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Review: 31. Deutscher Krebskongress 2014

 

   
 

Interview:
Molekulare Pathologie - unerlässlich für die Krebsdiagnostik

Durch die personalisierte Medizin hat sich die Rolle der Pathologie in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Im nachfolgenden Interview erklärt Professor Christoph Röcken, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Onkologische Pathologie in der Deutschen Krebsgesellschaft, was die Pathologie zu leisten vermag und wo die Herausforderungen liegen.

Herr Professor Röcken, die personalisierte Medizin zielt darauf ab, die Behandlungsmethoden auf die molekularen Gegebenheiten eines Patienten zuzuschneiden. Welche Auswirkungen ergeben sich dadurch für Ihr Fachgebiet?

Prof. Röcken: Mittlerweile geht es nicht nur darum, die Diagnose Krebs anhand morphologischer Kriterien zu stellen, die unter dem Mikroskop am Gewebeschnitt erkennbar sind. Vielmehr werden wir auch beauftragt, tumorspezifische molekulare Veränderungen zu untersuchen, um die Diagnose weiter abzusichern bzw. prognostisch und therapeutisch wichtige Zusatzinformationen zu liefern. Die molekularpathologische Diagnostik erlaubt in vielen Fällen die Vorhersage, ob und wie gut die Patienten voraussichtlich auf eine Therapie ansprechen ‒ das heißt, sie hilft bei der Wahl der bestmöglichen Behandlung.

Welche Techniken werden in diesem Zusammenhang angewendet?

Prof. Röcken: Wir nutzen zum Beispiel moderne Methoden zur Sequenzierung des Erbguts im Tumorgewebe oder die in situ-Hybridisierung, um genetische Veränderungen im Tumor zu identifizieren. Mit der Immunhistochemie können wir außerdem bestimmte tumorspezifische Proteine charakterisieren. Die besondere Herausforderung besteht darin, dass wir häufig mit sehr geringen Materialmengen auskommen müssen. Heute versucht man oft schon vor der Operation, den Tumor durch eine Chemotherapie zu verkleinern ‒ damit erhöht sich die Chance, dass man ihn bei der OP vollständig entfernen kann. Für die Charakterisierung des entnommenen Gewebes bleibt dann aber nur wenig Material, mit dem viele Untersuchungen durchgeführt werden müssen.

Wie löst man dieses Mengenproblem?

Prof. Röcken: Die Nachweismethoden, die wir für die Diagnostik nutzen, sind schon sehr empfindlich. Dort haben wir schon fast die Grenze des Machbaren erreicht. Das heißt, wir müssen diagnostische Ablaufpläne entwickeln, die uns helfen, die wichtigen Untersuchungen zu priorisieren und unnötige vermeiden. Das geht nur im Gespräch mit den an der Therapie beteiligten ärztlichen Fachdisziplinen.

Tumoren können genetisch sehr heterogen sein. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Prof. Röcken: Wer glaubt, eine Tumorzelle, die man im Blut findet, sei für die Tumordiagnostik ausreichend, ist im Irrtum. Denn Tumoren setzen sich meist nicht aus einer einheitlichen Sorte von Krebszellen zusammen. Um den sogenannten Probensammelfehler zu verringern, muss man die Untersuchung am entnommenen Gewebe und an den Metastasen wiederholen. Die entscheidende Frage lautet: Wie viel Biopsiematerial wird mindestens gebraucht, um dieses Fehlerrisiko möglichst zu minimieren? In Ermangelung der entsprechenden Studien fehlen hier vielfach die Vorgaben zur Materialgewinnung bzw. die Empfehlungen in den medizinischen Leitlinien.

Welche Herausforderungen gibt es noch?

Prof. Röcken: Ein großes Problem ist die Finanzierbarkeit des medizinischen Fortschritts im DRG-System. Die Anforderungen an die Pathologie wachsen, aber die diagnostischen Leistungen sind nicht mehr akkurat im DRG-System abgebildet. Außerdem stellt sich die Frage nach dem Umgang mit Gewebeproben im Rahmen klinischer Studien. Es muss sichergestellt sein, dass nach Beendigung der Studie noch genügend Gewebe übrig ist, falls der Patient noch weitere pathologische Tests benötigt. Wir brauchen Forschung an Biobanken, um die Wissenschaft weiter voranzubringen, aber wir müssen auch eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicherstellen. Umso wichtiger ist es, hier gute Regelungen zu finden. Deshalb werden wir diese Frage auch auf dem Krebskongress gemeinsam mit anderen Fachgesellschaften diskutieren. Wir hoffen auf einen lebhaften Dialog.