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Riskante Partnerschaft: Mehr Gesundheit – weniger Alkohol
Auszüge aus dem Ratgeber der DKH für Männer

Man hört es immer wieder: „Ein wenig Alkohol schadet doch nicht, ganz im Gegenteil“. Gemeint ist das berühmte Gläschen in Ehren, das sich die wenigsten verwehren lassen wollen. Die einen pflegen ihre „Trinkkultur“, für die anderen ist Bier kein Alkohol, sondern ein „Grundnahrungsmittel“. Aber wie unbedenklich ist dieser Genuss? Und ist ein geringer Alkoholkonsum wirklich ungefährlich? Die Statistik gibt klare Antworten.

Wussten Sie, dass Ihre statistische Menge Alkohol, ab der gesundheitliche Risiken deutlich steigen, pro Tag relativ schnell erreicht ist? Ein Aperitif vor dem Essen genügt. Aber wie viel Alkohol können Männer ohne großes Risiko wirklich trinken, um gesund und fit zu bleiben? Und mit welchen gesundheitlichen Folgen müssen sie rechnen, wenn sie sich nicht daran halten?

Die Ernährungssoziologin Dr. Manuela Bergmann leitet beim Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke eine Arbeitsgruppe in der Abteilung Epidemiologie. Das Institut für Ernährungsforschung untersucht unter anderem ernährungsbedingte Erkrankungen wie Krebs und Diabetes, um neue Strategien für Vorbeugung und Therapie zu entwickeln. „In den 1980er Jahren häuften sich Hinweise, dass etwa 30 Prozent der Krebsfälle auf falsche Ernährung zurückgeführt werden können“, beschreibt Dr. Bergmann die Anfänge. „Man wusste, dass auch Alkohol ein bedeutendes Risiko für das Auftreten von Krebs ist. Genaue Informationen, wie viele Krebserkrankungen insgesamt auf das Trinken von Alkohol zurückzuführen sind, fehlten aber.“

Welche Ernährung schützt vor Krebs, wie viel Alkohol ist gesundheitlich unbedenklich? Wichtige Fragen – Antworten sollten her. Im Rahmen des Forschungsprogramms „Europa gegen den Krebs“ taten sich führende Krebsepidemiologen zusammen, um eine europaweite Langzeitstudie ins Leben zu rufen: Möglichst viele Menschen, ihre Lebensweise und ihr Gesundheitszustand sollten erfasst und jahrelang beobachtet werden. Was dabei herauskam, war EPIC: „European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition“ – übersetzt „europaweite Studie, die den Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebs untersucht“.

EPIC im Überblick

  • EPIC ist eine sogenannte Kohortenstudie; das bedeutet, dass die Teilnehmer nach bestimmten Gesichtspunkten ausgesucht werden.
  • 1992 fiel der Startschuss in Spanien.
  • Beteiligt waren zehn EU-Länder mit 23 Studienzentren (Dänemark, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Niederlande, Norwegen, Spanien, Schweden und England).
  • Seit 1994 arbeiteten deutsche Studienzentren in Potsdam und Heidelberg.
  • Bis 1998 gewann das Team genau 27.548 Teilnehmer aus Potsdam und Umgebung.
  • Europaweit wurden mehr als 521.000 Teilnehmer erreicht.
  • Die meisten Teilnehmer der Studie sind Männer zwischen 40 und 65 Jahren sowie Frauen zwischen 35 und 65 Jahren.
  • Zwischen der Erstbefragung und Ende 2003 registrierte EPIC in allen beteiligten Ländern über 27.000 neue Krebserkrankungen, mehr als 12.000 Teilnehmer starben.
  • Der zentrale Datenpool liegt bei der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon, einer Unterabteilung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Alle 23 Studienzentren schickten ihre Daten dort hin.

Was geschah, um die Kandidaten zusammenzustellen, mutet an wie ein gigantisches Casting: Europaweit wurden Menschen per Zufallsverfahren aus den Einwohnermelderegistern ausgewählt und zur Teilnahme eingeladen. Wer mitmachen wollte, bekam umfangreiche Fragebögen zu Ernährungsweise und Lebensstil zugeschickt. Diese erfassten auch den Konsum von Bier, Wein und Spirituosen bis ins letzte Detail: die Häufigkeit, die Menge. Dazu auch die Frage: Raucher oder Nichtraucher, Zigaretten oder Pfeife? Andere Fragen untersuchten die Ernährung der Teilnehmer, deren Schulbildung und sportliche Betätigung. Eine Studie, die so viele Menschen verschiedener Trinkkulturen vereint, hatte es bisher noch nicht gegeben.

