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Die Psychologin half krebskranken Menschen, ihren Weg zu finden. Als sie selbst an Krebs erkrankte, verzweifelte sie fast an dieser Diagnose.

Sybille Urban: Ich bin stärker

Rezension: Brigitte van Hattem

Sybille Urban hatte alles, was eine Frau sich nur wünschen kann: Schönheit, Reichtum, einen liebenden Mann und eine wohlgeratene Tochter. Jahrelang stand sie in vielen Ecken der Welt für Werbeaufnahmen vor der Kamera. Über zwölf Jahre moderierte sie jeden Montag live bei beim Hörfunksender Antenne Bayern die Sendereihe „Forum Sternstunde“ und beantwortete vor 700.000 Hörern Fragen zu allen Lebensbereichen. Bei ihrer Arbeit als Psychologin betreute sie Krebskranke so erfolgreich, dass sie über einen Fall sogar ein Buch schrieb. Doch als Sybille 2011 selbst die Diagnose Brustkrebs erhielt, war sie zu geschockt, um überhaupt die Befunde lesen zu können.

45 Jahre war sie damals alt, blond, schlank und wunderschön. Die Diagnose schien gar nicht zu ihr und ihrem Leben zu passen. "Ich kann nicht einmal sagen, dass ich in einen Abgrund blickte", schreibt sie in ihrem soeben erschienenen Buch "Ich bin stärker - Mein Leben mit Krebs" über den Moment, an dem sie die Diagnose erhielt. "Bei einem Abgrund erkennt man wenigstens noch die Kante. Von einem Abgrund kann man sich fern halten. Ich aber stürzte, die Kante war längst hinter mir."

Von der Diagnose zum Buch: "Ich bin stärker"

Es dauerte eine Weile, bis Sybille es geschafft hatte, sich aus der Opferrolle zu befreien, in die sie ihre Krebsdiagnose katapultiert hatte. Wie sie das gemacht hat, beschreibt sie eindrücklich auf den 210 Seiten ihres Buches. Dabei geht es weniger um die einzelnen Behandlungsschritte, die sie schlussendlich gesunden ließen, sondern um ihre seelische Verfassung und ihre Erfahrungen, die sie - obwohl selbst betroffen - noch immer als Therapeutin weitergibt.

Dabei gibt sie zu, dass es ihr oft schwerfiel, Ratschläge, die sie früher ihren Klienten gegeben hatte, selbst zu befolgen. Doch akribisch arbeitet sie alle Themenbereiche auf, mit denen ein an Krebs erkrankter Mensch konfrontiert wird. Da geht es um "Leben lernen unter Todesangst", um die verschiedenen Therapieformen wie klassische Onkologie, integrative Therapien und alternative Heilmethoden. Es geht um die Kunst, sich nicht ins Abseits drängen zu lassen, um Sexualität und darum, was Lebenspartner leisten können - und was nicht. Sybille Urban spricht von Selbsthilfegruppen, Stärken und Schwächen, von ihrem vom Krebs gezeichneten Körper und davon, wie es ihr gelang, ihr Leben selbst wieder in die Hand zu nehmen.

Sybille Urbans Weg zur Gesundung

Bevor die Autorin ihren Weg fand, verlor sie viel Zeit. Im Juni 2011 unterzog sie sich einer Operation, bei der ihr 25 (!) Lymphknoten entfernt wurden. In ihrer Todesangst tat Sybille Urban etwas, das sie niemals ihren eigenen Patienten geraten hätte: Sie ignorierte die Befunde und beschloss - gegen ihr innerstes Bauchgefühl - sich einem Arzt anzuvertrauen, der ein neues Medikament an ihr austesten wollte. "Eine Chemotherapie würden Sie ohnehin nicht überleben", so zitiert Sybille den Arzt, dessen Behandlung jedoch nicht anschlug. Im Gegenteil: Sie brachte Sybille dem Tod noch näher! Im Oktober 2011 sah sie ein, dass sie mit diesem Versuch gescheitert war. "Niemandem, der sich mit Krebserkrankungen beschäftigt, muss ich erklären, was solch ein Zeitverlust bedeutet", schreibt sie.

Mittlerweile war ihr Tumor wiedergekommen und er hatte die Haut und das gesamte Lymphsystem in Mitleidenschaft gezogen. Endlich stellte sich Sybille der Diagnose: "Inflammatorischer Brustkrebs mit Lymphangiosis carcinomatosa, eine der heimtückischsten Brustkrebsformen. Sie tritt nur bei ein bis drei Prozent der Krebskranken auf. Von ihnen sterben laut Statistik 77 Prozent in den ersten beiden Jahren, der Rest innerhalb von fünf Jahren. Die wenigen Patienten, die länger durchhalten, fallen statistisch nicht ins Gewicht", weiß Sybille heute.

Grenzen der klassischen Onkologie - und ihre Alternativen

Sybille unterzog sich fünf Zyklen Chemotherapie, doch ihr Krebs war nicht zu stoppen. "Das Rezidiv hatte sich elf Zentimeter entlang der Brustwand ausgebreitet und sieben Zentimeter entlang des Majormuskels am Oberarm. Meine rechte Brust bestand nur noch aus Tumorgewebe!" Jetzt war eine zusätzliche Operation nicht mehr möglich. Sybille lehnte auch weitere Chemotherapien ab und versuchte es mit alternativen Heilmethoden.

Sybille traf Geistheiler und Schamanen. Manchmal machte sie gute Erfahrungen mit ihnen und ging gestärkt aus deren Behandlungen, aber oft wurde sie auch zusätzlich verunsichert, in einem Fall sogar gedemütigt. Ende Mai 2012 war ihr Gesundheitszustand noch immer gleich schlecht. "Aber ich war nicht mehr das alte, verängstigte Häufchen Elend, ich hatte mich meiner Aufgabe gestellt und nach und nach meine mentale Kraft zurückgewonnen. Deshalb war ich überzeugt, dass sich diese Kraft früher oder später auch meinem Körper mitteilen müsste", schreibt Sybille über diese Zeit.

Wann und warum Sie "Ich bin stärker" lesen sollten

Schulmedizinisch galt Sybille als austherapiert. Sie suchte jedoch unermüdlich nach Therapie-Alternativen: "Statistisch gesehen war ich seit Sommer 2012 mausetot. Praktisch gesehen arbeitete ich an meiner Heilung." Welche der vielen Therapien ihr den Erfolg brachte, kann im Nachhinein niemand mehr sagen. Doch im Februar 2013 geschah das Wunder: Totalremission. "Da war nur noch ein kleiner Streifen Tumorgewebe in meiner Brust, ein winziger Rest in einem Lymphknoten, beides inaktiv. Ich zerfloss vor Freude", schreibt Sybille.

Dr. Markuns Notter war einer der Ärzte, der Sybille Urban behandelte. Er schrieb im Vorwort zu ihrem Buch: "Wenn Sie dieses Buch in ihren Händen halten, könnten Sie sich fragen: Was kann mir dieses Buch noch bringen? Ist es nur eins der zahlreichen Beispiele einer Selbsterfahrung? Unterschätzen Sie es nicht." Diesem Urteil möchte ich mich anschließen. Mag sein, dass es viele, viele Erfahrungsberichte von Krebskranken und viele Fachbücher über Krebs gibt - aber dies ist eine eindrückliche, intensive, intelligente Synthese und eine Pflichtlektüre für Patienten und Mediziner.

Sybille Urban: Ich bin stärker - Mein Leben mit dem Krebs
Verlag Ueberreuter, 19. Juli 2013, ISBN 978-3-8000-7569-0