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Review: 31. Deutscher Krebskongress 2014

 

   
 

Statement:
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Sport bei Krebs

Dr. Freerk Baumann. Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, Sporthochschule Köln

Durch die Fortschritte in der medizinischen Therapie können nicht nur ein Großteil der betroffenen Menschen geheilt werden, sondern auch unheilbar Erkrankte immer länger leben. Die Nachfrage nach bewegungsorientierten Angeboten wurde stetig größer. Noch bis in die 1990er Jahre hinein herrschte der Verdacht vor, dass körperliche Aktivität dem Krebspatienten schaden könnte.

In den letzten zehn Jahren konnten jedoch einschneidende Erkenntnisse gewonnen werden, die die positive Wirkungsweise bei relevanten Kenngrößen nachgewiesen haben: Gezielte körperliche Aktivität ist in jeder Therapiephase machbar und zeigt positive Effekte. Unter anderem konnten wir zeigen, dass selbst unter aggressivster Chemotherapie ein Training von Vorteil ist. Aktuelle Fragestellungen beschäftigen sich nun im nächsten Schritt mit der Überprüfung der optimalen Trainingssteuerung vor dem Hintergrund des individuellen Patientenzieles.

Für das Fatiguesyndrom liegt beispielsweise inzwischen eine differenzierte Empfehlung vor, die sich nach der Ausprägung der Erschöpfung orientiert. Zusätzlich zur Trainingssteuerung rückt aktuell auch die Grundlagenforschung mehr und mehr in den Fokus, um mögliche zelluläre oder molekulare Mechanismen durch körperliche Aktivität sichtbar zu machen und damit den Effekt erklären zu können. Denn möglicherweise hat körperliche Aktivität einen risikoreduzierenden Effekt auf das Wiederauftreten bei bestimmten Krebserkrankungen. Hier beginnt aktuell die Suche nach immunologischen und hormonellen Wirkungsprinzipien.

Dazu konnten wir unter anderem in einer Halbmarathon-Studie mit Krebspatienten immunstabilisierende Effekte feststellen, die für eine Krebsabwehr von Bedeutung sind. Diese wie auch andere Studien zeigen, dass anstrengende körperliche Aktivitäten nicht schaden. Im Gegenteil: Diese haben durchaus einen gesundheitsfördernden Einfluss. Aber auch die positiven Effekte auf das Fatiguesyndrom oder den Muskelschwund können so erklärt werden.

Als drittes großes Aufgabengebiet stellt sich aktuell die Übertragung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis und Therapie dar, denn zurzeit werden neue Erkenntnisse zu langsam in die Versorgungsstrukturen übertragen. In der Bewegungstherapie existieren weiterhin keine Standards, und so sieht in diesem Zusammenhang die Versorgung von Krebspatienten sehr heterogen aus. Darüber hinaus müssen wir die bisherigen Bewegungsempfehlungen (nur moderates oder sanftes Training) vollständig überdenken. Wir vermuten, dass vor dem individuellen Hintergrund (Krebsart, medizinische Therapie, allgemeiner Zustand) des Patienten durchaus auch anstrengende körperliche Tätigkeiten möglich sind und einen gesundheitsfördernden Effekt haben können. Krebspatienten in der Nachsorge können damit in ihrer Freizeit beispielsweise auch an einem Halbmarathon teilnehmen, ohne befürchten zu müssen, ihr Immunsystem und damit die Krebsabwehr zu schwächen.

Quelle: Fotolia.com maxisport