frau G.
Frau K.
Herr M.
Frau B.
Frau L.
Frau H.
Frau R.
Frau K.
Frau P.

Jahrgang
1930
1959
1924
1966
1939
1938
1950
1938
1940
1937
1943
1945
1951
1948
1954
1944
1956
1950
1964
1954

Diagnose
met. Hoden-CA
met. Hoden-CA
met. Mamma-Ca
rez. Harnblasen-Ca
met. Mamma-Ca
Pharynx-Ca
met. Mamma-Ca
Protata-Ca
met. Ovarial-Ca
Prostata-Ca
Basaliom
Nod-Hodgkin-Lymphon
anaplastisches Oligodendrogliom
Metastasen eines unbek. Primär-Tm.
Rezidiv Pharynx-Ca
rez. Nierencell-Ca
Mamma-Ca
met. Schilddrüsen-Ca
B-Zell-Lymphom
M. Waldensroem

Therapiezeit
1989-1992
1991-1995
1993-1995
1995-1997
1996-1997
1997-2003
1998-2000
2000-2002
2000-2002
2000-2004
1999-2001
1999-2003
1999-heute
2002-2005
2005-2006
1996-2007
2008-2012
2005-2012
2006-heute
2007-heute


Abbildung 7: Innerer Ratgeber einer M. Hodgkin-Patientin

Es ist für die Anwender, Therapeuten und Patienten unübersehbar, die IKP entfaltet Wirkungen, doch was kann es speziell sein, was wirkt?

Tabelle 6 - Zusammenstellung – IKP – Was wirkt?

➜ Prinzipien „Hoffnung“ und „Mut“ (besonders auch des Therapeuten = „ich traue Dir Gesundung zu“)
➜ die besondere therapeutische Beziehung (sie ermöglicht Autonomie und fokale Regression)
➜ lange realisierte Tiefenentspannung (Phase der Funktionellen Neutralität nach Luthe)
➜ Herstellung einer salutogenen Immunsituation
➜ wahrnehmungsbasierte „organismische“ Effekte, dabei intensive handlungsorientierte Selbstzuwendung
➜ Erarbeitung einer individuellen ganzheitlichen Heilsymbolik
➜ Wechselseitige Aktivierung beider Hirnhemisphären ähnlich wie bei EMDR
➜ Einsicht in die sozio-psycho-somatischen Verflechtungen
➜ Nutzung von Gruppe und Familie für den begrenzten Fortschritt
➜ Übergang zur Arbeit an einer sinnvollen Veränderung
➜ Überwindung von Spaltungen (u.a. Körper-Seele, Abspaltung der Krankheit als etwas Fremdes...)

Neben jahrzehntelangen Erfahrungen mit dem sehr differenzierten Einsatz unterschiedlicher Entspannungsverfahren unter Einbeziehung der Erkenntnisse von W. Luthe (1969) und einer tiefenpsychologischen Sicht von Psychosomatik, hat das skizzierte Verfahren eine Reihe weiterer Wurzeln. Insbesondere die lange Selbsterfahrungszeit des Autors bei Prof. Dr. Hanscarl Leuner in den Jahren 1991-1996 hatte einen stark prägenden Einfluss.

Prof. Leuner motivierte auch immer wieder, an der Umsetzung seiner Methode für die Arbeit mit körperlich Kranken zu arbeiten und festzuhalten. Er kannte und befürwortete den beschriebenen Ansatz.

Tabelle 7 - IKP – Wurzeln

➜ Autogene Psychotherapie (W. Luthe)
➜ Oberstufe des Autogenen Trainings (I. H. Schultz, K. Thomas)
➜ Medizinische Psychotherapie (D. Müller-Hegemann)
➜ Funktionelle Entspannung (M. Fuchs)
➜ Subjektive Anatomie ( Johnen; V: Uexküll)
➜ Katathym-imaginative Psychotherapie (H.Leuner)
➜ Visualisierung (O. C. Simonton, J. Achterberg) – zit. 1988 von Misselwitz und Bartuschka
➜ Achtsamkeitsprinzip im Sinne Elsa Gindlers
➜ Psychoanalytisch-psychosomatische Sicht wie G. Groddeck

Abbildung 8: Ort Innerer Ruhe und Geborgenheit einer Pat. mit met. Ovarial-Ca

Abschließend kann eingeschätzt werden, dass es sehr sinnvoll erscheint, die Effekte, die die Kollegen (ärztliche und psychologische Psychotherapeuten), die mit der Methode arbeiten, bisher beobachten durften, die ungewöhnlich positive Verläufe vieler Patienten nahelegen und welche durch Patenten berichtet werden, weiter wissenschaftlich zu untersuchen.

Unter den vielen Hoffnung gebenden Möglichkeiten aktueller Krebstherapie scheint die IKP ein ebenfalls Hoffnung vermittelnder psychotherapeutischer Weg zu sein.



Literatur

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Hüther, Gerald (2006): Die Macht der inneren Bilder. Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen
Kappauf, Herbert (2011): Wunder sind möglich. Spontanheilung bei Krebs. Kreuz Verlag, Freiburg im Breisgau 2011.
Leuner, Hanscarl (1994): Lehrbuch der Katathym-imaginativen Psychotherapie: Grundstufe, Mittelstufe, Oberstufe. - 3., korrigierte und erw. Aufl. Toronto ; Seattle : Huber, Bern
Loesch, Wolfgang (2001): Imaginative Körper-Psychotherapie mit somatisch schwer kranken Patienten. In: BAHRKE, U., ROSENDAHL, W. (HRSG.): Psychotraumatologie und Katathym-imaginative Psychotherapie, Pabst. Lengerich.
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Olbricht, Ingrid (2003): Traumatherapie und TRIMB, Prävention H.5/6 2003, S. 19-25
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Seefeldt, D., Loesch, W., Roth, N., (Hrsg.) (1988) Angst und Angstbewältigung als interdisziplinäres Problem und psychotherapeutisches Anliegen. Materialien Potsdamer Psychotherapie-Symposium 1987, im Auftrag der Gesellschaft für Ärztliche Psychotherapie der DDR.
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Walach, Harald (2011): Weg mit den Pillen! Selbstheilung oder warum wir für unsere Gesundheit Verantwortung übernehmen müssen, Irisiana. München.
Walach, Harald (2009): Psychologie. Wissenschaftstheorie, philosophische Grundlagen und Geschichte, Kohlhammer, Stuttgart, 2. Aufl.
Wilda-Kiesel Anita (1981): Die konzentrative Entspannung. 2. Auflage. Inst. f. Weiterbild. mittl. med. Fachkräfte. Potsdam.

Anschrift des Verfassers: Dr. med. Wolfgang Loesch
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