„Wir hatten Räume im Gesundheitsamt von Potsdam gemietet und dort ein Studienzentrum eingerichtet“, erzählt Dr. Bergmann, die von Anfang an dabei war. „Nachdem die Teilnehmer beide Fragebögen zu Lebensstil und Ernährungsgewohnheiten ausgefüllt hatten, wurden sie alle im Gesundheitsamt persönlich befragt, gemessen und gewogen. Über 27.000 Mal haben wir Blut abgenommen und eingefroren. Die praktische Arbeit – also die Nachbeobachtung – geht auch jetzt noch unverändert weiter: Alle zwei Jahre verschicken wir neue Fragebogen. Wir fragen nach neuen Erkrankungen, nach Ernährung und körperlicher Aktivität, nach Medikamenten- und Hormoneinnahme. Jede einzelne Veränderung ist wichtig und wird erfasst.“

2007 begann das Wissenschaftlerteam in Potsdam damit, die internationalen Daten zum Thema „Alkohol und Krebserkrankungen“ auszuwerten. Auch statistische Zahlen über die Krebsfälle in Europa wurden benötigt, die es beim IARC in Lyon gab. Mehrere Studienzentren, die keine Daten zum zurückliegenden Alkoholkonsum der Teilnehmer zur Verfügung hatten, fielen aus der Auswertung heraus. „Wir wollten ja nicht nur das Krebsrisiko durch den gegenwärtigen Konsum untersuchen, sondern auch die Gefahren des sogenannten Lebenszeitalkohols“, erläutert Dr. Bergmann. „Tatsächlich ist es ein Unterschied, ob jemand niemals getrunken hat oder ob er früher getrunken und damit aufgehört hat.“

In Potsdam und Toronto / Kanada wurden Rechner mit Informationen und statistischen Fragestellungen gespeist und komplexe Formeln und Algorithmen eingegeben. Die Forscher prüften, analysierten, berechneten; alles in jeder auch nur denkbaren Kombination und alles doppelt – einmal für Männer, einmal für Frauen. Jeder Rechenvorgang beanspruchte mehrere Tage. Als schließlich die endgültigen Tabellen und Abbildungen zum Thema „Alkoholkonsum und Krebs“ auf den Potsdamer Schreibtischen lagen, war das Ergebnis eindeutig: Ein erheblicher Anteil an Krebserkrankungen in Europa wird durch das Trinken von Alkohol verursacht.

Insbesondere ist es riskant, regelmäßig die von Gesundheitsorganisationen maximal empfohlene Trinkmenge zu überschreiten – die Mehrzahl aller alkoholbedingten Krebserkrankungen lässt sich darauf zurückführen.

Höchstmenge Alkohol für Männer

  • Etwa 24 Gramm Alkohol pro Tag.
  • Das entspricht ungefähr 0,6 Liter Bier.
  • 0,25 Liter Wein enthalten zirka 20 Gramm Alkohol.

Ob Bier, Wein oder Spirituosen: Alkoholische Getränke sind für zehn Prozent aller Krebserkrankungen bei Männern verantwortlich. Wer außerdem raucht, setzt sich einem erheblich höheren Krebsrisiko aus.

Alkoholbedingte Krebserkrankungen bei Männern 2008

  • 246.700 Neuerkrankungen insgesamt.
  • Fast 57.600 Krebserkrankungen des oberen Verdauungstrakts (Mund, Rachen und Speiseröhre), des Darms und der Leber.
  • 33.037 dieser Fälle wurden durch das Trinken von mehr als zwei alkoholischen Getränken am Tag verursacht.
  • Im europäischen Vergleich belegt Deutschland einen „Spitzenplatz“: 44 Prozent der Männer trinken mehr alkoholische Getränke, als ihrer Gesundheit gut tut.

„Was mich daran erschreckt, ist die Sorglosigkeit, mit der getrunken wird“, sagt Dr. Bergmann, „der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Krebs ist zu vielen Menschen unbekannt – oder wird von ihnen verdrängt.“ Drei von hundert Männern mit alkoholbedingtem Krebs hatten täglich weniger als 24 Gramm oder in der Vergangenheit Alkohol getrunken. Jedoch erkrankten bereits 18 von 100 Männern, die mehr als 24 Gramm Alkohol konsumiert hatten.

Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand – es gibt keinen Alkoholkonsum, der keine Risiken birgt. Ebenso deutlich zeigt die Studie: Wer sich an die empfohlenen Höchstmengen hält, hat gesundheitlich die besseren Karten.

Ein schmaler Grat liegt zwischen „wenig“ und „zu viel“. Auf die immer wieder beschworene lebensverlängernde Wirkung von Alkohol angesprochen, winkt Bergmann ab. „Das sehe ich umgekehrt. Männer im mittleren Alter, die nicht nennenswert Alkohol trinken, sind gesund und leben länger. Sie leben länger, weil sie gesund sind, und nicht, weil sie Alkohol trinken. Maß halten und ein Bewusstsein für den eigenen Alkoholkonsum zu entwickeln, ist in meinen Augen die beste Krebsvorbeugung. Und: Nicht jeden Tag Alkohol trinken!“

(Quelle: Stiftung Deutsche Krebshilfe „Ratgeber für Männer“ (Stand 2/2016))