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Sichtweisen: Thema Cannabis
Interview mit Dr. med. Andreas Wasylewski

Seit März erhalten Schwerkranke in Deutschland Cannabis auf Rezept, der Eigenanbau bleibt aber verboten. Um Cannabis ranken sich unterschiedlichste Meinungen: Vom Wundermittel bis zum nicht ausreichend erforschten Arzneimittel. In unserer neuen Rubrik „Sichtweisen“ befragten wir Dr. med. Andreas Wasylewski, Arzt in Berlin, Herausgeber der Allgemeinen Gesundheits-Nachrichten und Chef der Europäischen Akademie für Naturheilverfahren und Umweltmedizin in Berlin.

Herr Dr. Wasylewski, Ärztinnen und Ärzte jeder Fachrichtung können seit dem 1. März Cannabisblüten und Extrakte aus Cannabis verordnen. Sagen Sie: Endlich? Oder: Lasst uns erst einmal abwarten?

Cannabis konnte bisher schon verordnet werden, aber die Auflagen dafür waren sehr hoch. Seit über zehn Jahren erhalten Patienten, wenn bisher auch nur wenige, Cannabis in einem sehr breiten therapeutischen Spektrum und zwar von neuropathischen Schmerzen, Spastik bei MS, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Spastik und Schmerzen unterschiedlicher Ursachen, dermatologische Probleme wie Neurodermitis, Psoriasis, Akne inversa, Morbus Crohn, ADHS, Depressionen, Schlafstörungen – um nur die wichtigsten zu nennen. Deshalb sage ich: Warten wir alles ab, aber endlich wird genauer erforscht, denn der Gesetzgeber hat die Freigabe an die Teilnahme der Ärzte an einer Begleiterhebung verknüpft. Wir müssen für jede Cannabis-Behandlung Daten anonym an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte senden. Macht der Arzt das nicht, dann erstattet die Krankenkasse nicht.

Der Kanadier Rick Simpson sorgt für großes Aufsehen, seit er behauptet, er habe seinen Krebs selbst mit einem Cannabis-Öl geheilt. Ist das der Durchbruch für Cannabis in der Krebs-Therapie?

Simpson fordert den Verzicht auf die schulmedizinische Betreuung bei Krebs. Aus meiner Sicht ist dies unverantwortlich und dem muss massiv widersprochen werden. Ein Krebs gehört in erfahrene ärztliche Hände. Und Cannabis kann noch nicht als Wundermittel bezeichnet werden, denn es gibt zu wenige ausführliche Studien. Deshalb ist es gut, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen für eine große Studie geschaffen hat. Das US-Gesundheitsministerium hat Ende 2016 veröffentlicht, dass Cannabinoide in der Lage sein sollen, nicht nur Schmerzen bei Krebs zu lindern, sondern auch Tumorzellen abzutöten. Dies ist unter Laborbedingungen geschehen und jetzt muss man sehen, ob dies beim Patienten tatsächlich funktioniert.

Aber Hinweise gibt es schon länger, wenn wir an die Guzmán-Studie aus Madrid denken!

Ja, in dieser Studie wurde an 45 Ratten Gliome ausgelöst, ein schnell zum Tod führender Hirntumor. Die unbehandelten Ratten starben, bei den mit Cannabinoiden behandelten Ratten konnte der Tumor bei einem Drittel komplett zerstört und bei einem weiteren Drittel der Tod deutlich verzögert werden. Wir müssen aber gar nicht nach Madrid schauen. In Rostock wurden vor zwei Jahren Tumorzellen zum „platzen“ gebracht, auch diese Studie hat für Aufmerksamkeit gesorgt. Nicht vergessen sollten wir Studien, in denen mit Cannabis Gewichtszunahmen in der Krebstherapie nachgewiesen werden konnten. Letztendlich brauchen wir aber valide Daten, dies ist alles noch viel zu früh. Ich kann mir aber persönlich und fachlich gut vorstellen, dass Cannabis ein Baustein in der Krebstherapie werden kann.

Haben Sie Verständnis dafür, dass in Umfragen viele Krebspatienten auf eine Cannabis-Therapie hoffen?

Verständnis habe ich dafür natürlich. Ich kann auch sehr gut nachvollziehen, wenn Schwerkranke nach einem möglichen Strohhalm greifen. Wir müssen aber dennoch darauf hinweisen, dass wir von Medizinal-Cannabis unter medizinischer Aufsicht sprechen und nicht von Selbstversuchen. Ich bin hier sehr gespannt, was die Zukunft uns zu diesem Thema bringen wird.

Vielen Dank für Ihre Sichtweise, Herr Dr. Wasylewski!